Mundart

Machen statt Meckern: Fritz Ehmke bewahrt das Kulturgut Mundart

In der heutigen Ausgabe unserer Serie "Machen statt Meckern" geht es um Fritz Ehmke. Er gründete die Mundartfreunde Südhessen, um das Kulturgut "Mundart" an jüngere Generationen weiterzugeben.

Von 
Angela Schrödelsecker
Lesedauer: 
Fritz Ehmke ist mit seiner Tracht bekannt geworden. © Thomas Zelinger

Bergstraße. Fritz Ehmke steht stolz neben seiner Babbelbox vor der Kirche in Neunkirchen, einem Ortsteil der Gemeinde Modautal. „Guure eehr Leit“ schallert es, wenn man auf die Taste „1“ der Anlage drückt. Der amtierende Bürgermeister des Modautals Jörg Lautenschläger begrüßt die Wanderer, die sich aufmachen, den Modautaler Mundartweg zu begehen. Das Projekt ist das Werk von Fritz Ehmke und seinen Mundartfreunden Südhessen sowie dem Odenwaldclub, Ortsgruppe Ernsthofen. Ehmke und seine Mitstreiter haben es sich auf die Fahne geschrieben, das Kulturgut Mundart zu bewahren und an die kommenden Generationen weiterzugeben – und dazu lassen sie sich immer wieder Neues einfallen. Seien es die beiden Mundartwanderwege – neben dem Modautaler gibt es auch einen entsprechenden Wanderweg im Weschnitztal – oder auch CDs, Bücher, Mundart-Veranstaltungen und die Auszeichnungen mit dem Schild „Mer Babbele oder schwätze Mundart“ an öffentlichen Gebäuden in ganz Südhessen.

Fritz Ehmke ist Initiator und Gründer der Mundartfreunde Südhessen – auch wenn er im Gespräch immer wieder betont, dass er es nicht alleine ist. Die Mundartfreunde sind kein eingetragener Verein: „Wir sind eine Gruppe von Menschen, die Spaß an der Sache haben. Wir haben im Moment rund 500 Beteiligte, die sich in unseren Projekten in irgendeiner Form engagieren. Das sind Menschen aus ganz Südhessen, aber auch Ausgewanderte, die Heimweh haben.“

Fritz Ehmke und seine Familie erlitten einen schweren Schicksalsschlag

Fritz Ehmke ist Diplom-Ingenieur, der mittlerweile im Ruhestand ist. Der 74-Jährige unterrichtet aber nach wie vor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg als Privatdozent Nachwuchskräfte. 1953 zog er mit seiner Familie vom Frankenland in den Odenwald. Schon ganz früh begeisterte er sich für Tontechnik. Der Vater war Sänger im Brandauer Gesangsverein und hat ihn da mit reingezogen, wie er schmunzelnd erzählt.

Mit der Zeit kam er mit Theo und Adam, die „Bänkelsänger“, aus dem Raum Darmstadt-Dieburg in Kontakt. Hier packte ihn das Interesse an der Mundart. Er nahm Tonträger auf, moderierte, sang und spielte die Drehorgel.´Dann erlitten Fritz Ehmke und seine Familie einen schweren Schicksalsschlag: Sein Sohn erkrankte Anfang der 80er Jahre im Alter von drei Jahren an Leukämie: „Das hat uns als Eltern sehr mitgenommen. Er hat es zum Glück geschafft, aber in der Zeit der Behandlung hat uns der Verein für krebskranke und chronisch kranke Kinder Darmstadt/Rhein-Main-Neckar e.V. sehr geholfen.“ Die Familie Ehmke verbrachte jede freie Minute in der Heidelberger Klinik und das hat dem damals jungen Vater gezeigt, wie wichtig die Arbeit der Ehrenamtlichen ist.

Nun leitet er selbst ehrenamtliche Arbeit, um andere wiederum in ihrem Ehrenamt finanziell zu unterstützen. Denn: Als Dank kam er auf die Idee, eine Kassette mit dem Titel „Farbe kommt in dein Leben – Lieder und Geschichten für Kinder“ aufzunehmen. Das war ein Projekt, an dem Schulen, Kindergärten und auch der Kinderchor der evangelischen Kirchengemeinde Neunkirchen beteiligt waren. Der Erlös dieses Projekts floss an einen Heidelberger Verein, der ebenfalls krebskranke Kinder unterstützt.

Vielseitige Unterstützung, um jüngere Generationen mit Mundart zu erreichen

Inzwischen gehen alle Spendengelder an die Ehrenamtlichen in Darmstadt: Und es folgten noch so einige Projekte. Es gab einen Aufruf über die Presse, dass sich Mundart-Künstler aus Südhessen melden sollten. Und das taten sie. Ein paar Jahre war Fritz Ehmke unterwegs und nahm die Doppel-CD „Balladen, Bänkellieder und Gebabbel aus Südhessen“ auf. „Da ist eine richtige Euphorie ausgebrochen und die CD hat richtig gut Geld eingespielt,“ schwärmt Fritz Ehmke. Es folgten weitere Tonträger, wie „Horsch emol wie schäi“, es gab bisher 14 Mundartveranstaltungen, unter anderem in der Lautertalhalle mit 700 Gästen. „Die Gemeinschaft der Mundartfreunde Südhessen ist besonders am Hessentag 2014 in Bensheim gewachsen. Da hatten wir einen Auftritt im Zelt vom HVT – der Hessischen Vereinigung für Tanz- und Trachtenpflege. Der kam wirklich sehr gut an“, erzählt Fritz Ehmke.

Fritz Ehmke in seinem Tonstudio in Lützelbach. © Picasa

„Und da kam auch die Idee auf, dass wir die jungen Menschen ansprechen müssen. Im Publikum und auf der Bühne sind die meisten 70 plus. Die haben die Mundart mit der Muttermilch mitbekommen“, schmunzelt er. Fritz Ehmke möchte eine Brücke schlagen zu den jungen Leuten und bisher hat er einiges dafür getan: Es kam die CD mit Begleitbuch „Tross, tross trill, de Bauer hot e Fill“. Und da bekam er auch Unterstützung: „Die Christine Hechler hat mir als Musikerin und frühere Erzieherin geholfen, die Kinder besser zu erreichen.“ Vier Jahre war Fritz Ehmke unterwegs, um in Kindergärten und Schulen Lieder und Gedichte aufzunehmen. Auch eine Malerin aus Biblis unterstützte das Projekt mit Illustrationen.

Landrat Christian Engelhardt erzählt, wie er einen Kurzschluss verursachte

Es folgte eine Aufzeichnung mit Märchen in südhessischer Mundart. Fast 30 Mundartkünstler haben sich beteiligt und ihre Lieblingsmärchen erzählt. Im Buch wurden sie in Hochdeutsch und in Mundart abgedruckt. Auch hier finden sich Illustrationen, diesmal mit Bezug zum Märchen und zum Lebensmittelpunkt des jeweiligen Erzählers. Allein dieses Projekt hat rund 22 000 Euro eingespielt. Insgesamt spendeten die Mundartfreunde Südhessen bereits über 150 000 Euro an den Darmstädter Verein.

Mundartfreunde Südhessen

  • Gegründet im Jahr 2000.
  • Ziel ist es, das Kulturgut Mundart zu bewahren und bekannt zu machen.
  • Die Gruppe bietet Mundartfreunden eine Plattform, die überregionale Verbindungen schaffen soll.
  • Das Netzwerk reicht vom Neckar (Beerfelden) über Rhein (Biebesheim, Büttelborn), Odenwald bis zum Main (Frankfurt, Rodgau) bis nach Mittelhessen (Vogelsbergkreis und Lahn-Dill-Kreis).
  • Seit der Gründung wurden zahlreiche CDs aufgenommen, Bücher veröffentlicht und Mundartabende veranstaltet.
  • Rund 150 000 Euro wurden mit den Projekten eingenommen.
  • Das Geld wird komplett an den Verein für krebskranke und chronisch kranke Kinder e.V. in Darmstadt gespendet.
  • Aktuelle Projekte: „Grodde unn Lauser G‘schischde aus Südhesse“, Produktion des Mundart-Jahreskalender, fortlaufende Updates der Beiträge an den Hörstationen auf den Mundartwanderwegen.

„Unser aktuelles Projekt sind jetzt Grodde unn Lauser G‘schischde aus Südhesse. Auch hier geht es wiederum darum, den Altersunterschied von über 60 Jahren zu überbrücken und die Kinder zu erreichen. Ganz viele machen da mit und erzählen auf Mundart ihre Geschichten aus der Kindheit. Landrat Christian Engelhardt berichtet zum Beispiel, wie er als Bub mal dafür gesorgt hat, dass wegen eines Kurzschlusses, den er verursacht hat, der Schulunterricht ausfiel.“

Auf die Frage, was ihn antreibt, sich so zu engagieren, hat Fritz Ehmke ganz schnell eine Antwort parat: „Es sind die Menschen. Bei motivierten Menschen tanke ich, die geben mir ganz viel Kraft.“ Man spürt, wie ihn diese Arbeit und die Begegnungen mit den Menschen berühren. Die schönsten Momente sind, wie er erzählt, die Gemeinschaft und auch der Erfolg, den man mit dieser Arbeit erreicht.

Fritz Ehmke machte während seiner ehrenamtlichen Tätigkeit auch negative Erfahrungen

Auf die nächste Frage, wie viel Zeit er das Ehrenamt investiert, muss er allerdings lachen: „Für eine ehrliche Antwort müssen Sie wahrscheinlich eher meine Frau fragen. Ich habe ein wirklich tolerante Frau – jede andere hätte mich schon zum Tempel rausgejagt.“ Dann wird er wieder etwas ernster und rechnet vor, dass er mindestens die Hälfte seiner Zeit in die Projekte der Mundartfreunde investiert. Viele Stunden sitzt er in der Woche am Computer und in seinem Tonstudio und kümmert sich seine Projekte.

Tonaufnahmen in der Brüder-Grimm-Schule Rimbach für den Weschnitztaler Mundart Wanderweg. © Picasa

Wer über so viele Jahre mit vielen Menschen arbeitet, macht auch mal negative Erfahrungen: „Die größte Herausforderung ist wieder der Faktor Mensch. Man muss ein Gefühl dafür entwickeln, wer wirklich mit Herzblut und nicht nur aus Prestigegründen oder monetären Interessen dabei ist – und manchmal trennen sich dann auch Wege wieder.“

Fritz Ehmke will noch mehr junge Menschen für Mundart begeistern

Das Ehrenamt hat für Fritz Ehmke eine enorme Bedeutung – das spürt jeder, der ihm zuhört. Er möchte etwas zurückgeben und der Verein in Darmstadt liegt ihm sehr am Herzen. In regelmäßigen Abständen finden die Spendenübergaben mit allen Beteiligten statt: „Und das erfüllt uns alle, die mitgewirkt haben, mit großem Stolz.“ Außerdem gibt es auch auf die Projekte selbst viel positive Resonanz. Viele melden sich und erzählen, wie viel Freude ihnen die CDs und die Bücher machen: „Wir geben den Leuten damit wieder ein Stück Identität, ein Bezug zu ihren Wurzeln, zurück.“

Mehr zum Thema

Wohltätigkeit

Der Zwingenberger Verein „Rund ums Kind“ übergibt Spendengelder

Veröffentlicht
Mehr erfahren
Ehrenamt

Stadt Bensheim bedankt sich bei Integrationslotsen

Veröffentlicht
Von
Christa Flasche
Mehr erfahren

Sein Ziel für die Zukunft ist es, noch mehr junge Menschen für Mundart zu begeistern und dazu ruft er auch alle seine Mitstreiter auf. Sein Wunsch ist es, dass weniger in die Vergangenheit geblickt wird, sondern die Mundart auch modern, in der Gegenwart, gelebt wird. Und er kann nur jeden aufrufen, sich ehrenamtlich zu engagieren: „In einem Lied, das ich im Chor gesungen habe, heißt: Freude am Leben heißt Freude sich geben; wer Freude verschenkt ist in Wirklichkeit reich.“

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger

VG WORT Zählmarke