Bergstraße. Fünf Jahre ist es jetzt her, seitdem das Coronavirus erstmals den Kreis Bergstraße erreichte. Am 9. März 2020 titelte der BA „Corona-Erkrankung in Lautertal“. Eine Frau wies seinerzeit leichte Symptome auf und begab sich in häusliche Quarantäne. Schon am 6. März 2020 hatte die Rückkehr der Teilnehmer einer jährlichen Skifreizeit der Rimbacher Martin-Luther-Schule in Südtirol für Aufregung gesorgt. Im Laufe der Woche hatten ein Siebtklässler und eine Begleitperson grippale Symptome gezeigt. Ob es sich nur um einen Influenzavirus handelte oder tatsächlich um eine Corona-Infektion, konnte zu diesem Zeitpunkt nicht festgestellt werden.
Deshalb entschied der Kreis Bergstraße, dass alle Teilnehmer der Skifreizeit nach ihrer Rückkehr vorsorglich unter häusliche Quarantäne gestellt werden, wobei sie unmittelbar nach der Ankunft in Rimbach durch das Gesundheitsamt untersucht werden sollten. „Durch die Quarantäne direkt nach der Rückkehr bestehen die besten Voraussetzungen dafür, dass es keine weiteren Kontakte der Verdachtsfälle mit weiteren Personen unserer Region gibt“, erklärte Landrat Christian Engelhardt damals. Persönlich betroffen war damals auch der Lindenfelser Bürgermeister Michael Helbig. Sein Sohn gehörte zu der Gruppe der Siebtklässler der Martin-Luther-Schule. Bereits vor der Rückkehr der Schülergruppe verließ der Bürgermeister seinen Arbeitsplatz im Rathaus. Letztlich habe für ihn nur die Wahl bestanden, für die Dauer der Schutzmaßnahme von Zuhause auszuziehen oder sich selbst ebenfalls in Quarantäne zu begeben, erklärte er. Er habe sich für Letzteres entschieden.
Rückkehr aus der Skifreizeit sorgte bundesweit für Wirbel
Auch wenn die Anordnung aus dem Landratsamt nur eine reine Vorsichtsmaßnahme darstellen sollte, sorgte die entsprechende Pressemitteilung im Vorfeld der Ankunft an diesem 6. März für enormen Wirbel bis weit über den Odenwald hinaus, weil es vergleichbare Fälle bis dato noch nicht gegeben hatte. Das überregionale Medieninteresse war derart groß, dass sich der Kreis und die Schulleitung genötigt sahen, den Eingang auf das Schulgelände mit einem Feuerwehrwagen zu versperren, der Zutritt aufs Schulgelände wurde verboten.
Als der erste von zwei Bussen gegen 17.30 Uhr auf den Schulparkplatz rollte, wurden die Schüler und die Begleitpersonen von einem großen Aufgebot an Mitarbeitern des Bergsträßer Landrats- und des Gesundheitsamtes in Empfang genommen. Die Eltern mussten derweil in der Mensa auf ihre Schützlinge warten, denn die Behördenmitarbeiter befragten jeden einzelnen Siebtklässler nach grippalen Symptomen. Bei entsprechenden Hinweisen wurde bei den Schülern ein Abstrich genommen. Neben dem Schüler und der Begleitperson, die bereits mittwochs über Beschwerden geklagt hatten, zeigten zwei weitere Personen auf der Rückreise Symptome. Auch sie wurden vorsorglich getestet. Wer keine Symptome aufwies, musste sich dagegen keinem Test unterziehen.
Der erste Lockdown in der Geschichte der Bundesrepublik
Bei manchen Eltern machte sich Unmut breit angesichts der Maßnahmen, vereinzelt flossen Tränen. Die Eltern waren jedoch morgens von Mitarbeitern des Gesundheitsamtes über die Situation und über die angeordnete Quarantäne informiert worden. Die 99 betroffenen Schüler sollten nach der Quarantäne erst einmal nicht mehr an das Gymnasium zurückkehren können, denn am 16. März 2020 beschloss die Bundesregierung angesichts der immer weiter steigenden Infektionsfälle den ersten Lockdown in der Geschichte der Bundesrepublik, der dann am 22. März in Kraft trat.
Noch am 31. Januar hatte es bei einem medizinischen Vortrag geheißen, es gebe keine Corona-Verdachtsfälle im Kreis Bergstraße. Die damals ebenfalls grassierende Grippe-Welle wurde als das weitaus größere Problem angesehen.
Atemschutzmasken in Apotheken ausverkauft
Einen ersten Eindruck von der Wucht, mit der das Coronavirus das Leben der Menschen in den Folgejahren verändern würde, vermittelte Mitte Februar 2020 bereits der Wahl-Einhäuser Fan Tao. Im Gespräch mit dem BA berichtete er von einem Besuch in seiner Geburtsstadt Peking und dabei von leeren Hauptstraßen und Mundschutzpflicht im Supermarkt. Damals in Deutschland noch unvorstellbar. Doch schon Ende Februar vermeldeten Bergsträßer Apotheker: „Medizinische Atemschutzmasken sind ausverkauft“. Auch eine stark erhöhte Nachfrage nach Desinfektionsmitteln machte sich bemerkbar.
Von riesigen Einschränkungen ging da aber noch niemand aus. „Für die größeren Veranstaltungen in der Region sind keine Absagen geplant“, titelte der BA noch am 3. März nach einer Umfrage in den Bergsträßer Rathäusern. Doch das sollte sich schnell ändern. Einen Tag später sagte die evangelische Kirchengemeinde Gadernheim ihren für den 6. März geplanten Gottesdienst zum Weltgebetstag ab. Und dann ging es Schlag auf Schlag: In Lautertal wurden der Ladys-Markt und der Ostermarkt abgesagt, ebenso die Veranstaltung „Lautertal spielt“. Mit der Verleihung des Eysoldt-Rings in Bensheim wurde dann auch die erste Großveranstaltung verschoben. Der BA berichtete am 10. März 2020 darüber.
Kein Abklatschen beim Heimspiel der Flames
Das damalige Heimspiel der Flames gegen die HSG Bad Wildungen fand zwar noch statt, es wurden jedoch einige Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. So waren an zentralen Stellen im Foyer der Weststadthalle Spender mit Desinfektionsmittel stationiert. Die Besucher wurden aufgefordert, beim Betreten und Verlassen der Halle, an diesen Stationen ihre Hände zu desinfizieren. Autogrammwünsche sowie Selfies mit den Spielerinnen sollte es an diesem Tag nicht geben, ebenso wie das obligatorische Abklatschen zwischen Fans und Spielerinnen nach dem Abpfiff.
Gleichzeitig lernten die ersten Schüler im Kreis Online-Heimunterricht kennen. Zunächst betroffen waren die bereits erwähnten Siebtklässler der Martin-Luther-Schule, die aus dem Skiurlaub zurückgekehrt waren. Auch deren Geschwisterkinder, die an der Heinrich-Böll-Schule lernten, fehlten im Unterricht.
Dass es noch viel schlimmer kommen kann, vermittelten Mitte März 2020 Tino Gallo und Paolo Cornero vom Verschwisterungsverein der Lautertaler Partnergemeinde Dogliani in Piemont. Italien war damals das Land in Europa, das am meisten vom Coronavirus betroffen war. „Auf Anordnung der Landesregierung sind die Schulen geschlossen, genau so die Theater, die Kinos, die Tanzlokale, die Versammlungsräume, einschließlich der Verschwisterung. Es gibt keine sportlichen Wettbewerbe mehr, keine Zusammenkünfte, sogar die Kirche ist für die Messen geschlossen. In Supermärkte kommt man nur in kleinen Gruppen“, bekamen die BA-Leser einen Eindruck, was auch sie schon sehr bald erwarten würde.
Am 16. März folgte das Aus für die Kultur
Die Kultur traf es kurz danach, wie der BA am 16. März berichten musste: „Nachdem schon die großen Theater und Konzerthäuser von Frankfurt und Darmstadt bis Heidelberg und Mannheim ihren Betrieb eingestellt hatten, zogen am Wochenende regionale Bühnen wie PiPaPo-Kellertheater und Musiktheater Rex in Bensheim, Theater Mobile in Zwingenberg, Forum Kultur in Heppenheim und Sapperlot-Theater in Lorsch nach. Hintergrund ist das Verbot von Veranstaltungen – ob kommerziell oder privat – mit mehr als 100 Personen, das die Hessische Landesregierung am Samstag erlassen hatte. Da auch die meisten öffentlichen Gebäude mittlerweile geschlossen sind, sind auch Ausstellungen von den allgemeinen Maßnahmen betroffen.“
Und auch der Sport blieb natürlich nicht verschont: „In den Fußball-Amateurklassen ruht der Spielbetrieb zunächst einmal bis Ostern“, hieß es ebenfalls am 16. März 2020. Bei den Vereinen wurde damals noch heftig diskutiert, wie die Saison gewertet werden kann.
Und einen Tag später kamen schon die ersten Einschränkungen zur Nutzung öffentlicher Anlagen. In Lorsch wurden am 17. März beispielsweise alle Sport- und Spielplätze für die Nutzung gesperrt, wie der BA berichtete: Kein Kind auf den Schaukeln oder Wippen und niemand, der im riesigen Sandkasten fröhlich mit Wasser matschte, war auf dem großzügigen Abenteuerspielplatz in der Mannheimer Straße zu sehen.“ jün/kel
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