Weinheim. Wenn die Schotten heute Auftaktgegner der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der Heim-Europameisterschaft sind, drückt Ralph Schütz nur einem die Daumen: „Den Scotsmen! Die sind finanziell noch nicht so versaut.“ Schütz lacht. Der Weinheimer ist Vorsitzender des Highlander e.V., dem 1996 gegründeten Verein der Schottlandfreunde, der am 20./21. Juli bereits zum 25. Mal seine Highlandgames ausrichten wird. Und das wohl auch zum letzten Mal. „The last dance“, sagt der 61-Jährige, der inzwischen in Birkenau lebt und pensioniert ist. „Wir haben das jetzt alle lang genug gemacht. Die Verantwortung will aber keiner mehr übernehmen. Mal sehen, wohin unsere Reise führt.“
Die Reise morgen geht nicht allzu weit. In seiner Hütte auf dem Wachenberg schaut sich der Mann, der den Verein damals in Anlehnung an den Blockbuster „Highlander“ gegründet hat, dessen Sohn nicht umsonst Connor heißt und für den es nur den einen wahren Whisky gibt, das EM-Eröffnungsspiel mit seinen Kumpels an. Jeden Montag treffen sich die Männer, die ansonsten Baumstämme tragen oder Steine werfen, auch zum Kicken auf dem Sportplatz in Hohensachsen.
Zwei Aufsteige in vier Jahren
Immer noch – auch wenn es die Mannschaft im Spielbetrieb des Fußballkreises nicht mehr gibt. Zunächst auf dem Hart-, dann auf dem Kunstrasenplatz in Hohensachsen waren die Highlander von 2005 bis 2012 in vier Spielzeiten von der damaligen C- in die A-Klasse marschiert. Und dann wieder zurück. „Dann haben wir das Projekt Fußball wieder aufgegeben. Alle wollten Geld und dachten, sie können wunderweißwas. Dabei habe ich mit 47 noch mitgespielt und war fitter“, sagt Schütz.
„Das hat dann keinen Spaß mehr gemacht.“Jetzt also nur noch „just for fun“ am Montagabend. Zuletzt waren 18 Freizeitkicker am Start. Auch Größen wie Mirko Schneider oder Andreas Schmitt spielten schon mit. Nach dem Ausgnag des EM-Eröffnungsspiels gefragt, tippten 16 auf einen knappen Sieg für Deutschland, einer auf Remis. Nur Ralph Schütz beharrte auf einem 1:0-Sieg der Schotten. „Mein Herz ist schottisch. Die Fans machen klasse Stimmung und die Mannschaft wird sich kämpferisch zerreißen“, begründet der ehemalige Nullneuner seinen Außenseitertipp.
Schottland überzeuge als Mannschaft
„Heutzutage ist es ja wichtiger, dass die Haare gut liegen und dass man ansonsten gut aussieht“, sagt der Verfechter des „aussterbenden einfachen“ Fußballs, der mit puren Schönspielern nichts anfangen kann. „Obwohl ich schon immer Fan des FC Bayern bin“, lacht Schütz. „Aber was die zuletzt allein beim Trainer-Theater an Geld verbrannt haben ...“. Das geht auf keine Highlandcattle-Haut.
Schottland überzeuge als Mannschaft, gerade im Norden des Landes werde oberhalb von Edinburgh und Glasgow ein ganz anderer Zusammenhalt gelebt, in dieser eher dörflichen Region helfe man sich gegenseitig. Auch daraus begründe sich die gute Stimmung, die die schottischen Fans verbreiten. Highlander-Ehrenmitglied Andrew Anderson spielte gar bei den Glasgow Rangers in der ersten Division.
Fußball ist also auch bei den starken Männern ein Thema. Doch im Gegensatz zu manchem Kicker kenne ein Highlander eben keinen Schmerz. „Das sind richtig durchtrainierte Athleten.“ Kraftpakete, denen keine Aufgabe zu schwer ist. Der DFB-Elf traut der oberste Weinheimer Highlander aber durchaus etwas zu. „Mit Biss, Einsatz, großer Steigerungsfähigkeit von Spiel zu Spiel und einem guten Auftritt als Mannschaft sind Siege gegen Ungarn und die Schweiz drin. Aber einen Durchmarsch wird es nicht geben“, sagt Schütz. Das Verhältnis zwischen Deutschland und Schottland sei indes ein richtig gutes. Das zeigte sich auch in Garmisch-Partenkirchen, wo die schottische Abordnung sowohl mit Alphorn und Blasmusik, als auch mit Dudelsack begrüßt wurde.
In Sachen Schottland-Reisen hat Ralph Schütz übrigens Nachholbedarf. „Nur nicht mehr im Sommer, da ist es wirklich teuer geworden.“ Aber die Sehnsucht nach der Natur, den schottischen Weiten und auch wieder ein Besuch der größten Highland-Games in Braemar mit Besuch des Königs steht auf der Wunschliste. Die Pub-Kultur habe unter Corona und dem Brexit indes gelitten, viele Pubs mussten schließen, weil schlichtweg Personal fehle. Auch die Highlander-Stammkneipe in Dunvegan auf der Halbinsel Skye – unweit des Highlander-Schlosses Eilean Donan Castle – hat den gesellschaftlichen Wandel nicht überlebt.
Deshalb bringen die Highlander „German Beer“ mit in die Highlands. „Das schottische Bier kann nicht mithalten, obwohl es inzwischen einige gute schottische Ales gibt “, sagt Schütz, der die Kombination aus deutschem Bier und seinem schottischem Lieblings-Whisky, einer speziellen Talisker-Mischung, als fußballerische Getränkebegleitung am auch heutigen Abend genießen wird. Ob im grün-karierten Kilt der Mac Leods, ob mit oder ohne Unterhose – das bleibt ein Geheimnis in den Weinheimer Highlands auf dem Wachenberg.
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