Bergstraße. Nur kurz war der Schreckmoment an der Börse diese Woche, als eine Rakete in Polen einschlug und der Ukraine-Krieg zu eskalieren drohte. Aber ein Szenario, in dem die Nato in den Krieg eingreift, ist an den Kapitalmärkten nach wie vor ernsthaft kein Thema.
Auch der zweite Aufreger der Woche, die Meldung, dass Donald Trump wieder bei der US-Präsidentschaftswahl antritt, könnte aus Börsensicht eine gute Nachricht sein, wie die Finanzexperten von CMC Markets in einer Mitteilung schreiben. China müsse sich gut mit den Demokraten stellen, um Trump zu verhindern. Der hatte China in seiner Amtszeit bekanntlich mit allerlei Strafzöllen überzogen, die Chinesen konterten mit gleichen Mitteln.
Nach dem jüngsten Treffen zwischen dem US-Präsidenten Biden und Chinas Präsidenten Xi könnte es zu einer Annäherung kommen. Das könnte dem Welthandel, den Unternehmen und damit den Börsen nutzen. Und bei den volkswirtschaftlichen Kennzahlen ist ein Abflauen der Inflation wahrscheinlicher geworden.
Unterschiedliche Nachholeffekte
Alles in allem gute Nachrichten, die dafür sorgten, dass es auf den Kurstafeln aufwärts ging und Aktien sich auf recht hohem Niveau halten können. Das spiegelt sich auch im Aktienranking des Bergsträßer Anzeigers wider. Alle Depots legten im zweistelligen Prozentbereich zu. Am stärksten war der Zuwachs in den Depots Rhein-Main und Rhein-Neckar. Etwas schwächer war die Entwicklung im Depot Bergstraße/Südhessen. Das dürfte damit zusammenhängen, dass sich das Bergstraßen-Depot in den Monaten zuvor besser gehalten hat als die anderen. So dass die Nachholeffekte bei Letzteren einfach größer ausfielen.
Drei Regionen – drei Depots: Das Aktienranking des Bergsträßer Anzeigers
Der Bergsträßer Anzeiger hat verschiedene regionale Aktiendepots zusammengestellt und berichtet in regelmäßigen Abständen über die Entwicklung dieser (fiktiven) Geldanlagen.
Im Depot Bergstraße/Südhessen sind die Anteilsscheine des Dentaltechnikweltmarktführers Dentsply Sirona enthalten, ebenso die Papiere von TE Connectivity. Beide Konzerne sind an US-Börsen notiert. Für den besseren Vergleich werden Euro-Wechselkurse verwendet. Mit von der Partie sind die Anteilsscheine des Flurfördertechnikunternehmens Jungheinrich und des Zwingenberger Biotechunternehmens Brain. Nicht fehlen darf natürlich der Dax-Konzern Merck aus Darmstadt.
Im Depot Rhein-Neckar liegen Aktien des Softwarekonzerns SAP, des Mannheimer Energieversorgers MVV, von Südzucker, dem Schmierstoffkonzern Fuchs Petrolub sowie der BASF.
Das Depot Rhein-Main enthält Papiere der Deutschen Bank und der Commerzbank, sowie von Lufthansa und Fraport. Hinzu kommt der Bad Homburger Fresenius-Konzern. mir
An einem Wendepunkt im Bergstraßen-Depot könnte die Aktie von Dentsply Sirona angekommen sein. Dieser Tage hat sie ihr Zehnjahrestief von Anfang November verlassen. Und es könnte für den Konzern mit dem großen Standort in Bensheim weiter aufwärts gehen. Der neue Konzernchef Simon Campion hat im jüngsten Quartalsbericht jedenfalls angekündigt, dass er den Aktionären in Zukunft bessere Ergebnisse liefern will (BA vom 16. November). Eine große Gefahr droht allerdings von der Währungsseite. Der schwache Euro machte sich in den jüngsten Quartalszahlen deutlich negativ bemerkbar.
Schwacher Euro frisst Gewinne auf
Das gilt auch für TE Connectivity, nach Sirona der zweitgrößte industrielle Arbeitgeber an der Bergstraße. Im nächsten Quartal wird der Konzern ausschließlich währungsbedingt rückläufige Umsätze und Gewinne ausweisen. Beim Gabelstaplerkonzern Jungheinrich, ebenfalls mit einem Standort in Bensheim, sind die Aussichten weiterhin günstig. Aktienanalyst Stefan Augustin von Warburg Research ist optimistisch für das Jahr 2023 und darüber hinaus. Dazu passt ein unerwartet starkes Quartal, das Jorge Sadornil vom Bankhaus Aufhäuser hervorhebt.
Der Darmstädter Merck-Konzern hat nach Ansicht von Emily Field von der Investmentbank Barclays einen guten Lauf, der auch Schwächen in der Sparte Electronics ausgleicht. Die jüngsten Kennzahlen seien besser als erwartet gewesen, so Analyst Falko Friedrichs von der Deutschen Bank. Zudem hätten die Darmstädter den Jahresausblick in einem schwierigen Konjunkturumfeld bestätigt.
Solch gute Nachrichten gibt es vom Zwingenberger Biotechunternehmen Brain nicht. Immerhin hat sich das Papier von seinem Allzeittief von Anfang Oktober von rund 4 Euro wieder erholt und der Kurs ging zuletzt Richtung 6 Euro.
Im Depot Rhein-Neckar hält sich die Aktie der BASF an der 50-Euro-Marke. Und das obwohl teures Gas als Rohstoff zur Produktion und zur Energiegewinnung vor allem am Stammsitz in Ludwigshafen ins Kontor haut. Doch der Konzern reagiert. Energieintensive Produktion wird in Ludwigshafen heruntergefahren oder gleich nach USA und China verlagert. Ob sie zurückkommt, ist fraglich. Denn derzeit sind Produktion im Ausland plus Rücktransport nach Deutschland günstiger als die Produktion in Ludwigshafen, wie im Umfeld des Konzerns zu hören ist.
Beim Walldorfer Softwarekonzern SAP ist die wichtige Hürde von 100 Euro je Aktie übersprungen. Das Cloud-Wachstum (Softwaremiete via Internet) und die Wechseldynamik der Kunden hin zu den Cloudangeboten des Softwarekonzerns beeindruckten, meint Analyst Mohammed Moawalla von der US-Investmentbank Goldman Sachs.
Auch die Aktie des Schmierstoffkonzerns Fuchs Petrolub machte einen Satz nach oben, wenngleich Axel Herlinghaus von der DZ Bank darauf hinweist, dass die kommenden Quartale erst einmal recht schwankungsreich sein dürften, bevor im Laufe der zweiten Jahreshälfte 2023 wieder allmählich eine Normalisierung eintreten sollte.
Schneller und früher hat die Erholung der Geschäfte bei Südzucker eingesetzt, so John Ennis von der US-Investmentbank Goldman Sachs. Andere Analysten weisen darauf hin, dass das Management die Ziele für das Geschäftsjahr ebenso überraschend wie deutlich nach oben geschraubt habe, wofür fast ausschließlich das traditionelle Zuckersegment verantwortlich sei.
Lufthansa besser als erwartet
Im Depot Rhein-Main kommen die höheren Zinsen der Deutschen Bank und der Commerzbank zugute. Gleichwohl ist das jüngste Quartal bei der Deutschen Bank nach Ansicht von Amit Goel von der britischen Investmentbank Barclays durchwachsen ausgefallen. Der Zinsüberschuss könnte aber den Erträgen im kommenden Jahr Rückenwind geben. Zur Commerzbank sagt Analyst Goel, dass die Anleger enttäuscht gewesen seien, dass die aktualisierten Strategieziele unter den Konsensprognosen gelegen haben und dass die Gewinnausschüttungsquote nicht angehoben worden sei. Die Ziele dürften sich aber eher als realistisch denn zu niedrig erweisen, befürchtet der Experte.
Bei der Lufthansa bleibt die strategische Botschaft nach Ansicht von Patrick Creuset von der US-Investmentbank Goldman Sachs konzentriert auf eine starke Bilanz, Kapazitätsdisziplin und die „Premiumisierung“. Jarrod Castle von der Schweizer UBS meint, dass die Fluggesellschaft dank einer guten Preisgestaltung zuletzt besser als erwartet abgeschnitten habe. Auch der Flughafenbetreiber Fraport hat seine Erholung fortgesetzt, meint Dirk Schlamp von der DZ Bank. Fraport habe von einer hohen Nachfrage nach Flugreisen profitiert.
Abwarten bei Fresenius
Aktienanalyst Sven Kürten von der DZ Bank meint, dass beim Fresenius-Konzern die Sparte Kabi (Flüssignahrung, Infusionen, Arzneimittel) als einziges Segment positiv überrascht habe. Allerdings hätten die schwachen Aussichten bei der Dialysetochter FMC und Vamed (Krankenhaus Projekt- und Dienstleistungsgeschäft) zu einer weiteren moderaten Gewinnwarnung geführt. Zudem blieben die Unsicherheiten hoch, bis die Ergebnisse der Konzernüberprüfung durch das neue Management 2023 vorliegen sollten. Zum 1. Oktober wurde Kabi-Bereichsvorstand Michael Sen neuer Konzernchef.
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