Bergstraße. Der baden-württembergische Ortenaukreis hat am Dienstag erste Bezahlkarten für Geflüchtete ausgeben. Der Kreis mit über 430 000 Menschen ist nach eigenen Angaben mit der Neuerung Vorreiter im Südwesten.
Auch im Bergsträßer Landratsamt laufen Vorbereitungen für die Einführung eines solchen Systems. Man hoffe und wünsche sich, dass dieses noch in diesem Jahr umgesetzt werden kann, sagt der zuständige hauptamtliche Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf auf Anfrage dieser Zeitung. Derzeit erhalten die durch den Kreis Bergstraße untergebrachten Asylbewerber finanzielle Zuwendungen auf eigene Bankkonten überwiesen. Monatlich 416 Euro. Wenn in einer Gemeinschaftsunterkunft Mahlzeiten angeboten werden, wird davon noch ein Verpflegungsgeld abgezogen. In anderen Einrichtungen muss der Gesamtbetrag auch für das Essen reichen.
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Mit dem Bezahlkartensystem unterbunden werden soll vor allem, dass Flüchtlinge das in Deutschland bereitgestellte Geld ins Ausland überweisen können. Diese Möglichkeit, Familien und Freunde in den jeweiligen Heimatländern finanziell zu unterstützen, wird als sogenannter Pull-Faktor angesehen. Solche zusätzlichen Anreize für Migranten, speziell nach Deutschland zu kommen, sollen nach dem Wunsch von Bund, Ländern und Kommunen minimiert werden. Auch Matthias Schimpf hofft, dass Einschränkungen bei den Pull-Faktoren dazu beitragen, den aktuell weiterhin hohen Zuzug von Flüchtlingen zu verringern. „Landrat Christian Engelhardt und ich befürworten bereits seit langem die Einführung von Bezahlkarten“, so der zuständige Dezernent.
Doch bei der Umsetzung muss Einiges beachtet werden. Wie das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ unlängst berichtete, wollen fast alle Bundesländer bei der Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber zusammenarbeiten. Sie beteiligen sich an einer geplanten Ausschreibung für einen gemeinsamen Dienstleister für die technische Infrastruktur, schrieb das Magazin unter Berufung auf eine Umfrage bei den zuständigen Staatskanzleien und Ministerien.
„Es wäre gut, wenn wir ein einheitliches Verfahren hätten, zumindest in den Bundesländern“, sagt auch Matthias Schimpf. Dann könnten die Bezahlkarten nämlich bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen an die Menschen übergeben werden.
Grundsätzlich gebe es verschiedene Dienstleister, die solche Bezahlkarten bereitstellen könnten. Einer davon habe sein System bereits den Verantwortlichen im Landratsamt präsentiert. Doch natürlich wäre es wenig hilfreich, wenn der Kreis Bergstraße in Hessen ohne Not einen Sonderweg einschlägt. „Gründlichkeit geht hier vor Schnelligkeit“, sagt Matthias Schimpf.
Die neue Karte soll es ermöglichen, in allen Geschäften und bei allen Dienstleistern in einem abgegrenzten Postleitzahlengebiet einzukaufen, erläutert Schimpf. Außerdem stehe den Geflüchteten nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes auch ein gewisser Bargeldbetrag zu. Bis zu 110 Euro monatlich sollen daher mit den Bezahlkarten an Geldautomaten frei abgehoben werden können.
Viele Details zu beachten
Der Teufel stecke jedoch im Detail. Etwa, wenn es darum geht, sogenannte Umgehungsmechanismen auszuschließen. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn Geschäfte bei einem Umtausch von gekauften Waren Bargeld an Flüchtlinge zurückerstatten. Guthaben müssten stattdessen wieder auf der Bezahlkarte verbucht werden.
Im Ortenaukreis sind mit der Karte weniger Auflagen verbunden. Geflüchtete können demnach mit der Debitkarte im Einzelhandel bezahlen und an Automaten Geld abheben. Nur Geldtransfers seien nicht möglich.
Demnächst werde sich der Hessische Landkreistag mit dem Thema befassen, sagt Matthias Schimpf. Im Anschluss könnte sich ein Arbeitskreis mit einer landesweiten Lösung beschäftigen. (mit dpa)
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