Bergstraße. Dass sie aus der Corona-Pandemie trotz aller Hürden viel Positives mitnimmt, das hat Heike Grammbitter, Geschäftsführerin des Bensheimer Varieté Pegasus, im Gespräch mit dieser Zeitung betont. Sie ist überzeugt davon, dass die vielfältigen Möglichkeiten, die Veranstaltungshäuser bieten, gerade jetzt genutzt werden sollten, um Personal und Kernkompetenzen auch in unsicheren Zeiten zu halten.
Unmittelbar vor dem Gespräch mit dieser Zeitung hat Grammbitter an einer Video-Schalte teilgenommen – eine Info-Veranstaltung für alle Antragsteller des Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen. Sich über solche Möglichkeiten zu informieren ist eine der vielen neuen Aufgaben, die die Branche in der Krise bewältigen musste und muss.
Die Wirtschaftlichkeitshilfe kann man als rein finanzielle Hilfe für Veranstaltungen oder Veranstaltungsreihen beantragen – für kleinere Veranstaltungen bis maximal 2000 Gästen, so Grammbitter. Von Bedingungen über die Registrierung bis hin zur Auszahlung der Hilfen hat sich Grammbitter bereits im Vorfeld informiert.
Entscheidung für die 3G-Regel
„Wir haben die Hilfe für unser Varieté beantragt“, berichtet sie. Das Geld erhalte man, nachdem die Veranstaltung stattgefunden habe. Das Tolle: Bei beispielsweise 60 verkauften Tickets werden durch die Hilfe die leeren Plätze aufgefüllt – damit Veranstaltungen trotz des 3G-Modells und damit verbundener Abstands- und Hygieneregeln wirtschaftlich sind.
„Natürlich kann jeder selbst entscheiden, ob er Gäste in Form von 2G oder 3G begrüßt“, betont Grammbitter. „Wir selbst haben uns für 3G entschieden, da wir niemanden ausgrenzen möchten. Wir wollen jedem die Möglichkeit geben, Gast zu sein, und eine Spaltung der Gesellschaft verhindern.“ Das Problem bei der 2G-Regelung sei hingegen, dass man zwar potenziell das Haus ausbuchen darf, allerdings meist die Gäste fehlen. „Viele haben noch Angst“, nennt Grammbitter als Grund dafür, dass Veranstaltungshäuser nicht voll besetzt sind.
„Man kann übrigens auch eine Ausfallversicherung mit beantragen“, berichtet Grammbitter „bei einer 80-prozentigen Ausfallgarantie, wenn die Veranstaltung wegen Corona ausfällt – etwa bei einem Lockdown oder wenn ein Künstler Corona hat“. Damit seien Gagen und Kosten in Höhe von 80 Prozent abgesichert.
Alle Kinderkrankheiten des Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen seien inzwischen beseitigt. Sie habe sich vorab bereits auf verschiedenen Wegen informiert, bis klar war, welche Bedingungen für den Antrag gelten. So war das Pegasus schon vor der Info-Veranstaltung gut informiert.
Vorteile als Dehoga-Mitglied
Generell betont Grammbitter die Hilfe und Unterstützung, die sie von vielen Stellen in Krisenzeiten erhalten habe – jetzt in Bezug auf die Antragstellung, sowie auf verschiedenen Wegen von Kreis Bergstraße und Stadt Bensheim. Auch, als ihr langjähriger Kollege und Geschäftspartner Thorsten Dewald infolge eines häuslichen Unfalls plötzlich starb: Vor allem das Pegasus-Team habe sie in dieser schweren Zeit unterstützt, aufgebaut und motiviert.
Da es schwer war und ist, Kontakt zu anderen Kulturschaffenden herzustellen, freut sich Grammbitter auf das Kulturtreffen der Stadt Bensheim, das am 18. November für alle Kulturschaffenden der Stadt im Dorfgemeinschaftshaus in Schwanheim stattfinden soll. Sie hofft dort, sich beispielsweise über Fördermittel auszutauschen. Es sei nicht einfach gewesen, sich im Informations-Dschungel zurechtzufinden.
„Ein großer Vorteil für uns ist, dass wir Dehoga-Mitglied sind. So haben wir beispielsweise Hilfsmittel an die Hand bekommen mit Informationen, wie man Fördermittel beantragen kann.“ So zieht Grammbitter auch neue Erkenntnisse und viele Ideen aus der Pandemie: „Ich glaube, dass wir umdenken müssen: Veranstaltungsstätten kommen alleine so nicht mehr zurecht, die Gäste kommen nur zögerlich. Wir sehen das als Anlass, um Wege und Möglichkeiten zu schaffen, Veranstaltungshäuser unterschiedlich zu nutzen.“ Als Beispiele führt sie TV-Projekte des Pegasus an, aber auch Coachings für Führungskräfte, die ab Januar geplant sind. „Außerdem wollen wir unseren Förderverein neu aufstellen“, berichtet sie. Das Ziel sei auch, wieder internationale Künstler einladen zu können. Dazu brauche es allerdings Zuschüsse in Bezug auf die Quartiere. „Denn auch, wenn sie nicht spielen, sind sie bei uns zu Gast.“
Die technische Ausstattung ist da
Tests sollten außerdem kein unüberwindbares Hindernis sein, weswegen sie sich auf Unterstützung in dieser Hinsicht freuen würde. Außerdem sei der Fachkräftemangel sowohl in der Gastronomie, als auch in der Veranstaltungstechnik groß. „Dadurch verlieren wir bundesweit viele Kernkompetenzen.“ Auch hier sei es wichtig, dass Arbeitsplätze gerettet werden. Dazu sei ein Umdenken erforderlich. Das Pegasus setze auch daher seit geraumer Zeit auf interaktive Hybridveranstaltungen, wie die „Late-Night-Shows“ zum Beispiel oder das Frühstücksfernehen jeden Mittwoch. „Wir sind im Pegasus inzwischen mit acht Kameras und einem TV-Studio ausgestattet“, berichtet Grammbitter. „Finanziert sind diese durch Fördermittel vom Neustart Kultur Hessen. Bereits im April 2020 habe das Pegasus in Kooperation mit Metropolregion TV die Streaming Produktion einer Talk-und Varieté Show „Villa Varieté“ konzipiert, produziert und gesendet.
Zahlreiche Ideen für Projekte
Das war der Start für viele Projekte, die danach folgten und noch folgen sollen. Auch den im September 2020 aufgestellten Weltrekord (wir haben berichtet) möchte sie nicht missen. „Veranstaltungshäuser können so viel mehr“, betont sie. „Deswegen müssen wir Vielfalt zeigen. Das Pegasus ist viel mehr als nur Theater.“
Aus diesem Grund setze sie weiterhin auf TV-Projekte, sei aber beispielsweise auch für Lesungen im Veranstaltungshaus offen. „Im Prinzip ist alles möglich, bei dem Menschen in Ruhe im Sitzen etwas genießen.“
Auch Informationsveranstaltungen, Podiumsdiskussionen oder Stadt- und Kreis-Gespräche mit Bergsträßer Bürgern seien denkbar, mit Kooperationspartnern in Städten, Gemeinden oder in der Kreisverwaltung. Zu klären seien nur der Tag, die Uhrzeit und wer die finanziellen Mittel beisteuert, damit das Equipment genutzt werden kann.
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