Bergstraße. Den Begriff Container nimmt keiner mehr in den Mund. Das klingt zu negativ nach einem blechernen Großraumbehälter zur Zwischenlagerung von Schülern, die aus Raumnot in einen engen und luftarmen Kasten gesperrt werden. Doch angesichts steigender Schülerzahlen ist es geboten, neue und vollwertige Klassenzimmer zu konzipieren, die sich vor Ort als bauliche Erweiterung zügig realisieren und zukunftssicher gestalten lassen. Die sogenannte Modulbauweise ist eine Alternative.
An mehreren Schulen im Kreisgebiet sind bislang solche einfach anzudockenden Konzepte umgesetzt worden, einige sind in der Entstehung, wenige in Planung. Am Starkenburg-Gymnasium in Heppenheimer wurde zwei Tage nach Beginn des neuen Schuljahrs ein solcher Anbau in Betrieb genommen.
Raumnot deutlich entschärft
Er bietet der Schule neun zusätzliche Räume, ohne die das Haus aus den Nähten platzen würde, wie es Schulleiterin Katja Eicke ausdrückt. Der Komplex hat mit einem Baucontainer nichts zu tun, bietet gut ausgestattete Klassenräume mit Wasser, Strom und WLAN-Netz. Letzteres ist noch nicht verfügbar, soll aber bis Ende dieser Woche installiert sein, wie Johannes Kühn mitteilt.
Der technische Leiter des Eigenbetriebs „Schule und Gebäudewirtschaft“ informierte gemeinsam mit Landrat Christian Engelhardt über den Status quo der Bergsträßer Projekte, die vom Kreis als Schulträger derzeit realisiert werden oder bereits abgeschlossen sind.
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In Heppenheim ist man froh, dass die neuen Räume – ein Jahr später als vorgesehen – jetzt verfügbar sind. Als Hauptauslöser für den Verzug nannte der Kreis damals die angespannten Marktverhältnisse in der Baubranche. Nun werden die Module von den Religions- und Ethikkursen sowie von den Schülern aus dem Bereich Darstellendes Spiel genutzt. Damit entschärft sich die Raumnot bei derzeit knapp 1200 Schülern deutlich, so Katja Eicke.
Im Kreis Bergstraße verzeichnet man bereits seit geraumer Zeit einen kontinuierlichen Anstieg der Schüler- und Klassenzahlen an nahezu allen Schulen. Ferner steigen die räumlichen Anforderungen an den Einrichtungen durch die hinzukommenden Bedarfe an Integration, Inklusion, Ganztagsbetreuung und zeitgemäßer Pädagogik. Allein deshalb sei ein kurz- bis mittelfristiger Ausbau der bestehenden Infrastruktur zwingend erforderlich, sagte der Landrat.
Ein Vorteil sind die kurzen Bauzeiten
Am einfachsten zu lösen sei dieses Problem in Modulbauweise. Kurze Bauzeiten – zehn Wochen in Heppenheim – und eine flexible Nutzung seien die großen Vorteile dieses Systems, so Johannes Kühn. Am Starkenburg-Gymnasium ist das keine Übergangslösung, sondern ein Langzeitmodell. Wenn man die Komponenten nicht mehr benötigt, kann man das Gefüge flott zurückbauen und anderswo verwenden.
Die Aufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Bürstadt beispielsweise besteht aus gebrauchten Modulen, so Kühn. Ihr Zustand sei nahezu neuwertig. Die Lebensdauer der Module soll mindestens der eines herkömmlichen Schulbaus entsprechen. Anders als Container seien sie genauso hochwertig und langlebig wie konventionell errichtete Bildungshäuser.
Der Kreis betont, dass es sich bei diesem Baukastenprinzip um eine hochpreisige Lösung handelt, die pädagogischen Ansprüchen entspreche. Dafür gibt man im Zuge des laufenden Schulinvestitionsprogramms gern Geld aus: Bis zum Jahr 2026 werden rund 315 Millionen Euro verbaut. Hinzu kommt ein Sanierungsprogramm in Höhe von insgesamt 40 Millionen Euro. Das Geld fließt in die Ertüchtigung und Modernisierung sowie in den räumlichen wie energetischen Ausbau von Gebäuden und Flächen.
Bensheim, Zwingenberg, Lorsch
Schulen mit Modulerweiterungen sind unter anderen das AKG in Bensheim, die Lampertheimer Pestalozzischule, die Melibokusschule in Zwingenberg (als mindestens vierjährige Übergangslösung bis zum Neubau) sowie die Lorscher Wingertsbergschule, die acht neue Klassenräume erhält – allerdings nicht vor 2024, weil die Erweiterung nicht auf kreiseigenem Areal passiert und die baurechtlichen Details das Projekt verzögert haben, so der Landrat, der in den Modulsystemen eine attraktive Alternative für dauerhafte Schulvergrößerungen sieht.
Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen und Vorgaben unterscheiden sich nicht von massiven Neubauten. Sofern ein Modulgebilde mindestens drei Jahre genutzt werden soll, greifen die maximalen Auflagen bezüglich des Brandschutzes.
Energetische Qualität
Neben der baulichen (die Module stehen auf einem festen Fundament) ist auch die energetische Qualität laut Kühn durchaus mit konventionellen Gebäuden vergleichbar. Die Fenster sind aus Doppelglas, Fügungspunkte und Schnittstellen werden reduziert oder abgedichtet.
Eine zweite Fassadenhülle dichtet den Baukörper zusätzlich ab und macht ihn optisch ansehnlicher. Nach oben hin schützt ein Dach vor Kälte und Hitze. Es gibt normale Toiletten, massive Treppenhäuser und eine dem Standard entsprechende Gebäudetechnik, so der technische Leiter des Eigenbetriebs. Auch die akustischen Eigenschaften sind im akzeptablen Bereich.
Künftig mehr Holzkonstruktionen
Neben den Fertigteilen aus Stahl sollen künftig mehr Holzkonstruktionen zum Einsatz kommen. Etwa bei der räumlichen Ausdehnung der Grundschule in den Kappesgärten in der Bensheimer Weststadt. Auch hier ist das System ähnlich wie bei Fertighäusern: Die Bauteile werden industriell vorgefertigt angeliefert und vor Ort montiert. Der Baulärm hält sich in Grenzen, der gesamte Prozess dauert laut Kühn ungefähr halb so lange wie bei einem gewöhnlichen Schulgebäude.
Am Starkenburg-Gymnasium wird nach Abschluss der Fassadengestaltung noch der komplette Außenbereich samt einem Wegenetz angelegt. Der Modulbau wird als gelungene Verbindung von Funktionalität und Ästhetik bezeichnet. Eins stimmt auf jeden Fall: Container ist anders.
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