Bergstraße. Mit einer Katastrophenschutzübung im Raum Zwingenberg und Bensheim hat der Kreis Bergstraße ab Samstagnachmittag achtzehn Stunden lang den Ernstfall geprobt. Rund 230 Beteiligte aus dem Bereich Katastrophenschutz und von den Freiwilligen Feuerwehren waren im Einsatz.
Die fiktive Ausgangslage
Szenario war eine Windhose über einem Zeltlager auf einer Wiese im Zwingenberger Westen nahe der Autobahn. Knapp 50 Kinder und Jugendliche waren betroffen, so die fiktive Ausgangslage. Einige waren – so das weitere Szenario – bei verschiedenen Freizeitaktivitäten in der Umgebung unterwegs, um das Übungsgelände auf mehrere Teilbereiche und Schwierigkeitsgrade auszudehnen und somit eine Vielzahl an Zuständigkeitsebenen und Fachdiensten zu integrieren.
Notruf um 14.39 Uhr
Nach Beendigung der akuten Lage wurden die jugendlichen Statisten über die Nacht hinweg in der Melibokushalle von der Feuerwehr betreut, „verletzte Patienten“ waren nach einer medizinischen Erstversorgung am Einsatzort direkt in die umliegenden Kliniken transportiert worden.
Insgesamt war die Übung auf eine Dauer von 18 Stunden angesetzt. Der Notruf ging in der Heppenheimer Leitstelle um 14.39 Uhr ein. „Attacke!“ hieß es um die gleiche Zeit auf dem Areal in Nachbarschaft der Zwingenberger Kleintierzüchter. Dort waren Zelte und Schirme vom Sturm durch die Luft gewirbelt worden, den Einsatzkräften zeigte sich ein Bild der Verwüstung mit etlichen verletzten und verzweifelten Jugendlichen und ihren Betreuern.
„Die Spiele können beginnen“, so eine Helferin vor Ort in der Hoffnung, dass diese hoch komplexe Großschadenslage möglichst reibungslos und erfolgreich gemeistert werden wird. Von einem solchen Ereignis – also einer „Großschadenslage“ – spricht man, wenn eine große Anzahl von Verletzten oder ein erheblicher Sachschaden vorliegt.
Die Feuerwehr Zwingenberg trifft zuerst ein. Einsatzleiter ist der stellvertretende Wehrführer Karl-Heinz Zecher. Schnell wird die Lage sondiert, die ersten Verletzten werden versorgt und mit Rettungsdecken gewärmt.
Alles arbeitet Hand in Hand
Neben der physischen Ersthilfe im Gelände geht es auch um den psychischen Beistand der Kinder und Jugendlichen, von denen einige an einen strukturierten Betreuungsplatz an der Melibokushalle gebracht werden. Dort erfolgt auch die professionelle psychosoziale Betreuung durch die Notfallseelsorge und die Abklärung von potenziellen Vermissten.
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Alles arbeitet Hand in Hand: Feuerwehren und Rettungsteams, Technisches Hilfswerk und DLRG, Sanitätsdienste und die Crew auf der zentralen Leitstelle. Eine interdisziplinäre Aktion von haupt- und ehrenamtlichen Kräften, die zum festen und regelmäßigen Übungsprogramm aller Fachdienste gehört, so Markus Stracke, Fachbereichsleiter für Brand- und Katastrophenschutz im Kreis Bergstraße. Er begrüßte die externen Beobachter von Presse und Politik am Zwingenberger Feuerwehrstandort. Mit dabei Kreisbrandinspektor Steffen Lutter und der Fachbereichsleiter Rettungsdienst, Jörg Oberkinkhaus.
Spürhunde auf dem See
Vom Feuerwehrstandort aus ging es zum Zeltlager und weiter an den Niederwaldsee, wo mehrere Personen bei einem Ausflug mit dem Unwetter konfrontiert wurden. Einige werden vermisst. Die DLRG Bergstraße übernimmt die Wasserrettung, von den Kollegen aus Lampertheim kommen speziell ausgebildete Spürhunde, die aus dem Boot heraus die Witterung aufnehmen. Nach einiger Zeit kommen die Kameraden der Feuerwehr Bensheim-Auerbach hinzu.
Die Notlage soll so realistisch wie möglich inszeniert sein. Entsprechend klar und direkt läuft die Kommunikation ab. Was hakt, wird unmittelbar benannt – teils auch in einem etwas lauteren Ton.
Kein geselliger Ausflug
Wenngleich es sich um eine Übung handelt, wird schnell klar, dass „Zwingenberg 2022“, so der Titel der Trainingseinheit, für die Akteure kein geselliger Wochenendausflug darstellt. Für ein authentisches Einsatzbild trägt auch bei, dass sämtliche Kräfte von ihren realen Standorten aus anrücken. „Krisensicher wird man nur durch Praxis. Die Theorie spielt eine wichtige Rolle, genügt aber bei Weitem nicht, um im Ernstfall souverän handeln zu können“, so ein Mitglied der DLRG.
Gute Vernetzung ist das A und O
Markus Stracke spricht von einem sehr anspruchsvollen Szenario, das durch seine geografische Ausdehnung noch diffiziler wird: Weitere verletzte Personen (geschminkte Darsteller) sind in einem unzugänglichen Waldstück sowie in den Zwingenberger Weinbergen und im dortigen Steinbruch. Auch hier wird die Suche von Rettungshunden begleitet, die Feuerwehr macht den Weg frei für den Rettungsdienst. Genau darauf kommt es an: Teamwork durch eine gute Vernetzung und optimale Kommunikation. Aus der Luft werden die Einsatzstellen von Drohnen erkundet, am Boden werden Verletzte je nach der Schwere ihrer Blessuren versorgt. Alles läuft nach klar definierten Prioritäten. Gefahrenabwehr und Katastrophenschutz sollten bestmöglich verzahnt sein.
Aber auch der Kontakt mit den Krankenhäusern ist notwendig, um die medizinische Versorgung der Opfer flott und ohne Umwege sicherstellen zu können. Im Laufe der Übung wurde aber auch deutlich, wo es Optimierungsbedarf gibt. Auch das sei ein zentrales Ziel solcher Veranstaltungen, so Jörg Oberkinkhaus.
Die Auswertung braucht Zeit
Die Vorbereitung erfolgte federführend von der Gefahrenabwehr des Kreises Bergstraße durch Frank Jakob und Fabian Geiges, ergänzt von einem Team mit Feuerwehren und Hilfsorganisationen.
Eine sachlich-qualitative Beurteilung der Übung war am Samstag noch nicht möglich, hieß es von zuständiger Seite. Die Auswertung der einzelnen Maßnahmen und eine objektive Einschätzung der Kooperation auf den verschiedenen Ebenen dauere seine Zeit – gerade bei einer Großschadenslage wie „Zwingenberg 2022“.
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