Fastnacht

Bergsträßer Narren feiern ausgelassen auf dem Heppenheimer Umzug

Mehrere zehntausend Menschen gingen am Sonntag in Heppenheim beim Fastnachtsumzug 2024 auf die Straße. Nicht fehlen durften dabei viele süße Wurfgeschosse und Lust an der Verkleidung.

Von 
Thomas Tritsch
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Guggemusik-Formationen und Spielmannszüge sorgten für den richtigen Rhythmus auf der Straße. © Jürgen Strieder

Heppenheim. Es war der zweite Fastnachtsumzug nach der Corona-Pause. Zu spüren war am Sonntag lediglich ein gefährlich grassierendes Narren-Virus, das sich schon am Vormittag in der Kreisstadt breit gemacht und viele infiziert hatte. Das Publikum zeigte eine ungebrochene Lust am Feiern und an der Verkleidung entlang der Heppenheimer Fastnachtsmeile, wo sich der traditionelle Tross mit 113 Zugnummern um 14.11 Uhr in Bewegung gesetzt hat. Bei zehn Grad und bewölktem Himmel wurden die Regenschirme am Straßenrand lediglich verkehrt herum aufgespannt, um möglichst viele süße Wurfgeschosse einfangen zu können.

Und die gab es reichlich. Heppenheim ist seinem Ruf als Eisstadt wieder einmal gerecht geworden. Gefrorenes am Stiel flog ausgiebig von den Wägen – natürlich wie immer aus lokaler Herstellung in unterschiedlichen Formaten und Aromen. In der Weststadt, wo sich die Teilnehmer aufgestellt hatten, herrschte rege Betriebsamkeit bereits lange vor dem Startschuss. Vorglühen und aufwärmen war angesagt.

Auch Super Mario war beim Fastnachtsumzug in Heppenheim dabei. © Jürgen Strieder

Die Sperrung der Lorscher Straße Richtung Europaplatz, wo die Großparkfläche gebührenfrei zur Verfügung stand, bereitete keinerlei Verkehrsprobleme. Im Gegenteil: Zugbesucher nutzten die Bundesstraße, die momentan saniert wird, als großräumigen Fußgängerbereich – und als Flaniermeile zu einer nahen Fast-Food-Filiale, um sich vor den flüssigen Genüssen den Magen zu füllen. Standfestigkeit war angesagt, wurde aber nicht von jedem durchgehalten. Keine zwei Stunden später hatten sich einige Fastnachter nahe des Europaplatzes in die Horizontale begeben und die Hilfe von zwei Herren beansprucht, die das rote Kreuz nicht als Zeichen einer ritterlichen Maskerade trugen.

2,2 Kilometer lange Zugstrecke führte durch Heppenheim

Die 2,2 Kilometer lange Zugstrecke führte von der Mozartstraße über die Lorscher Straße bis zur Partymeile am Graben, wo nach dem Zug weitergefeiert wurde. Im vergangenen Jahr sollen es insgesamt rund 95 000 Besucher gewesen sein. Und auch diesmal hatte die Interessengemeinschaft Heppenheimer Fastnachtsumzug rund um Norbert I. (Weiser) als Vorsitzenden und Zugmarschall alle Hebel in Bewegung gesetzt, um möglichst viele Akteure zu mobilisieren.

Immerhin über 20 Wägen, Kapellen und Fußgruppen mehr als im vergangenen Jahr zogen durch die Straßen, wo ausgiebig den Stimmungsaufhellern zugesprochen wurde: „In dubio Prosecco“ hätte das Motto lauten können – als ausgeliehener Slogan der „Proseccoschnegge“ des SV Erbach, die am Sonntag in Tausendundeine Nacht ins Reich eines gewissen Aladin eingetaucht waren.

Sehr kreativ: bunte Quallenkostüme. © Jürgen Strieder

Auch sonst musste in Heppenheim niemand verdursten: die Winzerfamilie Freiberger – im schönen Wagen mit Römerglas und Rebenlaube – feierte ein „neues Design für den Wein“ und zeugte sich ebenso frei-gebig wie die Brauereien Dorfkind und Pfungstädter sowie viele andere Mitwirkende, die dem Volk großzügig die Gläser füllten. Apropos Wein: die „Hepprumer Jungwinzer“ hatte das Sambafieber gepackt, während die Bensheimer Karneval-Gesellschaft BKG in dieser Kampagne lieber nach Hawaii reist. Die Hambächer Kerwejugend hat sich bezüglich einer exotischen Destination offenbar noch nicht entschieden und befand sich am Sonntag dem eigenen Motto zufolge noch „auf hoher See“.

Die Fastnachtsgesellschaft Bottschlorum hält sich mit solchen Banalitäten erst gar nicht auf und begab sich auf eine Forschungsreise ins Raum-Zeit-Kontinuum nach der Losung „Zurück in die Zukunft“. Die FG wurde 1904 gegründet. Bott meint die Bütt, und mit Schlorum ist Mundart und steht für die Wendung, „das Untere nach oben zu kehren“: frei übersetzt ist also die Narrenfreiheit gemeint, der sich am Sonntag (und bis Mittwoch) nahezu alles unterzuordnen hat.

Frau Ehrenzugmarschall Barbara Schaab fuhr im Piratenschiff übrigens ebenso mit wie Bürgermeister Rainer Burelbach, der eine sehr gute Wurfhand bewies und am Kreisel Mozart-Uhlandstraße ein Stieleis dermaßen präzise in ein Obergeschossfenster der Strahlemann-Stiftung traf, dass Augenzeugen beinahe applaudiert hätten. Vielleicht sollte sich die erfolglose Handball-Nationalmannschaft bei Gelegenheit mal im Heppenheimer Rathaus Talente sichten.

Ab Zugnummer 100 von Party, Musik und kollektiver Flüssigkeitsaufnahme geprägt

Der FC Starkenburgia war einer der wenigen Sportvereine im Tross. Er präsentierte seine kunterbunte Jugendabteilung. Mit dabei waren auch das Team von „Dynamo Tresen“ aus Heppenheim, eine durstige Hobbykicker-Formation, sowie die hessische Weiberfastnacht mit ihrer Sitzungspräsidentin Michaela Hartnagel-Keil und der Liederkranz Hambach mit seinem Popchor 21. Die Hambacher Fastnacht (HABAFA) präsentierte Superhelden und Schurken, während die Hemsbacher Stehtischfreunde eine riesige Schnapsflasche auf Reisen schickten. Nett anzuschauen waren die Mitglieder der Kerwejugend Erbach im Super-Mario-Look auf den – nur chronologisch gemeinten – hinteren Plätzen des Heppenheimer Umzugs, der ab Nummer 100 eher von Party, Musik und kollektiver Flüssigkeitsaufnahme geprägt war.

Viel Süßkram, Bass und alkoholisches Durcheinander

An politischen Statements und frecher Obrigkeitsschelte war der bunte Wurm allerdings erneut recht arm, wenngleich es mehr als genügend Anlässe gegeben hätte. Die Freude an der ungezügelten Narretei wog schwerer als das kritische Kommentieren von Regierung und Co. Lebenslust und Geselligkeit waren den Menschen wichtiger als die Probleme der Welt, die man ja alle Tage ausführlich aufs Brot geschmiert bekommt.

Während des Guckens war man übrigens gut beraten, stets achtsam aufpassen, dass man keinen gut gemeinten, aber verletzlich gefrorenen Klotz an den Kopf bekommt. Am besten fangen, sofort weglutschen oder – noch feiner – einem nebenstehenden Kind überreichen, das mit Appetit und gähnend leeren Vorratstaschen am Bordstein lauert.

Impression vom Fastnachtsumzug in Heppenheim. © Jürgen Strieder

Unter den optisch ansprechenden Nummern ragten die Heppenheimer Schwellköpp, die Hutzelschweizer mit einem sportlichen Motivwagen sowie der Beitrag „Barbie und Ken“ von Siegfried Eibner heraus. Zu den personalstarken Fraktionen gehörten die Närrischen 3 aus Lorsch („77 Jahre schon, mit Leidenschaft und Emotion“) sowie der Karnevalverein Narrhalla aus Zwingenberg und das Heppenheimer Zugkomitee inklusive seiner Oldtimer, die trotz fortgeschrittenen Alters noch immer „jung und schee“ sind. „Die wo aa immer debei sin“ (DWAIDS) feierten 100 Jahre Hörspiel.

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Neben mehreren Guggemusik-Formationen sorgten die Spielmannszüge der großen Fastnachtsgesellschaften sowie der Musikverein Starkenburg für den richtigen Rhythmus auf der Straße, während der Narrennachwuchs donnernde Bässe aus der Konserve zu bevorzugen scheint. Die Teilnehmer aus Hemsbach, Kirschhausen, Hambach, Zell, Ober-Laudenbach, Balkhausen und Erbach sorgten für ein süffiges Hinterteil des Heppenheimer Umzugs, der beinahe lückenlos von Zuschauern gesäumt war. Nach so viel Süßkram, Bass und alkoholischem Durcheinander setzten sich die meisten Zuschauer danach Richtung Graben in Bewegung.

Zu den beliebtesten Kostümen zählt heuer übrigens – bei Männlein wie Weiblein – die Polizeiuniform. Wohl in der Hoffnung, dass man mit den Originalen bis Aschermittwoch möglichst nicht in Berührung kommen möge.

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