Riedbahn

„Katharina die Große“ bei Riedbahnsanierung im Einsatz

Die Spezialmaschine für den Gleisbau gräbt in einer Überfahrt Schotter und Unterbau aus, recycelt das Material und füllt das entstandene Loch wieder auf.

Von 
Christian Schall
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In einem Schritt gräbt die Spezialmaschine „RPM-RS-900“, genannt „Katharina die Große“, Schotter und Unterbau aus und fügt (l.) neues Material zu. © Christian Schall

Mörfelden-Walldorf. Nur im Schneckentempo bewegt sich der gelbe Koloss auf den Gleisen voran. Unter lautem Brummen und Rattern laufen Schotter, Splitt und Sand über Förderbänder von einem „Waggon“ in den nächsten. In regelmäßigen Abständen ertönt eine laute Hupe. Zu hören sind Schlaggeräusche, Staubwolken steigen auf. Es ist eine Materialschlacht auf Schienen.

Zwischen Walldorf und Mörfelden, im nördlichen Abschnitt der Riedbahn in der Nähe des Frankfurter Flughafens, liegt der Schwerpunkt der Arbeiten im Oberbau und Gleisbau, erklärt Gerd-Dietrich Bolte, der bei der DB InfraGo das Gesamtprojekt Generalsanierung Riedbahn leitet. „Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die einfachste ist der Schienentausch. Oder man führt einen kompletten Tausch durch mit Schienen, Schwellen und einer Bettungsreinigung.“ Dann werde der Boden zum Teil bis in eine Tiefe von 80 Zentimetern ausgetauscht.

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Genau das passiert hier. Herzstück des Bauzuges ist eine Maschine mit der sperrigen Bezeichnung „RPM-RS-900“. Die für diesen Streckenabschnitt zuständige Baufirma Spitzke hat ihr den Namen „Katharina die Große“ gegeben. Das Namenschild trägt sie gut sichtbar auf der Außenverkleidung. Das Besondere an der knapp 200 Meter langen und 800 Tonnen schweren Maschine: Sie kann in einer Überfahrt mehrere Arbeitsschritte erledigen: das Planum (eingeebnete Fläche für den Gleisunterbau) verbessern, das Gleisbett reinigen und den Schotter recyceln.

Nach dem Graben schweben Schienen und Schwellen in der Luft

Mit etwas Abstand vom Gleisbett lässt sich das Vorgehen wunderbar beobachten. Ohne Schienen und Schwellen auszubauen – beides wird nur angehoben –, trägt „Katharina die Große“ die rund 30 Zentimeter dicke Schotterschicht ab. Im Anschluss gräbt sie unter einer horizontalen Kreisbewegung den darunter liegenden Unterbau aus. Dadurch liegen Schienen und Schwellen frei und schweben mit einer leichten Biegung in der Luft.

„Wir tauschen den Boden aus, um die Stabilität zu verbessern“, erklärt Chris Dahlmann von der Firma Spitzke das Vorgehen. Am hinteren Teil des Baufahrzeugs wird die abgetragene Bodenschicht mit neuem und recyceltem Material wieder aufgefüllt und verdichtet, die Schienen werden wieder abgesenkt. Etwa 3000 Tonnen Boden und Schotter werden täglich ausgebaut.

Zusammen mit rund zwei Dutzend ihr vorausfahrenden und folgenden Wagen aus Materialförder- und Siloeinheiten bildet „Katharina die Große“ eine mehrere hundert Meter lange Kolonne. „Wir bewegen uns mit durchschnittlich 50 Meter pro Stunde vorwärts“, erklärt Dahlmann. So schaffe eine Schicht, die zehn Stunden dauert, etwa 500 Meter. Mit der Spitzengeschwindigkeit von 100 Meter pro Stunde sei auch die doppelte Strecke möglich.

Etwa 25 Personen arbeiten an der Baumaschine oder um sie herum. Es ist sehr laut, dazu heiß und stickig. In unmittelbarer Nähe zu dem Koloss vibriert der Boden. In der Luft liegt ein Gemisch aus Diesel und dumpfig riechender Erde. Mit rund 16 000 Liter Wasser am Tag wird der Boden genässt, um den Staub zu reduzieren. „Würden wir das ausschalten, würden Sie vor lauter Staub nichts mehr sehen“, sagt Dahlmann.

Mehrere hundert Meter lang ist der Zug. Über Förderbänder wird das Gestein weitertransportiert und recycelt. © Christian Schall

In einem zweiten Schritt wird innerhalb der Maschine der vorhandene Schotter recycelt. Dafür werden die Steine zunächst von metallischen Abfällen getrennt. Anschließend wird das Gestein gesiebt, wandert über mehrere Förderbänder von Wagen zu Wagen und wird wieder aufbereitet. Mit der Zeit nutzt sich der Schotter nämlich ab und wird stumpf und rund. „Schottersteine müssen spitz sein, damit sie sich verkeilen und stabil bleiben“, klärt Dahlmann auf. Beim Recyclingvorgang werden die Steine deshalb innerhalb der Maschine in einem Kegelbrecher an die Wand geschleudert, um wieder scharfe Kanten zu schaffen. So können sie nach dem Vorgang direkt wieder verwendet werden.

Doch nur ein Teil des Materials wird vor Ort wieder aufgeschüttet, gerade so, dass Schienenbaufahrzeuge noch fahren können. Denn auch Schienen und Schwellen werden in diesem Streckenteil noch ausgetauscht. Dafür wird aber eine andere Maschine, genannt „Heinrich der Starke“, anrücken. Gestein, das nicht vor Ort weiterverwendet werden kann, wird umgeladen und abtransportiert. Das Recyclingmaterial wird zum Beispiel im Straßenbau weiterverwendet.

Laut Deutsche Bahn sind die Arbeiten „im Plan“

Zweieinhalb Wochen nach dem Beginn der Generalsanierung ist die Deutsche Bahn mit dem bisherigen Verlauf sehr zufrieden. „Der Start hat funktioniert, wir sind im Plan“, sagt Gerd-Dietrich Bolte. „Wir sind guter Dinge, was die nächsten Wochen und Monate angeht.“ Mitte Dezember soll die Strecke wieder freigegeben werden.

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Anders als bei den Vorarbeiten im Januar, als Eis und Schnee zu einer Verzögerung der Arbeiten geführt hatten, hat Bolte dieses Mal keine Bedenken wegen der Witterung: „Die Bedingungen in der zweiten Jahreshälfte sind deutlich besser.“ Bis Mitte Oktober seien die Großmaschinen noch im Einsatz.

Das gilt auch für „Katharina die Große“, wenngleich sie nicht auf den gesamten 70 Kilometern, sondern nur dort zum Einsatz kommen wird, wo der Sanierungsbedarf ähnlich groß ist wie in Mörfelden-Walldorf. Die Materialschlacht geht weiter.

Redaktion Redakteur in der Wirtschaftsredaktion

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