Heidelberg. Für Marcus A. Wassenberg beginnt das Abschiednehmen. „Mir ist das Unternehmen sehr ans Herz gewachsen“, sagt der scheidende Finanzchef von Heidelberger Druck. Wassenberg hat den Umbau des Konzerns und die Entwicklung neuer Geschäftsfelder eng begleitet. Sein Fazit: „Heidelberger Druckmaschinen ist eine ganz andere Firma geworden.“ Zum Jahreswechsel übergibt er an Tania von der Goltz, zuletzt Managerin bei Fresenius Medical Care. Wassenberg wechselt zum Gabelstapler-Hersteller Kion.
Im zweiten Quartal 2022/23 hat Heidelberger Druckmaschinen an das gute erste Quartal angeknüpft – und mit höheren Preisen den gestiegenen Rohstoffkosten entgegenwirken können. Der Erlös wuchs von Juli bis September im Jahresvergleich um neun Prozent auf 590 Millionen Euro. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) betrug 68 Millionen Euro. Bereinigt um einen Einmalertrag hatte der S-Dax-Konzern im Vorjahresquartal 38 (unbereinigt: 60 Millionen) Euro verdient.
Starkes Wachstum verbuchte vor allem der Verpackungsdruck. Das Segment „Technology Solutions“ hingegen, zu dem das Geschäft mit Wallboxen (Ladestationen für E-Autos) gehört, konnte sowohl im Auftragseingang als auch beim Umsatz nicht an das außergewöhnliche Vorjahreswachstum anschließen. Neben dem Auslaufen der Förderungen für private Ladestationen in Deutschland machten sich den Angaben nach insbesondere längere Lieferzeiten bei elektrisch betriebenen Neufahrzeugen bemerkbar, die das Wachstum kurzfristig abgeschwächt haben und auch vorerst weiter leicht abschwächen werden. Wassenberg hebt allerdings hervor: „Langfristig ist dieser Markt sehr attraktiv.“ Man werde deshalb an dem Geschäft festhalten.
Warnstreik vor dem Werk
Der Druckmaschinenhersteller habe ein ausgezeichnetes Quartal hinter sich und damit die Erwartungen übertroffen, schreibt Analyst Peter Rothenaicher von der Baader Bank . Dies sorge für Zuversicht, dass der Konzern die gesteckten Ziele für das Geschäftsjahr erreichen oder sogar übertreffen könne. Auch die Börsianer waren begeistert: Der Aktienkurs gewann am Mittwoch fast 20 Prozent und betrug 1,815 Euro.
„Trotz eines anspruchsvollen Umfelds haben wir die Herausforderungen im ersten Halbjahr erfolgreich gemeistert und konnten weiter wachsen“, sagt Vorstandsvorsitzender Ludwin Monz. Für das zweite Halbjahr erwartet Heidelberger Druck allerdings weitere Kostensteigerungen, insbesondere bei Material, bei Energie – und beim Personal. Das hat mit den Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie zu tun. Die IG Metall verlangt acht Prozent mehr Geld. Laut Wassenberg müsste Heidelberger Druckmaschinen für diesen Fall pro Jahr 30 Millionen Euro mehr aufbringen.
Zeitgleich zur Telefonkonferenz zum zweiten Quartal kamen am Mittwochmorgen nach Angaben der IG Metall 2300 Menschen aus verschiedenen Betrieben – unter anderem Heidelberger Druckmaschinen, SKF Lubrication Systems und Leica Biosystems – zu einer Kundgebung in Wiesloch auf dem Parkplatz von Heidelberger Druckmaschinen zusammen. Nach der ergebnislosen vierten Runde wird am 17. November weiterverhandelt. Sollte es hier kein „ordentliches Ergebnis“ geben, werde zu Arbeitskampfmaßnahmen aufgerufen, die deutlich über Warnstreiks hinausgingen, sagte Mirko Geiger, Chef der Heidelberger IG Metall. „Jetzt ist Schluss mit lustig!“
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