Bergstraße. Tonia Drayß ist die Geschäftsführerin des „Back- und Brauhaus“ in Lorsch und Bürstadt. Sie verzeichnet in dem Familienbetrieb inzwischen sogar mehr Gäste als vor der Pandemie: „Wir haben im Biergarten einige zusätzliche Plätzen geschaffen und die werden gut angenommen. Zumindest solange das Wetter gut ist.“
Der Sommer könnte für die Gastronomie deutlich besser laufen. Auch die Preise für Lebensmittel, Energie und die 19 Prozent Mehrwertsteuer sind große Themen in der Branche. Um wenigstens einen Teil der Kosten abzufedern, hat Drayß auf das Dach ihres Hauses in Bürstadt eine Photovoltaikanlage bauen lassen. Zudem hat sie die Marge – die Gewinnspanne – immer im Blick wie sie sagt. Die Gäste würden kommen und der Umsatz sei auch in Ordnung, aber durch die höheren Ausgaben werde eben die Marge immer geringer. Man möchte am Ende ein vernünftiges Preis-Leistungs-Verhältnis, so dass sich die Gäste Essen gehen noch leisten können.
„Man merkt aber auch, dass ein hochpreisiges Steak nicht mehr so oft wie früher bestellt wird“, so Drayß. „Wir müssen immer abwägen, was ein fairer Preis ist, es wird schon mehr auf den Bon am Ende geschaut. Auch wenn ich sagen muss, dass sich die Menschen das Kulturgut „Gutes Essen“ nicht nehmen lassen. Wir haben auch etliche Buchungen für Betriebs- und Familienfeiern. Da geben die Menschen auch noch Geld dafür aus.“ Die 12 Prozent Mehrwertsteuer-Erhöhung haben sie an die Gäste weitergegeben. Die Kunden hätten meist Verständnis für Preisanpassungen – mehr als vor der Pandemie und dem Ukraine-Krieg und dessen Konsequenzen: „Sie merken ja selbst, dass alles teurer wird. Da ist ihnen klar, dass auch gutes Essen mehr kostet.“
Zudem ist die Corona-Pandemie noch nicht abgeschlossen. Man sei nach wie vor dankbar für die Hilfen, aber auch heute zahle das Unternehmen noch an den Krediten ab. Was das Personal betrifft, sei man prinzipiell gut aufgestellt. Man suche immer nach Fachkräften – aktuell besonders einen Koch – aber eine Not wie in anderen Betrieben erlebe man nicht.
Tonia Drayß traf kürzlich auf den Landrat Christian Engelhardt anlässlich seiner Sommertour. Hier hatte sie die Gelegenheit, einige Punkte anzusprechen, die ihr die Arbeit erleichtern würden, zum Beispiel Bürokratieabbau. In ihrem Fall würde es helfen, wenn es flexiblere Arbeitsmodelle gebe. Manchmal haben Arbeitskräfte zwischen zwei Beschäftigungen Leerlauf und würden sich gerne den Sommer über was dazuverdienen.
„Das geht natürlich jetzt schon, aber es doch immer kompliziert und aufwendig. Da lässt man es dann doch am Ende.“ Auch ein einfacherer Zugang zum Arbeitsmarkt für Migranten wäre hilfreich.
Eine der Forderungen ist Bürokratieabbau
„Am Ende muss man sagen, dass wir vor Herausforderungen stehen, aber eine Krise sehe ich bei uns nicht. Generell denke ich, dass es Neugründungen und Expansionen sicher schwer haben“, so Drayß. „Wir hoffen jetzt auf einen sonnigen Restsommer und einen goldenen Herbst.“
Zum Thema Bürokratieabbau stimmt der Landrat der Gastronomin zu und teilte im Nachgang mit: „Zur Unterstützung der Gastronomie, aber auch vieler anderer Branchen, brauchen wir auf der Ebene des Bundes und der EU dringend konzentrierte Maßnahmen zum Abbau der Bürokratie, aber auch weiterhin große Anstrengungen, um dem Mangel an Arbeitskräften zu begegnen. Auch hier müssen Anreize verändert werden.“
Bei dem Austausch in Bürstadt war auch die Geschäftsführerin Südhessen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Christine Friedrich dabei. Sie traf sich im Anschluss im „Kmeier’s“ in Bensheim mit dem Inhaber und Kreis-Vorsitzenden des Dehoga für die Bergstraße Ulli Kagermeier. Es sind einige Punkte, die die beiden Gastronomen gerne verändern möchten und stellen auch entsprechende Forderungen an die lokale, aber auch an die nationale Politik.
Ein Beispiel ist der Aushang zum Jugendschutz. Der müsse, wie Friedrich erzählt, nun in allen Gaststätten geändert werden. Der einzige Unterschied zu dem alten Aushang ist ein Datum das ergänzt werden müsse. Sollten die Betreiber den Anhang nicht korrekt mit Datum versehen, werde ein Bußgeld fällig – und Friedrich weiß, dass erste Betriebe schon kontrolliert wurden.
Es geht den beiden Dehoga-Vertretern neben dem Bürokratieabbau auch um Planungs- und um Rechtssicherheit für die Betriebe. Banken wollten bei Krediten möglichst klare Umsatzprognosen – bei ständig wechselnden Voraussetzungen und Rahmenbedingungen sei das aber nahezu unmöglich.
Kündigt Umfrage Insolvenz-Welle in der Gastro an?
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 7 auf 19 Prozent würde das Gastgewerbe wirtschaftlich zunehmend unter Druck setzen. Das ergab zumindest eine bundesweite Umfrage, an der sich auch 240 hessische Betriebe beteiligten. Zwei Drittel der Gastrounternehmen in Deutschland meldeten Ertragsrückgänge, fast ebenso viele zählten weniger Gäste. Aufgrund der höheren Mehrwertsteuer sahen sich 87 Prozent der befragten Betriebe gezwungen, ihre Preise anzuheben. Zudem versuchen die Gastronomen ihre Kosten in den Griff zu kriegen. Fast 78 Prozent fahren geplante Investitionen zurück, 62 Prozent passen ihr Angebot an und über 40 Prozent haben ihre Öffnungszeiten reduziert.
5,7 Prozent der befragten Unternehmen sehen sich infolge der Mehrwertsteuer-Erhöhung gezwungen, ihren Betrieb aufzugeben, 23,5 Prozent ziehen eine Betriebsaufgabe in Erwägung. Diese Angaben der Unternehmen passen zur Einschätzung von Friedrich: „Wir erwarten im Herbst eine Welle der Insolvenzen.“
Grundsätzlich habe sich laut Kagermeier auch das Verbraucherverhalten verändert: „Die Gäste kommen weiterhin zum Essen, aber daran verdiene ich kaum was. An den Getränken sparen dann wiederum viele Gäste. Um wirtschaftlich zu arbeiten, braucht man inzwischen einen Pro-Kopf-Umsatz von 35 Euro pro Gast.“ Kagermeier gibt an, mindestens 15 Prozent mehr Kosten als 2019 zu haben, darunter auch höhere Abgaben an die Stadt für die Außenbestuhlung. Preiserhöhungen habe er bislang nicht angesetzt, um nicht noch mehr Gäste zu verlieren und er müsse sich, wie er sagt, auch an der Umgebung orientieren.
Die Belebung der Bensheimer Innenstadt ist für Kagermeier ein großes Thema. Im Moment herrsche eine Duldung der Außengastronomie bis 23 Uhr, während in anderen Städten deutlich länger gefeiert kann: „Wenn wir Gastronomen vor Ort sind und offen haben, haben wir auch immer ein Auge auf die Stadt. Eine belebte Innenstadt ist nachts sicherer“, so Kagermeier. Ein weiteres Thema sei das Parken. Inzwischen zieht es mehr Menschen zum Essen gehen an die Stadtränder, wo kostenlose Parkplätze direkt vor der Tür seien. Das mache sich in der Innenstadt bemerkbar: „Ich würde mir wünschen, gemeinsam mit der Stadt und der Verwaltung das Innenstadt-Sterben zu verhindern.“
Es gibt aber auch eine positive Entwicklung nach der Corona-Pandemie: „Wir registrieren mehr Reservierungen. Das bedeutet mehr Planbarkeit was vor allem das Personal angeht. Das würden wir uns wünschen, dass das so bleibt“, so Kagermeier.
Im „Bunten Löwen“ gab es seit 2021 keine Betriebsferien mehr
Auch im „Bunten Löwen“ in Zwingenberg macht sich die Inhaberin Hanieh Pirouz ihre Gedanken. Man habe mittlerweile fast wieder das Umsatzniveau von 2019 erreicht. Allerdings wird auch hier mit steigenden Kosten für zum Beispiel Reparaturen, Versicherungsbeiträge, Werbung, Steuerberaterkosten und vor allem Personalkosten und Energiekosten wie Strom und Gas gekämpft.
Sie habe sich Anfang des Jahres entschlossen, die Preise anzupassen, man könne die Preiserhöhung jedoch nicht eins zu eins an die Kunden weitergeben, weil sonst die Umsätze niedriger ausfallen. Als Lösung habe sie seit 2021 auf Betriebsferien verzichtet und durchgearbeitet – wobei das, wie sie sagt, natürlich nur für sie und nicht für ihr Personal gelte.
Pirouz denkt gerade vor allem an die Zukunft: „Was mich aktuell beschäftigt, ist die Frage, was mit unserem Gastronomie-Nachwuchs passiert. Können die jungen Leute ihre Wünsche und Träume im Gastro-Bereich verwirklichen, oder suchen sie sich früher oder später einen anderen Job, weil es in der Gastronomie immer schwieriger wird?“ Und weiter sagt sie: „Was ich momentan mache, ist, den Kopf hochzuhalten, nach vorne zu schauen und das Beste zu tun. Über eine Schließung habe ich mir noch keine konkreten Gedanken gemacht, aber wenn uns keine andere Wahl bleibt, wissen wir, dass wir zumindest unser Bestes gegeben haben.“
Sie betont aber, dass ihr der Job auch große Freude bereite. Sie erwarte von den Politikern aber, dass sie jetzt handeln und fände die dauerhafte Senkung der Umsatzsteuer auf 7 Prozent in der aktuellen Situation angemessen.
Kein „Fine-Dining“ mehr – neues Konzept rettet „Rossini“
Im „Rossini“ in Bensheim hat man vor rund zwei Jahren das Konzept grundlegend verändert. „Fine-Dining“, eine Art von Gourmet-Küche, hat nach Corona nicht mehr funktioniert. Die Verluste waren zu hoch. Ein nicht besetzter Tisch hat der Kasse richtig weh getan. Und so habe man auf ein Konzept umgestellt, das sich mehr Menschen leisten können.
Damit schaffe man es, dass das Reservierungsbuch regelmäßig voll sei, aber auch spontan viele Gäste vorbeischauen wie Chef Di Sciascio berichtet: „Vielen kommen jetzt einfach mal auf eine Pizza vorbei und mit der Karte ist das jetzt möglich. Wir setzen auf ein vernünftiges Preis-Leistungs-Verhältnis.“
Wie Kellner Jurgen Tarushi erzählt, habe man auch seit über einem Jahr die Preise auf der Speisekarte nicht mehr angepasst. Den Umsatz mache man, wie es heißt, zum einen mit dem Essen, zum Beispiel den Tagesempfehlungen, aber vor allem auch mit den Weinen. Personell seien sie gut aufgestellt. Tarushi sieht den Grund darin, dass man ein kleines Team sei, in dem eine fast familiäre Atmosphäre herrsche. Positiv hat sich hier die Fußball EM bemerkbar gemacht.
Wenn Deutschland oder Italien spielte, konnte man das im Lokal verfolgen und das sei auch gut angenommen worden. Wie Inhaber Di Sciascio, der mit seinem Bruder insgesamt vier Restaurants in Südhessen betreibt, betont, versuche man immer, das Beste aus einer Situation zu machen. „Man muss den Mut haben, etwas zu verändern. Man muss mit der Zeit gehen und sich auf die Wünsche und die Bedürfnisse der Gäste einstellen.“
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