„Jazz von 10 bis Zehn“

Heißes Pflaster für zwölf Stunden Jazz im Herzen von Bensheim

Die Open-Air-Veranstaltung „Jazz von 10 bis Zehn!“ im Rahmen des Bergsträßer Jazzfestivals war nach zweijähriger Corona-Zwangspause wieder ein rundum gelungenes Fest aus Musik und Geselligkeit im Herzen von Bensheim.

Von 
Thomas Tritsch
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Bergstraße. Zwei Jahre mussten die Organisatoren des Bergsträßer Jazzfestivals warten: Jetzt wurde am Bensheimer Bürgerwehrbrunnen wieder geswingt. Und das gleich zwölf Stunden lang. Mit der Rückkehr des Formats „Jazz von 10 bis Zehn!“ feierte die Reihe am Samstag ihren alljährlichen Höhepunkt. Zahlreiche Musikfreunde kamen ab Vormittag in die Innenstadt, um auf der geselligen Meile mitten in der Fußgängerzone vier Bands vor schmucker Kulisse zu erleben. Darunter viele Stammgäste, die seit 2019 auf eine Neuauflage dieser besonderen Open-Air-Veranstaltung gewartet hatten, die 2007 aus der Taufe gehoben wurde.

Darunter auch ein 74-jähriger Jazzfan aus Ilvesheim, der aus diesem Anlass seit Jahren mit dem Fahrrad nach Bensheim kommt. Für den ehemals erfolgreichen Langstreckenläufer ist ein solches Marathonkonzert wie geschaffen: „Die Atmosphäre in der Altstadt ist einzigartig. Hut ab vor den Machern, die das seit so vielen Jahren mit Herz und Leidenschaft auf die Beine stellen.“

Gemeinschaftsproduktion

Das Festival ist eine Gemeinschaftsproduktion der Stadtkultur Bensheim, der GGEW AG, der Sparkasse Bensheim und des Bergsträßer Anzeigers, der dieser Idee anlässlich seines 175-jährigen Jubiläums eine Bühne gegeben hatte. Mit exzellentem Echo. Seither wird die Reihe unter der künstlerischen Leitung von Bruno Weis – Gründer und Chef der Original Blütenweg Jazzer – koordiniert und moderiert. Am Bürgerwehrbrunnen öffnet sich seither das gesamte Spektrum des traditionellen Jazz von Swing über Dixieland bis hin zu Ausflügen in Richtung Gospel oder Boogie Woogie. Stets mit einer Marching-Band als Farbtupfer im Stadtbild: Am Samstag marschierte die „New Orleans Joymakers Brassband“ mehrfach durch die City. Ein mobiles Blechgewitter mit Blues, Rags, Stomps und Märschen, das von den Bandleadern Harald Möbus und Udo Beilborn angeführt wird.

Bruno Weis – Gründer und Chef der Original Blütenweg Jazzer – ist künstlerischer Leiter des Bergsträßer Jazzfestivals, er koordiniert und moderiert. © Zelinger

Das 2005 formierte Frankfurter Sextett brachte einen feinen Hauch New Orleans in die Bensheimer Fußgängerzone, wo der Bürgerwehrbrunnen spätestens ab dem frühen Nachmittag das pulsierende Zentrum der Innenstadt war. Bei freiem Eintritt und einem kulinarischen Begleitmenü aus Wein, Bier und Grillwürstchen war der Platz bei angenehmen Temperaturen heiß begehrt. Der Lions-Club Bergstraße-Bensheim machte als Thekenteam erneut eine gute Figur.

Um die Mittagszeit vereinte die „Wild Boogie Connection“ mit Franz Wosnitza, Peter Glessing, Matthias Köhler und Jürgen Adlung musikalische Power mit technischer Finesse und enormer Spielfreude. Die dramaturgisch schwierige Etappe von 15 bis 18 Uhr, während der gerne mal ein bisschen Publikum verlorengeht, haben die Musiker der Band „All that Jazz“ gekonnt gemeistert.

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Fünf Musiker um den Trompeter und Bandleader Toni Krebs, der auch Sängerin Jasmin Shakir nach Bensheim mitgebracht hat. Den Ausfall des Schlagzeugers haben die Joymakers spontan mit personeller Unterstützung überbrückt. Das Repertoire umfasste kreolische Sounds und alten Jazz von Chicago über New Orleans bis nach Harlem. Die Zuhörer erlebten eine lässige Fusion der Stile und Epochen mit unbemühter Bühnenpräsenz ganz nah am Publikum. Mit „What A Wonderful World“ ging dieses Set mit langem Beifall zu Ende, während die Organisatoren bereits den heiß ersehnten Flügel für das Abendprogramm erwartet haben.

Doch zuvor hatte die Marchingband noch eine Stunde Zeit, um die Innenstadt zu erobern – auch wenn der „Royal Garden Blues“ auf dem fast menschenleeren Marktplatz (die Winzerfest-Baustelle) auf recht wenige Ohren traf.

Am Brunnen blieb es voll. Gegen 19.30 Uhr strömten weitere Zuhörer auf den Platz vor der Bühne, wo sich Chris Hopkins bereits warmgespielt hatte. Der international renommierte und mehrfach preisgekrönte Jazzer hatte nach dem Motto „Swinging in Summertime“ ein starkes Quartett komponiert:

BA-Maskottchen Fred Fuchs bereitete beim Bergsträßer Jazzfestival vor alle den Kindern viel Freude. © Zelinger

Neben Colin T. Dawson (Gesang und Trompete) glänzte auch Schlagzeuger Bernhard Flegar am nostalgischen Slingerland Drumset, das schon Größen wie Gene Krupa und Buddy Rich als Referenz diente. Und mit „Lady Bass“ Lindy Huppertsberg am Kontrabass war eine weitere Ausnahmeinstrumentalistin in Bensheim dabei. Mit Stücken wie Duke Ellingtons „Take The A Train“ und Nat King Coles „L-O-V-E“ startete die Band famos durch. Das Publikum genoss einen sehr smoothen und eleganten Sound, der von virtuosen Soli und einem sehr dialogischen Zusammenspiel geprägt war. Beispielhaft nachzuhören beim soften Jazzstandard „These Foolish Things (Remind Me Of You)” aus dem Jahr 1936.

Raffinierte Arrangements

Und es ging so munter weiter: Lindy Huppertsberg sang „On The Sunny Side Of The Street” und mit „Runnin` Wild“ hatte die Formation jenen Song mitgebracht, den Marilyn Monroe in Billy Wilders Komödie „Manche mögen´s heiß“ im Zugwaggon schmettert. Nach der letzten Pause des dreiteiligen Sets von Chris Hopkins servierte der Pianist und Komponist, der seit über 20 Jahren die „Echoes of Swing“ leitet, raffinierte Arrangements von „Way Down Yonder In New Orleans“ und „That´s My Desire“. Als Zugabe erklang noch die Moritat von Mackie Messer.

Nach einem am Ende verregneten Konzert in 2019, den beiden abgesagten Festivals ab 2020 und einem alternativen Gastspiel der Marching-Band „Dixie Heroes“ in der Fußgängerzone als musikalisches Ersatzhäppchen im vergangenen Jahr war „Jazz von 10 bis Zehn!“ diesmal wieder ein rundum gelungenes Fest aus Musik und Geselligkeit.

Das Jahresprogramm endet traditionell am zweiten Weihnachtsfeiertag mit einem Konzert der „Black Harmony Gospel Singers“ ab 20 Uhr im Parktheater. Tickets sind ab Oktober erhältlich.

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