Jubiläum

Viel Lob für die Innovationsfreude und den Gründergeist an der Bergstraße

Rund 300 Gäste waren beim Empfang zu 25 Jahren Wirtschaftsförderung Bergstraße in Bensheim dabei.

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Thomas Tritsch
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Zur Feier von 25 Jahren Wirtschaftsförderung Bergstraße sprach Uwe Becker, Staatssekretär für Europaangelegenheiten des Landes Hessen (links), im Kultur- und Kongresszentrum in Bensheim. © Thomas Zelinger

Bergstraße. Boris Rhein hatte keine Zeit. Der hessische Ministerpräsident hing am Mittwochabend noch in Berlin fest. Im Kanzleramt liefen die Beratungen im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz zur Frage über die Kosten der Flüchtlingsversorgung.

Während die Länder auf mehr Geld pochen, um Städte und Kommunen bei der Versorgung Geflüchteter zu helfen, stellt der Bund sich weiterhin quer. „Berlin muss jetzt dingend handeln“, hatte Rhein (CDU) in seinem Video-Grußwort anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Wirtschaftsförderung Bergstraße (WFB) betont, das in Bensheim groß gefeiert wurde. Rund 300 Gäste kamen zum Empfang ins Kultur- und Kongresszentrum.

„Hessische Erfolgsgeschichte“

Dass die Kommunen bei der Unterbringung von Migranten dringend finanzielle Hilfe brauchen, war in den vergangenen Wochen – gerade auch aus Bensheim – mehrfach auch landesweit vernehmbar. Rund 100 000 Geflüchtete hat Hessen im vergangenen Jahr aufgenommen. Viele leben immer noch in Zelten und Notunterkünften. Städte und Gemeinden können die Belastungen kaum noch stemmen.

Jürgen Gromer © Thomas Zelinger

Vielerorts seien die Grenzen des Leistbaren längst erreicht, sagte Rhein, der nach einem Blick auf die aktuellen Herausforderungen dann aber flott die Kurve zum eigentlichen Anlass gekriegt hat: 25 Jahre WFB seien eine hessische Erfolgsgeschichte. Was 1998 als Wirtschaftsförderungsgesellschaft Mittlere Bergstraße mit fünf Kommunen in Bensheim gegründet wurde, habe sich zu einem professionellen Organismus mit sechs autarken Fachbereichen weiterentwickelt.

Der Ministerpräsident sprach von einer wichtigen Schnittstelle zwischen allen relevanten Akteuren aus Unternehmen und Kommunalpolitik. Es sei auch als Erfolg der WFB zu verstehen, dass sich die Arbeitslosenquote in der Wirtschaftsregion Bergstraße seit Gründung von acht auf vier Prozent halbiert habe. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs wuchs von 60 000 auf knapp 80 000 im vergangenen Jahr.

Christian Engelhardt © Thomas Zelinger

Sämtliche ökonomischen Kennziffern hätten sich in die richtige Richtung entwickelt, so Boris Rhein, für den Uwe Becker zum Wirtschaftsempfang gekommen war. Der Staatssekretär für Europaangelegenheiten des Landes Hessen verknüpfte die wirtschaftlichen Perspektiven des Ballungsraume Rhein-Main und Rhein-Neckar mit der zukünftigen Entwicklung Europas. Die EU stärke die Wirtschaft und sorge für Wohlstand.

Doch der Erfolg der Region entstehe zuallererst vor Ort durch eine facettenreiche und qualitativ hochklassige Unternehmenslandschaft. An der Bergstraße gebe es überdurchschnittlich viele Hidden Champions, so Becker. Die Innovationsfreude sei ebenso ausgeprägt wie der Gründergeist.

Heiße Quellen anzapfen

In Bensheim sprach er auch das Thema Geothermie an. Becker bezeichnete die Region als eine der größten „Heizungen“ Deutschlands. Mehrere Unternehmen in der Metropolregion – konkret auch in Südhessen – suchen bereits nach geeigneten Plätzen, um die unterirdischen heißen Quellen anzuzapfen.

25 Jahre Wirtschaftsförderung Bergstraße im Zeitraffer

  • 1998 wird die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Mittlere Bergstraße mbH (WMB) gegründet. Gesellschafter sind die Städte Bensheim, Zwingenberg, Lorsch, die Gemeinden Einhausen und Lautertal sowie die Sparkasse Bensheim. Sitz der Gesellschaft ist Bensheim.
  • 2002 stimmen die Gremien einer Öffnung für weitere Gesellschafter (Kommunen im Kreis Bergstraße und die Sparkassen Worms und Starkenburg) zu und ebnen damit den Weg für eine kreisweite Wirtschaftsförderungsgesellschaft.
  • 2004 entsteht durch die Aufnahme neuer Gesellschafter – darunter der Kreis Bergstraße sowie die Sparkassen Starkenburg und Worms-Alzey-Ried – die Wirtschaftsförderung Bergstraße GmbH (WFB), Landrat Matthias Wilkes wird Vorsitzender der Gesellschafterversammlung, Jürgen Gromer Vorsitzender des Beirates.
  • 2006 wählen die Gesellschafter einen Aufsichtsrat, Wilkes wird dessen Vorsitzender. Die Städte Bürstadt, Heppenheim, Hirschhorn, Lampertheim, Lindenfels, Neckarsteinach und Viernheim sowie die Gemeinden Biblis, Fürth, Gorxheimertal, Grasellenbach, Groß-Rohrheim, Mörlenbach und Wald-Michelbach kommen hinzu.
  • 2008 wird Heppenheim der Sitz der Gesellschaft. Mit dem Beitritt der Gemeinde Rimbach sind alle Kommunen im Kreis mit im Boot.
  • 2010 wird die „Energieagentur Bergstraße“ als fünfter Fachbereich in die WFB aufgenommen.
  • 2013 wird mit der Tourismusagentur in Lorsch der sechste Fachbereich eröffnet.
  • 2015 wird Landrat Christian Engelhardt zum Vorsitzenden der Gesellschafterversammlung und des Aufsichtsrates gewählt.
  • 2019 formiert sich die Touristische Arbeitsgemeinschaft (TAG) Vorderer Odenwald, die WFB übernimmt das Management. tr

Geothermie bezeichnet die in der Erdkruste gespeicherte Wärmeenergie und deren Nutzung zum Wärmen, Kühlen und zur Stromerzeugung. Bislang wird diese regenerative Alternative für emissionsfreie Heizmethoden wenig genutzt. Das soll sich ändern, so der Staatssekretär in Bensheim. Um die Potenziale zu erschließen, müsse die Bergstraße auch mit Nachbarlandkreisen wie dem Odenwald zusammenarbeiten.

Die Wirtschaftsregion sei wie ein guter Motor: laufruhig, stark und effektiv, so der Landrat und WFB-Aufsichtsratsvorsitzende Christian Engelhardt. Mit seiner Idee einer Wirtschaftsförderung habe der damalige Bensheimer Bürgermeister Georg Stolle eine kluge Weitsicht bewiesen. Gründungsmitglieder waren die fünf Städte und Gemeinden Bensheim, Zwingenberg, Lautertal, Einhausen und Lorsch. Ziel war es, mehr Wirtschaftskraft und damit mehr Wohlstand an der Bergstraße zu schaffen. Das war der Zellkern für die spätere Wirtschaftsförderung Bergstraße GmbH, die im Jahr 2008 mit dem Beitritt von Rimbach vollständig war. Seither besteht die WFB aus 22 Gesellschafterkommunen.

Matthias Zürker © Thomas Zelinger

Damals wie heute ist Jürgen Gromer Vorsitzender des Beirats. Aus seiner Sicht sind die elementaren Erfolgsfaktoren des Wirtschaftsraums Bergstraße die zentrale geografische Situation in der Nähe zu Hochschulen und Forschungsstandorten, eine gute Verkehrs-Infrastruktur und die reiche Bildungslandschaft mit zahlreichen weiterführenden Schulen. Diese Kombination finde man auf einem solchen Niveau kaum anderswo, so der ehemalige President und CEO von Tyco Electronics (1999 bis 2008) – heute TE Connectivity.

Gromer stellt dem Wirtschaftsstandort ein hervorragendes Zeugnis aus. Dank der maßgeschneiderten Unterstützung durch die WFB seien viele kleine und mittlere Unternehmen gestärkt aus der Corona-Krise hervorgegangen: „Man ist flexibler geworden, viele Unternehmen haben reagiert und beispielsweise ihre Lieferketten umgebaut.“ Während der Pandemie habe die Gesellschaft als kompetenter Ansprechpartner der regionalen Wirtschaft erstklassige Arbeit geleistet.

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Ausklang im Dialog

„Der Wirtschaftsförderung geht es gut, wenn es der Region gut geht“, so WFB-Geschäftsführer Matthias Zürker in seinem Schlusswort. Der Wirtschaftsempfang sei vor allem ein Forum für Dialog und Netzwerken. Selbiges wurde im Anschluss an den offiziellen Teil ausgiebig praktiziert – bei regionalen Weinen und kulinarischen Miniaturen. Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung von Fabienne Partsch an der Harfe und Sängerin Angelina Siegert.

Anke Seeling © Thomas Zelinger

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