Bergstraße. Egal, ob Rot, Gelb oder Grün: In Sachen Legalisierung von Cannabis sind sich Bergsträßer Politiker der Parteien einig, die auf Bundesebene demnächst vermutlich die Ampelkoalition bilden werden. Das hat eine Umfrage der Redaktion bei SPD, FDP und Grünen gezeigt.
Geprüft und kontrolliert abgeben
Marius Schmidt (SPD) hat bei der Anfrage dieser Zeitung auf Mika Hoffmann, den Vorsitzenden der Bergsträßer Jungsozialisten (Jusos) verwiesen. „Ich halte eine Cannabis-Entkriminalisierung für vernünftig“, betont Hoffmann. „Ich traue es aber mündigen Erwachsenen zu, diese Entscheidung eigenverantwortlich zu treffen. Viel ändern dürfte sich dadurch ohnehin nicht, der Cannabis-Konsum wird nach meiner Erfahrung gerade bei jüngeren Erwachsenen häufig zumindest akzeptiert. Eine Anerkennung dieser Realität könnte die Konsumenten aber aus der Illegalität holen, Strafverfolgungsbehörden entlasten und nicht zuletzt eine Kontrolle der Händler ermöglichen. Statt an schwer durchsetzbaren Verboten festzuhalten, sollte der Fokus der Aufklärung, der Präventionsarbeit und natürlich dem Jugendschutz gelten, um den Risiken einer Entkriminalisierung entgegenzuwirken.“
Da für Jugendliche beim Konsum von Cannabis besondere gesundheitliche Risiken bestehen, sollte – so Mika Hoffmann – eine Abgabe frühestens an 18-Jährige erfolgen. „Konkret muss sich die Abgabe daran orientieren, wie die nötigen Vorgaben zum Jugendschutz und zur Qualität der Produkte gewährleistet werden können. Cannabis-Produkte im Supermarktregal halte ich zumindest in einem ersten Schritt für falsch. Gleichzeitig ist mir unklar, wie kommunale Modellprojekte, wie sie zum Beispiel die SPD-Bundestagsfraktion fordert, ausreichen sollen, um den illegalen Handel zurückzudrängen.“ Einen Mittelweg, zum Beispiel über Apotheken oder lizenzierte Fachgeschäfte, hält Hoffmann für sinnvoll. „Bei all dem sollten wir nicht vergessen, unabhängig von der Gesetzeslage verantwortungsvoll mit der Droge umzugehen. Stigmatisierung und Kriminalisierung von Konsumenten sind aus der Zeit gefallen. Ein unreflektiertes „Abfeiern“ der Droge ist angesichts der unbestrittenen gesundheitlichen Risiken aber ebenso gefährlich.“
Jugendschutz sicherstellen
„Bei der FDP ist das Thema Legalisierung von Cannabis Beschlusslage“, äußert sich der Bundestagsabgeordnete Till Mansmann (FDP). „Schon 2008/2009 habe ich mich dafür ausgesprochen, obwohl das Thema umstritten war.“ Dabei führe ein Verbot gerade in diesem Fall dazu, Illegalität und Kriminalität zu fördern. Anstatt den „Stoff“ auf der Straße zu kaufen, sollte Cannabis in den Apotheken geprüft und kontrolliert abgegeben werden. Gleichzeitig sollte man jedem liberalen erwachsenen Menschen zutrauen können, dass er mit gefährlichen Stoffen umgehen kann, so Mansmann.
Ole Wilkening, Vorsitzender der Jungen Liberalen Bergstraße (Julis), schließt sich dem an: „Es ist wichtig, dass Konsumierende sich sicher seien können, dass ihr ,Stoff’ rein ist– was auf dem Schwarzmarkt nicht gewährleistet werden kann. Generell ist die Wirkung, beziehungsweise sind die potenziellen Schäden des Cannabiskonsums nicht härter/,schlimmer’ als die des Alkoholkonsums – bei einer Sucht sieht dies natürlich, wie beim Alkohol auch, anders aus.“ Ebenso könne im Zuge der Legalisierung sichergestellt werden, dass zu junge Personen nicht an Cannabis gelangen.
Durch eine Legalisierung könne sich die Polizei wichtigeren Dingen widmen „und der Staat hat auch noch Mehreinnahmen, die in Aufklärung, Suchtprävention und Jugendschutz investiert werden können“, so Wilkening. „Betroffene werden so auch nicht mehr stigmatisiert und ausgegrenzt. Nur eine vollständige Legalisierung kann notwendige Qualitätsstandards und Jugendschutz sicherstellen. Wir möchten Cannabis in lizensierten Geschäften, die regelmäßig gecheckt werden, für Personen ab 18 Jahren zum Verkauf freigeben. Besitz und Konsum sollen straffrei sein. Wir Jungen Liberalen gehen noch etwas weiter: Wir möchten alle Drogen nach portugiesischem Modell entkriminalisieren. Denn dort hat sich gezeigt, dass sich dadurch Drogendelikte, Todeszahlen und Zahlen von Abhängigen stark rückläufig sind.“
Cannabiskontrollgesetz
Matthias Schimpf, Vorstandssprecher der Grünen Bergstraße spricht sich ebenfalls für die Legalisierung aus. „Es geht nicht darum, dass jeder nach einem Joint greifen kann, wie er lustig ist, sondern es geht den Grünen darum, auf ein gesellschaftliches Phänomen zu reagieren.“
Schimpf verfolgt, wie er mitteilt, „den Ansatz von drei Säulen: Prävention, Regulierung und Schadensminderung. Prävention bedeutet, dass über alle Drogen und ihre schädliche Wirkung – egal, ob legal oder illegal – umfassend aufgeklärt werden muss“. Dazu gehöre auch die Tatsache, dass Drogen für Kinder und Jugendliche besonders schädlich sind. Reguliert werden soll der Handel mit einem Cannabiskontrollgesetz, das definiert, wie und wo Cannabis gekauft werden kann – und zwar in lizensierten Fachgeschäften. Verkauf und Handel sollen streng überwacht werden. „Durch lizensierte und überwachte Händler können dann Konsumenten Cannabis erwerben. Dies gilt ausschließlich für volljährige Personen, um Minderjährige zu schützen.“Außerdem werde durch eine Legalisierung der Cannabiskonsum entstigmatisiert. In diesem Zuge müssten dann auch Drogen- und Selbsthilfe ausgebaut werden.
Unter Schadensminderung versteht Schimpf unter anderem, dass Werbung für Drogen insgesamt eingedämmt werden muss: „Obwohl man davon ausgehen muss, dass jeder mündige Erwachsene vernünftig mit dem Produkt umgehen können sollte, darf Cannabis natürlich nicht im Supermarkt neben dem Pils stehen. Möglicherweise könnte es auch in Apotheken vertrieben werden.“
„Für viele eine Glaubensfrage“
Lea May, Sprecherin der Grüne Jugend, hat sich dem Thema aus einem anderen Blickwinkel genähert: „Ich denke, dass es sich bei Diskussionen um die Legalisierung von Cannabis weniger um die Legalisierung selbst dreht, sondern viele das Thema eher als Glaubensfrage betrachten und in veralteten Strukturen verharren“, betont sie. Viele Argumente sprächen für eine Legalisierung. „Cannabis und Drogenkonsum generell sind stark stigmatisiert, dabei ist Cannabis in seiner Wirkungsweise nicht so schädlich wie Alkoholkonsum. Durch eine Legalisierung werden Staat und Justiz ebenfalls entlastet. Außerdem: Das jetzige Verbot hindert die Menschen nicht daran, Cannabis zu konsumieren. Es liegt am Staat, ob er diese Konsumenten vor giftigen Substanzen und ungeregeltem Verkauf schützen möchte.“
Drogen- und Selbsthilfe ausbauen
Basierend auf einem Cannabiskontrollgesetz soll es ermöglicht werden, in lizensierten Fachgeschäften Cannabis zu erwerben, so May. Verkauf und Handel sollen streng überwacht werden. Außerdem werde durch eine Legalisierung der Cannabiskonsum entstigmatisiert. In diesem Zuge müssten dann auch Drogen- und Selbsthilfe ausgebaut werden. „Durch lizensierte und überwachte Händler können dann Konsumenten Cannabis erwerben. Dies gilt ausschließlich für volljährige Personen, um Minderjährige zu schützen.“
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