Die Grünen

Schimpf attestiert Wilkes eine populistische Neigung

Beim Neujahrsempfang in Lorsch ging es thematisch unter anderem um die derzeit verwaiste Stelle der Ersten Kreisbeigeordneten und um die anhaltende Zuwanderung.

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Thomas Tritsch
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Matthias Schimpf (l.) begrüßte die Gäste beim Neujahrsempfang der Grünen im Alten Rathaus in Lorsch. © Thomas Neu

Bergstraße. Der Vorstandssprecher der Grünen im Kreis Bergstraße und hauptamtliche Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf attestiert dem ehemaligen Landrat Matthias Wilkes eine populistische Neigung. Dieser hatte sich jüngst als Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung Bergstraße zur neuen Personalsituation im Landratsamt geäußert.

Nach dem Wechsel von Diana Stolz ins Amt einer Staatsministerin nach Wiesbaden sollte man laut Wilkes auf die Position einer oder eines hauptamtlichen Ersten Kreisbeigeordneten verzichten und so den öffentlichen Haushalt zu entlasten. Schimpf, der mit Wilkes lange ein Duett an der Kreisspitze gebildet hatte, wies diese Forderung zurück. Der Ex-Landrat müsse sich entscheiden, für welche personelle Lösung er nun stehe. In der Vergangenheit habe er Gegenteiliges geäußert. Es sei zudem Wilkes gewesen, der Stolz einst für diese Position vorgeschlagen habe. Außerdem sei die Fülle an Aufgaben – nicht zuletzt aufgrund der Flüchtlingsproblematik – auf kommunaler Ebene nicht weniger geworden, so dass drei Hauptamtliche keineswegs eine Überbesetzung darstellten, so Schimpf im Lorscher Nibelungensaal.

„Die AfD ist selbst Marine Le Pen zu rechtsradikal“



Die ökologische Transformation ist eines der zentralen Themen für Franziska Brantner. Als Bundestagsabgeordnete für Heidelberg und die Bergstraße sowie als Parlamentarische Staatsekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sprach sich die die Rednerin beim Neujahrsempfang der Bergsträßer Grünen dafür aus, Ökonomie und Umwelt gemeinsam zu denken. Beim Thema Kernenergie möchte sie einen klaren Schlussstrich sehen, anstatt einen Zickzackkurs über das Für und Wider der Atomkraft fortzusetzen. Auch die Nutzung von Kohlekraft sei so gering wie seit den 50er Jahren nicht mehr.

Es gehe stattdessen um den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Kontext einer konsequenten Dekarbonisierung der Industrie. Es gebe bereits viele Unternehmen, die ökologische Kriterien erfüllen und als Vorbild auch im europäischen Rahmen dienen. Darunter viele Start-ups im Bereich neuer Technologien, die diesen Kurs mitgehen, so die Abgeordnete. Auch die Digitalisierung von Energienetzen und eine noch effizientere Entbürokratisierung könnten Klimamaßnahmen effektiver machen. „Es begeistert mich, was gerade in Unternehmen passiert“, betonte Brantner in Lorsch. Die technologischen Sprünge bei E-Autos seien enorm. Sie wünsche sich einen Mentalitätswechsel in Deutschland und mehr Offenheit für neue Technologien.

Rechtsparteien anderer Länder gehen auf Distanz

Beim Thema Einwanderung sprach sie die Verhandlungen zur Reform des gemeinsamen Europäischen Asylsystems an, die nun weiter vorangehen müssten. Die Bundesregierung poche darauf, dass die EU handlungsfähig sein müsse. Auf Bundesebene sei es wichtig, dass eine doppelte Staatsbürgerschaft eng an das Grundgesetz gekoppelt werde. Ohne die Anerkennung von Frauenrechten beispielsweise oder ein Ja zum Existenzrecht Israels sei kein deutscher Pass möglich, sagte die 44-Jährige, die von 2009 bis 2013 Abgeordnete im Europäischen Parlament war.

Zugleich mahnte sie zur Vorsicht gegenüber rechten Kräften in Deutschland, die gegen die demokratische Ordnung agierten. „Wenn die AfD selbst für jemanden wie Marine Le Pen zu rechtsradikal ist, dann sollte uns das zu denken geben.“ Die AfD hatte mit ihren Ideen zu Europa und Migration in Deutschland eine Protestwelle ausgelöst. Rechtsparteien anderer Länder gehen auf Distanz. Marine Le Pen ist Fraktionschefin der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National in der französischen Nationalversammlung. Sie distanzierte sich öffentlich von der AfD und drohte sogar mit dem Ausschluss der Partei aus der gemeinsamen Fraktion im EU-Parlament. tr

Ins Alte Rathaus kamen am Sonntag zahlreiche Gäste zum Neujahrsempfang des Kreisverbands und der Kreistagsfraktion. Darunter Bürgermeister Christian Schönung, Landrat Christian Engelhardt und Matthias Zürker als Chef der Wirtschaftsvereinigung Bergstraße.

Aber auch Vertreter von anderen politischen Parteien sowie aus Verbänden wie dem Hotel- und Gaststättenverband, der Arbeiterwohlfahrt, der IHK Darmstadt, des ZAKB und des ADFC waren der Einladung der Grünen gefolgt. Als zuständiger Dezernent für Bauaufsicht und Migration nahm Schimpf auch das Thema Zuwanderung auf: Die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge im Kreis Bergstraße sei weiterhin eine große Herausforderung. Auch 2024 werden weitere Menschen an die Bergstraße kommen. Schimpf würdigte in Lorsch auch das Engagement in den Städten und Gemeinden, die sich um die Betreuung dieser Personen kümmern müssen.

Hohe Zuweisung von Geflüchteten

Sie müssten weiterhin mit einer hohen Zuweisung an Geflüchteten rechnen. Langfristig gehe es darum, die Migrationsfrage städtebaulich zu lösen und intelligente Regeln für die Umnutzung von Gewerbeflächen sowie die Ausweisung neuer Standorte für Wohnbebauung zu schaffen. Eine Nachverdichtung im Bestand - etwa durch Aufstockungen – sei wichtig, löse den Bedarf aber nicht. Auch die Tatsache, dass viele Flächen in privater Hand sind, mache die Sache nicht einfacher. „Wir brauchen eine klare Linie in Zusammenarbeit mit den Kommunen“, so der Grünen-Politiker.

Mit Bezug auf Äußerungen der SPD-Parteispitze Ende letzten Jahres betonte der Dezernent, dass der Kreis Geflüchtete keineswegs „eins zu eins an die Kommunen“ weiterleite und somit Probleme nach unten delegiere. Aktuell leben laut Matthias Schimpf noch immer rund 3000 Personen in den Unterkünften des Kreises. Dies zeige, dass man in Heppenheim seiner Verantwortung bewusst sei. Letztlich müsse man die Herausforderung aber in Kooperation mit den Kommunen lösen.

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Seit Mai 2023 werden geflüchtete Menschen direkt zugeteilt. Städte und Gemeinden sind für deren Unterbringung verantwortlich. Grundsätzlich sei es Aufgabe des Bundes, die Einwanderung klar zu steuern und so auch die Belastung der Kommunen zu reduzieren, was letztlich eine praktikable und humane Asylpolitik vor Ort erleichtere.

Schimpf sprach auch die finanzielle Situation im Landkreis an. Der Haushaltsentwurf des Kreises zeigt ein Defizit von 26 Millionen Euro, so der zuständige Kämmerer. Nun gehe es an die Reserven. Um die Kosten für die Aufnahme von Flüchtlingen finanzieren zu können, rechnet der Kreisbeigeordnete mit steigenden Zahlungen von Land und Bund. Dass die CDU in Hessen mit den Grünen gebrochen und sich nun die SPD als Koalitionspartner ausgesucht hat, kommentierte er gelassen. Man müsse politische Mehrheitsbildungen auf der Basis von Wahlergebnissen akzeptieren.

Dass die neue Regierung unter dem CDU-Ministerpräsidenten Boris Rhein trotz der Erfolge bei den erneuerbaren Energien wieder in Richtung Kernenergie zurückkehren will, kann Schimpf nicht nachvollziehen. „Atom ist keine Konsensenergie!“

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