Bergstraße. Ganz gemächlich spaziert ein dicker Igel schon am frühen Nachmittag quer über den Rasen und verschwindet im dichten Gebüsch. Ein eher seltenes Bild, sind doch die stacheligen Gesellen ansonsten nur nachts unterwegs. „Der Durst treibt die Tiere nach draußen“, sagt Iris Benkert, die auf ihrem weitläufigen Grundstück in Groß-Rohrheim ein gutes Dutzend Igel beherbergt – und zurzeit jede Menge Trinkschalen für sie bereitstellt.
Wassergefäße an allen Ecken und Enden auf dem Grundstütz platzieren, das empfiehlt sie jetzt allen Gartenbesitzern. „Zurzeit sind tagsüber oft Igelmamas unterwegs“, weiß sie. Wenn sie ihre Babys säugen, brauchen sie viel Energie – und bei den heißen Temperaturen eben auch mehr Wasser als sonst. „Sie wachen dann auf, weil sie durstig sind, und machen sich auf die Suche.“
Auf der Suche nach Wasser
Iris Benkert hat auf ihrem Gelände für unzählige Wasserquellen gesorgt. Perfekt geeignet findet sie Untersetzer von Blumentöpfen. Aber auch Tetrapacks verwendet sie gerne: „Ich schneide Milch- oder Safttüten ab, so dass der Rand ein paar Zentimeter hoch ist, und befülle sie mit Wasser.“ Einige platziert sie sogar an Waldrändern, weil auch hier Tiere an der Hitze leiden, ist sie sich sicher. Allerdings ist ihr dabei auch wichtig, dass die Überreste nicht einfach als Müll im Freien liegen bleiben.
Beim Futter kaum wählerisch
Den Igelmüttern auf ihrem Grundstück spendiert sie zudem ordentliche Mahlzeiten. „Sie haben oft großen Hunger“, macht sie deutlich. Der Nachwuchs verlangt nach seinem Recht – und will Milch, so viel er kriegen kann. Ob die Mamas dann auch genügend Käfer finden, um den Anforderungen gerecht zu werden, hält die Groß-Rohrheimerin für fraglich. Also bietet sie ihren Gästen Katzenfutter an – „ohne Saft oder Gelee“, das sei wichtig. Ansonsten sind ihre Gartenbewohner wenig wählerisch, sie vertilgen Nass- genauso wie Trockenfutter. Allerdings muss es hochwertig sein, darauf legt die Igelfreundin großen Wert.
Sie hat auch einen guten Tipp parat, damit die Katzen in der Nachbarschaft nicht die Futterschälchen plündern, bevor die eigentlichen Adressaten zum Zug kommen: das Futter unter eine Kiste stellen und den Eingang perfekt auf Igelgröße zuschneiden. Iris Benkert hat etliche solcher Futterhäuschen selbst gebaut, am liebsten mit durchsichtigen Seitenwänden. „Dann kann man beobachten, wie die Igel fressen.“ Absolut sehenswert, findet sie.
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Auch Teiche steuern die durstigen Kerlchen gerne mal an – wenn sie flach und gut zu erreichen sind, weiß die passionierte Tierfreundin. Wer einen Pool besitzt, müsse allerdings aufpassen, dass kein Igel reinfällt und ertrinkt. „Sie können zwar schwimmen. Aber sie müssen auch rausklettern können.“ Also am besten nachts eine Gummifußmatte ins Wasser hängen und gut befestigen. Das könne auch für Eidechsen und andere kleine Tiere ein hoch willkommener Rettungsanker sein.
Auch Vögel und Insekten betroffen
Michael Held, Vorsitzender des Bürstädter Nabu, macht sich nicht nur Sorgen um die Igel, wenn es so heiß und trocken ist wie in diesen Tagen. Auch Insekten müssen trinken. „Deshalb am besten ein kleines Stöckchen in die Wasserschale legen.“ Darauf können die Winzlinge sicher landen und ihren Durst stillen. Für Vögel aller Art hält er dagegen eine Wasserstelle in luftiger Höhe für weitaus geeigneter: „Am besten in einen Baum hängen oder erhöht aufstellen.“ Ansonsten sei die Gefahr groß, dass die Nachbarskatze einen Angriff startet.
Erst vor wenigen Tagen hat Held Igel-Nachwuchs begutachtet – den ersten in diesem Jahr: Im Garten einer Bürstädter Familie geht es im Nest bereits ziemlich lebhaft zu. „Dabei ist eigentlich der August der Geburtsmonat“, weiß Held. Im Juli ist eher die Zeit für den Nestbau. Allerdings werde das Klima wärmer, damit änderten sich auch viele Abläufe in der Natur.
Wer Igeln etwas Gutes tun will, lässt seinen Garten am besten ein bisschen wild. Reisig, Laub, totes Holz und dichte Hecken finden nicht nur die possierlichen Nachttiere gemütlich, sondern auch viele andere Arten wie Fledermäuse oder Eidechsen. „Wo es Igel gibt, gibt es in der Regel auch genügend Regenwürmer und Insekten“, ist sich der Nabu-Vorsitzende sicher. Die Tiere halten sich seiner Erfahrung nur da auf, wo es genug Nahrung gibt. Zufüttern würde Held also frühestens im Herbst, wenn sich der Nachwuchs genug Speck für den Winter anfressen muss. „Aber Futter erst rausstellen, wenn es dunkel ist“, lautet sein Rat. Dann sind nämlich keine Fliegen mehr unterwegs, die ihre Eier ablegen können.
Um das stattliche Kerlchen, das am helllichten Tag auf dem Rasen gesichtet wurde, macht er sich allerdings wenig Sorgen. Erst kürzlich wurde das kleine Stacheltier an gleicher Stelle mit Partner – oder Partnerin? – beim nächtlichen Stelldichein beobachtet. Held lacht. „Na, dann gibt es bestimmt bald Nachwuchs.“ Eine echte Auszeichnung für den Mini-Hausgarten, wenn hier Igel eine Familie gründen wollen. /sm
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