Ortsgeschichte - Erinnerung an einen Kraftakt in der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Bibliser Glocke steht für den Zusammenhalt in schwerer Zeit

Von 
Stefanie Reis
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Biblis. „So wird ein Stück Bibliser Kultur- und Sozialgeschichte sichtbar gemacht“, freute sich Bürgermeister Volker Scheib darüber, dass die Bartholomäusglocke wieder zu sehen ist. Die Initiative hatten Günter Mössinger und Manfred Gölz ergriffen. Sie hatten beim Bürgermeister angeregt, die Glocke, die seit über 40 Jahren auf dem Bauhof eingelagert war, wieder neben der katholischen Kirche aufzustellen. Auf ihre Bedeutung weist nun auch eine Tafel des Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald hin.

„Darauf können wir sehr stolz sein“, freute sich Pfarrer Ludger Maria Reichert. Die Bibliser Glocke ist nun ein Teil von insgesamt über 500 Geopunkten. Wie Jutta Weber, Geschäftsführerin des Geo-Naturparks, erklärte, werden interessante Orte in der Region als Geopunkte ausgewiesen. Sie präsentieren allgemeinverständlich landschaftliche, erdgeschichtliche und kulturhistorische Besonderheiten in den Städten und Gemeinden.

Dank an Bauhof-Mitarbeiter

Für Volker Scheib stellt die Glocke ein Stück Sozialgeschichte dar. Die drei Tonnen Metall symbolisieren für ihn Vertrauen und Hoffnung auf eine bessere Zukunft, als sie 1949 angeschafft wurde. „Glocken rufen uns, mahnen uns, zeigen uns den Weg. Sie spielen in vielen Kulturen und Glaubensrichtungen eine wichtige Rolle“, erklärte Scheib. Er bedankte sich bei Gölz und auch bei Mössinger, Vorsitzender des Vereins für Heimatgeschichte Nordheim, dafür, dass die Glocke zu einem erlebbaren Stück Geschichte für Biblis geworden ist. 40 Jahre stand sie auf dem Bauhof. Nun fand sie ihren Platz im Schatten der Bartholomäuskirche. Ein Dank ging auch an die Bauhofmitarbeiter fürs Aufstellen der gewichtigen Glocke.

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Jutta Weber sprach ebenfalls von deren Symbolkraft. Sie stehe für Opferbereitschaft, Zusammenhalt und Gemeinsinn nach dem Zweiten Weltkrieg und helfe nun mit, auf diese Zeit und Werte aufmerksam zu machen. Auch Zeitzeugen begleiteten die Neuaufstellung. So war Helene Heuser als Kommunionkind damals bei der Weihe der Glocken dabei und hatte davon auch ein Bild mitgebracht.

Günter Mössinger berichtete Historisches, was nun auch zweisprachig auf der Geopunkt-Tafel nachzulesen ist: Während des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1942 wurden die drei größten Bronzeglocken der St. Bartholomäuskirche – sie stammten aus dem Jahr 1876 – beschlagnahmt und für Kriegszwecke eingeschmolzen. Nur die kleinste Bronzeglocke verblieb im Ostturm.

Glockenweihe mit Bischof

Im März 1949 konnten aus Spendenmitteln vier neue eiserne Glocken gegossen werden. Sie wurden mit einer speziellen Legierung aus sogenanntem Klangguss in der Glockengießerei J. F. Weule in Bockenem bei Hildesheim angefertigt. Zunächst wurde nur die größte und mit 2950 Kilogramm schwerste Glocke, die Bartholomäusglocke, im Westturm angebracht.

„Das neue Geläut war neun Monate nach der Währungsreform für Biblis eine sehr beachtliche Leistung“, meinte Mössinger. Die Zeiten waren sehr schwer, viele Menschen im Krieg verletzt, gefallen oder wurden vermisst, erinnerte er. Der Wiederaufbau begann gerade, Essen, Wohnraum und Heizmaterial waren knapp. Trotz schlechtester Umstände, wie Bischof Dr. Albert Stohr bei der feierlichen Glockenweihe am 30. März 1949 betonte, sollten die neuen Glocken zu einer Vertiefung des Glaubens sowie der gegenseitigen Hilfsbereitschaft rufen. Und zu einer wahren Gemeinschaft zusammenführen, die getragen ist vom Geist der Liebe, fern vom Geist des Hasses und des Egoismus. Auch Pfarrer Josef Blumör und Bürgermeister Adam Reichert sahen damals in der Glocke die Verkünderin einer neuen besseren Zukunft.

Nach der Kirchenrenovierung 1982 zeigte sich, dass das Geläut zu schwer für die Kirchtürme war und Risse im Mauerwerk auftraten. Die gusseisernen Glocken wurden dann durch fünf neue aus Bronze ersetzt. Während die drei kleineren Eisenglocken eine neue Verwendung in der Heilig-Geist-Kirche in Darmstadt-Eschollbrücken fanden, blieb die größte immer in Biblis. /sm

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