Justiz

Prozess Messerattentat Mannheim: Neues Video als wichtiges Detail

Im Prozess um das Messerattentat auf dem Mannheimer Marktplatz zeigt ein neues Video den Passanten, der in das Tatgeschehen eingriff, aus einer anderen Perspektive.

Von 
Agnes Polewka
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Der Marktplatz kurz nach der Tat. © picture alliance/dpa

Stuttgart. Als der Prozess um das Mannheimer Messerattentat vor rund vier Monaten begann, sagte der Vorsitzende des Staatsschutzsenats, es sei nicht alltäglich, dass den Richtern Videos vorliegen, die die Tat detailgetreu abbilden. Knapp vier Monate später hat der Vorsitzende Herbert Anderer den Live-Stream des rechtspopulistischen Vereins „Bürgerbewegung Pax Europa“ (BPE) in Gänze und in Zeitlupe im Gerichtssaal abspielen lassen, mehrere Male.

Wieder und wieder zeigte er Zeugen einzelne Sequenzen daraus, bat sie, ihm zu erklären, wo sie sich auf dem Video befinden. Er stoppte, verlangsamte, spulte vor und zurück. Und er zeigte ein weiteres Video, um das „Davor“ auszuleuchten. Die Aufnahme hat der Islamkritiker Michael Stürzenberger kurz vor der Tat gemacht.

Weiteres Video vom Messerattentat Mannheim: Handyvideo von einem Passanten

Vor den Pfingstferien hat Anderer ein weiteres Video eingeführt, auf dem zu sehen ist, wie der Mannheimer Messerattentäter mit einem Jagdmesser um sich sticht. Es ist ein Handyvideo, gefilmt von einem Passanten. Die Aufnahme beginnt inmitten des Horrors. 18 Sekunden des Angriffs, der weniger als eine halbe Minute dauert, diesmal aus einer anderen Perspektive. Und die zeigt vor allem zwei Dinge.

Jemand hat ‚Messer´gerufen und ich wollte mit meiner Aufnahme der Polizei helfen.
Zeuge

Erstens: Der Zeuge, der mit dem Handy filmte, steht in der Schusslinie des Polizisten, der den Attentäter wenig später stoppte. Der Beamte hatte vor einigen Wochen berichtet, wie schwer es war, eine Schussposition zu finden, da sich auf dem Marktplatz viele Menschen tummelten. Warum er denn zum Handy gegriffen habe und filmte, fragte Anderer. Und der Zeuge antwortete: „Jemand hat ,Messer‘ gerufen und ich wollte mit meiner Aufnahme der Polizei helfen.“ Er habe das Video umgehend Beamten auf der H4-Wache übergeben.

Das Video zeigt aber auch noch etwas anderes. Ein Detail, das wichtig sein könnte. Kurz bevor der Messerattentäter Rouven Laur tödlich verletzte, gelang es zwei Männern, den Angreifer festzuhalten. Doch dann griff ein Passant ein – mit fatalen Folgen. Er stürmte in das Chaos des Attentats und schlug auf den Mann ein, der den Angreifer festhielt. Der Täter konnte sich darauf befreien und ging auf den Polizisten Rouven Laur los.

Clinch um wichtigen Zeugen im Prozess um das Messerattentat auf dem Mannheimer Marktplatz

Über die Rolle des Passanten sind in den vergangenen Wochen hitzige Diskussionen entbrannt, im Netz und im größten Sitzungssaal des Oberlandesgerichts in Stuttgart-Stammheim. Drängende Fragen sind bislang aber offen geblieben: Warum trug der Passant eine Jacke, die den Westen der BPE-Anhänger zum Verwechseln ähnelte, obwohl er offenbar weder Mitglied noch Anhänger war? Wieso griff er unvermittelt ein? Warum schlug er auf den Mann ein, der den Täter gestoppt hatte? Und wie lässt sich erklären, dass der Mann sehr kurze Zeit nach der Tat Beamten gegenüber von einem „Terroranschlag“ sprach?

Auf dem 18 Sekunden langen Video ist zu sehen, wie der Passant angerannt kommt. Und dann stehen bleibt, innehält. Sein Blick ruht auf den Männern, die auf dem Boden ringen. „Ich möchte ausdrücklich festhalten, dass man auf dem Video deutlich sieht, dass der Passant innegehalten hat, bevor er sich ins Getümmel gestürzt hat“, sagte der Anwalt der Schwestern des getöteten Polizisten, Wolfram Schädler.

Schädler kämpft seit Wochen dafür, dass der Passant als Zeuge vor Gericht aussagen muss. Dieser hatte über eine Anwältin verlauten lassen, dass er von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen wolle. Dies ist möglich, wenn ein Zeuge durch seine Aussage Gefahr läuft, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit selbst verfolgt zu werden.

Auf Anfrage dieser Redaktion hatte eine Sprecherin der Mannheimer Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass nach dem Messerangriff geprüft worden sei, ob ein Ermittlungsverfahren gegen „eine männliche Person, welche in das Geschehen eingriff“, einzuleiten sei. Dies sei aber verneint worden. Und doch will der Zeuge nun von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen.

Weitere Videos vom Messerattentat auf dem Marktplatz Mannheim scheint es nicht zu geben

Kurz nach der Tat sagte der Passant nach Informationen dieser Redaktion bei seiner Vernehmung durch die Polizei, er sei von der Straßenbahnhaltestelle zu dem Angreifer mit dem Messer gerannt und habe ihn niedergeschlagen. Danach sei er selbst für einen Täter gehalten und von den Beamten zu Boden gebracht worden. Nachdem er einen Schuss gehört hatte, habe er das Messer des Angreifers zu fassen bekommen und zu den Polizeibeamten geschoben.

Die Bundesanwaltschaft geht laut Anklage von einer Verwechslung aus. Auch im Interview mit dem „Südwestrundfunk“ äußerte sich der Mann zur Tat, kurz vor Prozessbeginn sagte er auf dem Marktplatz: „Es ist schwer, damit zurechtzukommen, dass es nicht besser geworden ist, als ich helfen wollte.“ Die finale Entscheidung des Senats, ob dem Mann ein pauschales Schweigerecht eingeräumt wird, steht bislang noch aus.

Ein weiteres Video, das während des Attentats aufgenommen worden sein sollte, scheint es indes nicht zu geben. Eine Zeugin, die angegeben hatte, selbst gefilmt zu haben, stellte den Ermittlern zunächst kein neues Video über den Upload zur Verfügung und erschien dann nicht zur Vernehmung. Bei einer Hausdurchsuchung fanden die Ermittler kein Video, der Senat geht inzwischen davon aus, dass die Frau am 31. Mai 2024 gar nicht in Mannheim war.

Redaktion

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