Pandemie - Fast ein Dutzend niedergelassene Mediziner im Kreis Bergstraße öffneten am Samstag die Türen ihrer Praxis für einen besonderen Beitrag im Kampf gegen Corona

Bergsträßer Ärzte spritzen bei einer gemeinsamen Aktion 1500 Impfdosen

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Thomas Tritsch
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Daumen hoch: Niedergelassene Ärzte aus der Region zogen eine positive Bilanz der Aktion „Booster for xMas“ in zahlreichen Bergsträßer Praxen. © Thomas Zelinger

Bergstraße. Spätestens seit Beginn der vierten Corona-Welle ist das Thema in aller Munde: die Booster-Impfung. Sie soll den Schutz erhöhen und die andauernde pandemische Welle brechen. Ziel des Gesundheitsministeriums sind 20 bis 25 Millionen Auffrischungsimpfungen bis zum Jahresende. Gerade in der aktuellen Phase wird das als entscheidender Faktor gegen die Ausbreitung der Virenlast gesehen.

An der Bergstraße arbeitet man an dieser Marke fleißig mit. Allein am Samstag haben fast ein Dutzend niedergelassene Ärzte mit ihren Teams rund 1500 Impfdosen verspritzt. Bei der Aktion „Booster for xMas“ kamen die Präparate Comirnaty (Biontech) und Spikevax (Moderna) zum Einsatz, die beide als hoch wirksam gelten. „Wir wollten so vielen Menschen wie möglich eine Impfung vor Weihnachten ermöglichen“, so Andreas Kaufmann, der in Bensheim eine Facharztpraxis für Allgemein- und Viszeralchirurgie leitet. Er hat die Aktion initiiert, die von 9 bis circa 16 Uhr zahlreiche Menschen mobilisiert hat.

Außerhalb üblicher Praxiszeiten

Gemeinsam mit Kollegen im gesamten Kreisgebiet zog Kaufmann im Anschluss ein überaus positives Fazit. Den Beteiligten sei es zuvorderst darum gegangen, den Menschen außerhalb der normalen Praxiszeiten eine Chance zu bieten, ihren Impfschutz aufzufrischen – und das ohne langes Schlangestehen, wie der Lampertheimer Allgemein- und Sportmediziner Walter Seelinger betont. Für ihn kommt die konzertierte Aktion an verschiedenen Standorten sogar einer Art von Teambuilding gleich.

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Sein großer Dank gilt aber jenen Mitarbeitern, die täglich zusätzlich zum Praxisbetrieb Impftermine koordinieren, um das Interesse bewältigen zu können. Das funktioniere in der Regel sehr gut, so Seelinger, der von einem sehr empathischen Verhältnis zu den Patienten berichtet. Die meisten seien dankbar, sich beim Hausarzt impfen lassen zu können. Bis auf wenige Impfdosen waren die Kapazitäten am Samstag rasch ausgebucht.

Man verstehe sich nicht als Konkurrenz zu den aktuell drei Impfzentren im Landkreis (Heppenheim, Viernheim und Rimbach), sondern vielmehr als wichtige Ergänzung vor Ort, weil man in der Praxis grundsätzlich nah am Menschen sei, ergänzt Sigrid Gubesch-Fertig aus Bensheim. „Die niedergelassenen Ärzte sind der Situation sehr wohl gewachsen, wenn ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht“, sagt sie und widerspricht der Behauptung, die Hausarztpraxen seien in der gegenwärtigen Lage überfordert.

Kritik an Schließungen

Allein mit den großen Zentren und der nicht selten langwierigen Terminvergabe könne man die Anzahl der notwendigen Impfungen zeitnah kaum bewältigen. Das sieht auch der Internist Joachim Rogalli aus Bensheim so. Er bittet Patienten gleichermaßen um Verständnis, dass die Impftermine in der Praxis aus organisatorischen und Kapazitätsgründen begrenzt sind und man den Menschen nicht immer einen Termin fünf oder sechs Monate nach der Zweitimpfung zusichern könne. „Freitags haben wir in den letzten Wochen ganztägig nach Terminvereinbarung geimpft. Eine reguläre Sprechstunde hat nicht stattgefunden“, so Rogalli, der nach eigenen Angaben bislang rund 6300 Impfungen durchgeführt hat.

Die Schließung der ersten Impfzentren im Herbst durch einen Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz wird von den meisten am Samstag beteiligten Ärzten übrigens als schlechte Entscheidung kritisiert. Man hätte die zentralen und organisatorisch gut strukturierten Anlaufstellen länger betreiben sollen. Die flächendeckenden Schließungen hätten zudem ein falsches Signal in die Bevölkerung transportiert, dass die Hochphase der Pandemie vorbei sei. Dies sei aber keineswegs der Fall. Mit Blick auf die neue Coronavirus-Variante Omikron gehe man von einer massiven fünften Welle aus. Die Fachärztin für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie Sybille Welker spricht angesichts der momentan leicht sinkenden Inzidenzzahlen von einer „Ruhe vor dem Sturm“. Die Omikron-Variante könnte den Trend schon bald umkehren.

„Es kommt auf jede Dosis an“

Der in Bensheim niedergelassene Diabetologe Sebastian Hoppe wünscht sich eine bessere Kommunikation zwischen Politik und Medizin. Oftmals seien Informationen von Bund, Land und auch vom Kreis nicht mit den Ärzten vor Ort abgestimmt, was zu Missverständnissen und offenen Fragen seitens der Patienten führe. Dass mit dem neuen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ein Mediziner im Amt ist, schürt nun die Hoffnungen auf eine Verbesserung des gegenseitigen Dialogs.

„Wir werden weitermachen“, sagt Andreas Kaufmann nach der erfolgreichen Booster-Aktion, bei der im Übrigen auch Erst- und Zweitimpfungen durchgeführt wurden. Es komme jetzt auf jede verabreichte Dosis an. Mögliche kurzfristige Impfreaktionen stünden in keinem Verhältnis zu den potenziellen Risiken einer Covid-19-Erkrankung, so Angelika Schramm vom Palliativnetz Bergstraße. Dies könne man nicht oft genug betonen, so Schramm, die mit ihrem Kollegen Helmut Metzger die Gemeinschaftsaktion begleitet hat.

Weitere beteiligte Ärzte waren unter anderen Karsten Gnann (Lautertal), Carsten Prettin (Fürth), die Kinder- und Jugendarztpraxis Thomas Breil und Arndt Wichelmann sowie Jan Knapp aus Bensheim.

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