Biblis. Seit dem Abriss der beiden Kühltürme von Block A im Frühjahr 2023 ist der Rückbau des abgeschalteten Atomkraftwerks in Biblis schon von weitem sichtbar. Der über Jahrzehnte gewohnte Anblick der Industrieanlage hat sich verändert. Doch das Fehlen der beiden Türme machte sich auch beim Rheinhochwasser im Juni 2024 bemerkbar, als an deren früherem Standort unaufhörlich Wasser aus dem Boden drang und in Richtung der umliegenden Felder abfloss. Die Folge waren weitläufige Überschwemmungen, auch auf Flächen, die bislang nicht vom Rheinhochwasser betroffen waren.
Im Moment laufen vorbereitende Arbeiten für den Abriss der verbliebenen zwei Kühltürme bei Block B. Das teilt RWE-Sprecher Alexander Scholl auf Anfrage dieser Redaktion mit. Allerdings könne er noch keine Angaben über einen genauen Zeitraum für die Umsetzung dieses Vorhabens nennen. Damit ist offen, ob die Türme in diesem Frühjahr fallen.
Keine Probleme mehr beim Hochwasser im Januar
Geklärt ist inzwischen die Ursache für den Wasseraustritt beim Rheinhochwasser im Juni. Das Wasser sei durch unterirdische Einlasskanäle eingedrungen, berichtet Alexander Scholl. Als die Kühltürme noch standen, sei das ein geschlossenes System gewesen. Nach dem Abriss habe der in den Türmen erzeugte Gegendruck gefehlt.
„Da musste nachgearbeitet werden. Die Öffnungen sind nun mit Beton verschlossen“, betont der RWE-Sprecher. Beim Hochwasser in diesem Januar sei kein Wasser mehr auf der Fläche ausgetreten, die früher der Standort der beiden Kühltürme von Block A war. Beim Hochwasser im Dezember 2023 hatte das noch anders ausgesehen. Der Bibliser Ortslandwirt Dirk Müller beobachtete schon damals, wie Wasser vom Kraftwerksgelände aus auf die Felder floss – und zwar auf Flächen, die bislang vom Rheindruckwasser nicht erreicht worden waren.
„Es ist wichtig, dass sich das nicht noch einmal wiederholt“, betont Dirk Müller mit Blick auf das Ausmaß der Überschwemmungen im Juni. Am Kraftwerk wurden zahlreiche Pumpen eingesetzt, und auch die Landwirte pumpten Tag und Nacht Wasser von ihren Äckern zurück in den Rhein. RWE zog eigene Experten hinzu, um die Auswirkungen der Wasserfluten, die vom Kraftwerksgelände ausgingen, zu untersuchen. Gleichzeitig begann die Ursachensuche.
Rund 20 Landwirte aus Biblis und Groß-Rohrheim waren vom Hochwasser betroffen, berichtete der Groß-Rohrheimer Ortslandwirt Florian Olf im Sommer. Ein Teil dieser Schäden sei durch die Flutwellen vom Kraftwerksgelände verursacht worden. Wie alle Seiten bestätigten, gab es über die vergangenen Monate hinweg einen Austausch zwischen den Bürgermeistern, Ortslandwirten und RWE über Entschädigungen.
Wie bereits im Juni befürchtet, hätten viele Pflanzen großen Schaden genommen, bestätigt Dirk Müller. Anders als bei einem Hochwasser in den Wintermonaten, wenn die Pflanzen im Ruhezustand sind, habe es im Juni verheerende Folgen gehabt, dass landwirtschaftliche Flächen unter Wasser standen. Dadurch seien die Wurzeln zu lange von der Sauerstoffzufuhr aus der Luft abgeschnitten gewesen. „Für das Getreide war diese Situation eine Katastrophe“, sagt Müller. Aber auch der Pilzbefall etwa bei Zwiebeln sei hoch gewesen.
RWE-Sprecher sieht Einigung auf der Zielgeraden
Um gesicherte Daten vorweisen zu können, gaben Biblis und Groß-Rohrheim ein Gutachten in Auftrag. Es hat einige Zeit in Anspruch genommen, um dokumentieren zu können, welche Schäden nicht auf das übliche Druckwasser, sondern auf das beim Kraftwerksgelände an die Oberfläche getretene Wasser zurückzuführen sind. „Die Entscheidung für das Gutachten war der richtige Weg“, sagt der Groß-Rohrheimer Bürgermeister Karsten Krug. Der Aufwand sei groß gewesen, denn es handle sich nicht um einen Standard-Schaden. „Ich bin mit dem Verlauf zufrieden.“ Alle Beteiligten seien im ständigen Dialog gestanden. Jetzt gehe er davon aus, dass das vorliegende Gutachten vom Versicherer akzeptiert werde.
Eine Einigung über den Schadenersatz befinde sich auf der Zielgeraden, sagt RWE-Sprecher Scholl zur aktuellen Situation. Diesen Eindruck haben auch die beiden Ortslandwirte. „Wir sind positiv gestimmt“, sagt Dirk Müller. Schriftlich festgehalten sei noch nichts.
„Die Landwirte haben ihre Unterschriften unter das Gutachten gesetzt“, berichtet Florian Olf. Es liege am Versicherer von RWE, dass es weitergehe. Er hatte auf ein schnelleres Ergebnis gehofft. Denn die Bauern müssten zum Jahresende fällige Rechnungen wie die Pacht für ihre Äcker bezahlen. Bei vielen Betrieben gehe es um die Liquidität. Erst jetzt im Januar scheint die Entschädigung in Reichweite zu sein.
„Es war von Anfang an klar, dass wir eine Dokumentation machen lassen und dafür den Rechnungsbetrag vorlegen“, sagt der Bibliser Bürgermeister Volker Scheib. „Das beauftragte Ingenieurbüro hat die für eine Entschädigung nötigen Daten geliefert.“ Bei den Treffen mit allen Beteiligten habe immer eine konstruktive Stimmung geherrscht, zeigt sich Volker Scheib optimistisch, dass die Landwirte ihr Geld bekommen. /ü
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