Prozess

Messerattentat in Mannheim: Das fordert die Bundesanwaltschaft für Sulaiman A.

Wie lang soll Sulaiman A. ins Gefängnis? Ihm wird unter anderem vorgeworfen, auf dem Mannheimer Marktplatz den Polizisten Rouven Laur getötet zu haben. Nun erfolgte das Abschluss-Plädoyer.

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Sebastian Koch
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Der Angeklagte Sulaiman A. zu Prozessbeginn. (Gerichtszeichnung) © Martin Burkhardt

Stuttgart. Bei einigen Zuschauern ist die Überraschung groß, andere zeigen sich vor dem Gericht erbost - und wiederum andere verweisen auf das psychiatrische Gutachten, das den Ausgang des Plädoyers der Bundesanwaltschaft eigentlich schon hat fast erahnen lassen. Eine lebenslange Freiheitsstrafe fordern die beiden Anklägerin für Sulaiman A., der sich vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart-Stammheim für das Attentat auf dem Mannheimer Marktplatz verantworten muss. Mord am Polizisten Rouven Laur, fünffach versuchter Mord, unter anderem am Islamkritiker Michael Stürzenberger, und Körperverletzung wird ihm vorgeworfen. Zudem soll der Senat die besondere Schwere seiner Schuld feststellen. Voraussetzung für eine Sicherungsverwahrung aber lägen derzeit nicht vor.

Vor allem die Einschätzung dieser Frage war mit Spannung erwartet worden. Ein psychiatrisches Gutachten hatte Sulaiman A. vergangene Woche unter anderem keine konkrete Rückfallgefahr attestiert, wie sie für eine Sicherungsverwahrung erforderlich wäre.

Warum Mannheimer Messerattentat eine „besondere Tat“ war

Mehr als anderthalb Stunden lang fasst die Anklage die Beweisaufnahme zusammen. Zum Prozesstag sind auch Stürzenberger und die Mutter des getöteten Rouven Laur als Nebenkläger erschienen.

Das Attentat sei eine „in mehrerlei Hinsicht besondere“ Tat, erklärt die Anklage. So sei Laur „regelrecht hingerichtet“ worden, aber auch die weiteren Verletzten sowie das Umfeld des getöteten Laurs, die Polizei und auch das Umfeld des geständigen Sulaiman A., das sich die Tat nicht erklären kann, hätten „vielfaches Leid“ erfahren.

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Gleichzeitig sei der Anschlag in Mannheim der Beginn einer Reihe islamistischer Taten gewesen, die ein „diffuses Gefühl der Unsicherheit“ entfacht hätten – noch dazu, weil die Tat über einen Stream live vor den Augen der Weltöffentlichkeit stattfand. Das Video allein aber habe keinen Aufschluss über das Motiv von Sulaiman A. und die Rollen der Beteiligten gegeben, erklärt die Anklage. Das sei Aufgabe der umfangreichen Beweisaufnahme gewesen.

In dieser hat Sulaiman A. gestanden, am 31. Mai 2024 auf dem Marktplatz einen Stand der islamkritischen „Bürgerbewegung Pax Europa“ mit einem Messer angegriffen und den Polizisten Rouven Laur getötet zu haben. Die Anklage sieht bei dessen Tötung und beim Angriff auf Stürzenberger, dem prominentesten Mitglied der islamkritischen Gruppe, Mordmerkmale der Heimtücke und niedrige Beweggründe erfüllt. Aussagen Sulaiman A.s, wonach er nur habe Stürzenberger töten wollen, seien nicht glaubhaft. So ließen die Video-Aufnahmen des knapp 25 Sekunden dauernden Attentats keine „konsequente Fokussierung auf Stürzenberger erkennen“. A. habe „in rasender Geschwindigkeit“ auf jedes nächstgelegene und zu erreichende Opfer eingestochen. Außerdem habe er sich derart radikalisiert, dass aus seiner Sicht der Angriff auf mehrere „Ungläubige“ die bessere Wahl gewesen wäre als nur auf einen.

Was die Anklage Sulaiman A. zugutehält

„Die brutalen Angriffe zeigen, dass er die Opfer nicht nur verletzen, sondern töten wollte“, erklärt die Anklage. Dass die teils schwer Verletzten den Anschlag überlebt haben, sei in vielen Fällen nur dem „Zufall der Kampfdynamik“ zu verdanken, wegen der Stiche lebenswichtige Organe teilweise nur knapp verfehlt haben. Auch würden Chatverläufe aus den Monaten vor dem Anschlag zeigen, dass Sulaiman A. sich darüber informiert hat, ob es als Muslim erlaubt sei, Polizisten zu töten. „Er war entschlossen, einen größtmöglichen Schaden anzurichten.“ Der Attentäter habe nicht freiwillig von seinen Opfern abgelassen, sondern musste erst durch den Schuss aus einer Polizeiwaffe gestoppt werden.

Die Anklage hält Sulaiman A. zugute, dass er geständig ist und die Tat bereut. Auch hält die Bundesanwaltschaft es für glaubwürdig, dass A. sich in der Haft von der IS-Ideologie distanziert habe. Vergangene Woche hatte ihm das psychiatrische Gutachten zwar eine „fragile“ und narzisstische Persönlichkeit attestiert – allerdings eben keine konkrete Rückfallgefahr oder besondere Gefährlichkeit. Das wären Voraussetzung für eine Sicherungsverwahrung.

Laut Anklage hat die Beweisaufnahme zwar gezeigt, dass allein Sulaiman A.s Radikalisierung die Tat erklären kann. Den Weg dorthin aber habe A. zwar „glaubhaft, aber verharmlosend“ geschildert, kritisiert die Anklage.

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So würden Telegram-Chats zwar keine Einbindung in dessen Strukturen, aber eine „fortwährende Identifikation mit dem IS“ erkennen lassen, die - anders als Sulaiman A. es darstelle - bereits vor Herbst 2023 beginn. Ab Herbst 2023, dem Beginn des Gaza-Kriegs, sei es dann zu einer „hochgradigen Radikalisierung“ gekommen. „Das Wiederaufflackern dieser Radikalisierung ist möglich“, könne derzeit aber eben nicht vorausgesetzt werden.

Stellt das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest, ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren auf Bewährung in der Regel ausgeschlossen. Im Falle einer Sicherungsverwahrung kann ein Verurteilter auch nach Verbüßung der Haftstrafe weiter untergebracht werden – wenn er als weiterhin gefährlich gilt.

Der Prozess in Stammheim biegt auf die Zielgerade ein. Für kommende Woche sind die Plädoyers der Nebenkläger und die der Verteidiger von Sulaiman A. vorgesehen. Ein Urteil wird für September erwartet.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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