Darmstadt. Ursprünglich war zwar noch ein Fortsetzungstermin angesetzt, doch die Anhörung weiterer Zeugen war aufgrund ausreichender Beweise nicht mehr nötig. Wegen Betruges in drei Fällen und Computerbetruges in ebenfalls drei Fällen ist ein 22 Jahre alter Kfz- und Karosseriebauer aus Oberursel am Landgericht Darmstadt zu einer Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt worden.
Außerdem muss er - abzüglich der bereits geleisteten Zahlungen - weitere rund 56 000 Euro zahlen. Zudem hat er den Adhäsionsanspruch eines der Opfer anerkannt. Ebenso soll er die Kosten für das Straf- und Adhäsionsverfahren übernehmen.
Beute im fünfstelligen Bereich
Im Zeitraum von Februar bis August 2020 war er, wie er im Verfahren über seinen Verteidiger Thorsten Peppel gestand, als Abholer in sechs Fällen beteiligt, bei denen Senioren mit der Betrugsmasche des falschen Polizeibeamten unter anderem um Geld und Schmuck gebracht wurden. Seit dem 23. März 2021 sitzt der 22 bereits in Untersuchungshaft.
Eines der Opfer ist eine 80 Jahre alte Frau aus Heppenheim, die auf den sogenannten Polizeitrick hereinfiel und Schmuck im Wert von fast 48 000 Euro verlor. Auch ihre EC-Karte legte sie aus Angst vor der Haustür ab. Ein falscher Polizist hatte der Geschädigten am Telefon unter der gefälschten Nummer der örtlichen Polizei glaubhaft und „durch eine geschickte Gesprächsführung“ vorgegaukelt, sie sei ins Visier von Dieben geraten, die bereits in der Nachbarschaft gesehen wurden. Zu ihrem eigenen Schutz komme ein Kollege vorbei, um die Wertgegenstände in Sicherheit zu bringen.
Noch während die Heppenheimerin mit dem vermeintlichen Beamten telefonierte, soll ein Unbekannter Colliers, Ringe, Armbänder, Ringe, Broschen, eine Zuchtperlenkette sowie die EC-Karte der Seniorin entwendet haben. Anschließend hob der Täter mit der PIN an zwei Geldautomaten maskiert insgesamt 3000 Euro ab.
Neben der 80-Jährigen aus Heppenheim gibt es mindestens fünf weitere Opfer aus Hessen, Rheinland-Pfalz und Bayern. Die Gesamtbeute liegt im hohen fünfstelligen Bereich. Der 22-Jährige habe auf Anweisung seines Auftraggebers - Ahmed oder Faruk - in der Türkei agiert. Als Lohn behielt er jeweils 25 Prozent des Diebesgutes ein.
Bande nicht nachgewiesen
Entgegen der Forderungen von Staatsanwältin Eda Öztürk-Kayrak - sie hatte unter anderem eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten gefordert - fiel das Urteil letztlich milder aus.
Hintergrund war unter anderem, so Richter am Landgericht Christoph Trapp, dass das Bestehen einer Bande, von der zuvor die Rede war, so im Zuge des Verfahrens nicht nachgewiesen werden konnte. Zwar sei der Angeklagte als Abholer tätig gewesen, jedoch wisse man nicht, ob tatsächlich ein weiterer Komplize Beute abgeholt habe. „Und urteilen können wir letztlich nur über das, was tatsächlich feststeht“, betonte der Richter. Nichtsdestotrotz sei eine Freiheitsstrafe unbedingt angebracht, wie Trapp betonte. Der Verteidiger des Angeklagten hatte in seinem Plädoyer zuvor zwei Jahre auf Bewährung vorgeschlagen.
Für einen „luxuriösen Lebensstil“
Die Behauptung des Angeklagten, dass er nicht über die Hintergründe bescheid gewusst habe, konnte die 12. große Strafkammer so nicht nachvollziehen. Schließlich sei offensichtlich, dass man nicht Wertgegenstände und Geld und schon gar nicht erst seine Kreditkarte mitsamt Pin nachts vor dem Haus deponiert. Ihm müsse klar gewesen sein, dass die Senioren extrem unter Druck gesetzt worden seien und keinen anderen Ausweg gesehen haben. Dem musste eine massive Drohung vorangegangen sein.
„Das war keine normale Kuriertätigkeit und das muss ihm bewusst gewesen sein“, führt Trapp aus. „Schließlich hat er auch maskiert Geld mit den EC-Karten an Geldautomaten abgehoben“. Das sei auf entsprechendem Videomaterial zu erkennen gewesen. „Es war eine perfide Masche. Und das war ihm klar, wenn auch nicht die Inhalte der Gespräche am Telefon. Er war kein kleines Licht, sondern hat maßgeblich zur Verwirklichung der Tat beigetragen.“ Die Gründe, weswegen er die Wertsachen, EC-Karten und das Geld auf Anweisung nachts abgeholt habe, blieben unklar. Schließlich habe er einen Beruf, eine Wohnung und eine Freundin gehabt, jedoch konnte er sich so einen „luxuriösen Lebensstil“ leisten.
Umfassendes Geständnis abgelegt
Strafmildernd habe sich hingegen unter anderem sein umfassendes Geständnis ausgewirkt. „Das kommt nicht all zu oft vor. Wenn dann sind es häufig nur zwei magere Sätzchen“, so Trapp. Die Ausführungen des 22-Jährigen haben hingegen gewisse Einblicke ermöglicht. Zwar glaube die Kammer, dass es ihm leid tue, wie er dies vor der Kammer betonte. Auch zuvor im Verfahren, hatte sich der Angeklagte bei den Opfern entschuldigt, die - teils etwas zögerlich - seine Entschuldigung annahmen.
Reue gezeigt und entschuldigt
Außerdem sei er zur Zeit der Taten gerade erst aus dem Jugendstrafrecht rausgefallen und sei weiter nicht vorbestraft gewesen. Allerdings könne man hier auch nicht von einer „Eintagsfliege“ sprechen, so Trapp, sondern von einem Zeitraum, der sich über ein halbes Jahr hinweg erstreckt habe. Eine Woche haben der 22-Jährige aus Oberursel und sein Verteidiger jetzt Zeit, um Revision einzulegen.
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