Gastronomie

Wirte verbannen AfD aus ihrer Kneipe

Im Reutlinger Café Vis-à-Vis sind Mitglieder der Partei und Sympathisanten unerwünscht. Der Gaststättenverband sieht dies durch das Hausrecht gedeckt

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In der Café-Kneipe Vis-à–Vis gibt es für AfD-Mitglieder kein Bier mehr. © imago images/Seelinger

Stuttgart. In der Reutlinger Café-Kneipe Vis-á-Vis sollen AfD-Mitglieder oder Sympathisanten der Partei keinen Kaffee und kein Bier mehr bekommen. „Rote Karte für die AfD“ steht auf einem roten Plakat, das von innen an die Fensterscheibe geklebt wurde. Stefanie und Stefan Löwl, das Ehepaar, das die Bar betreibt, hat vor einigen Tagen eine Art Hausverbot für Anhänger der rechtspopulistischen Partei verhängt.

Nachdem unter anderem die „Heilbronner Stimme“ und der „Südkurier“ über das Vorgehen des Cafés berichteten, schlug ihnen viel Kritik entgegen. Der Vorwurf: Das sei Ausgrenzung. Das wollen die beiden so nicht stehenlassen: „Ich frage mich manchmal, ob es nicht sogar unsere Pflicht ist“, sagt Stefan Löwl. Wenn jemand den demokratischen Boden verlasse, dann sei eine solche Konsequenz in Ordnung, meint er. Dafür nehme er auch gerne in Kauf, Gäste zu verlieren.

Anfeindungen gegen Barbetreiber Löwl

Dass er sich mit der Aktion nicht nur Freunde macht, wurde schnell klar. Auf Google habe er plötzlich besonders schlechte Bewertungen bekommen. Die seien von Menschen gekommen, die noch nie in seinem Lokal gewesen seien. Und auch in den sozialen Netzwerken geht es seither rau zu - das Vis-á-Vis sieht sich auf Facebook und in Reutlingen teils heftigen Reaktionen ausgesetzt. „Es würde mich nicht wundern, wenn uns die Scheibe eingeworfen wird“, sagt Löwl. Vor Kurzem musste er außerdem die ersten Aufkleber vom Fenster ziehen. „Fuck Antifa“ soll darauf gestanden haben.

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Einschüchtern lassen wollen sich die Löwls davon nicht. „Wir waren auf vielen Demos gegen Rechtsextremismus und wollten ein weiteres Statement setzen. Außerdem wollen wir solche Leute nicht um uns herum haben.“ Viele seiner Gäste hätten positiv auf das Vorgehen reagiert, erzählt der 58-jährige Wirt. In Reutlingen seien sie bislang die Einzigen, die eine so klare Kante gegen die AfD zeigten, so Löwl.

Nur wenige Kilometer entfernt in Tübingen machte jüngst die Rösterei Suedhang mit einer ähnlichen Aktion auf sich aufmerksam. Dort mussten sich die Kunden bei ihrer Onlinebestellung zur Demokratie bekennen und einen vorformulierten Text mit einem Häkchen bestätigen. Auf der Internetseite hieß es: „Hiermit erkläre ich, dass ich mich von rechtem Gedankengut distanziere. Insbesondere hege ich keinerlei Sympathien für die AfD und ihr nahe stehende Gruppierungen.“

Hassmails - Polizei ermittelt

Dieser Vorgang soll für heftige Reaktionen gesorgt haben, wie mehrere Medien berichten. Die Rösterei mit angeschlossenem Café nahm auf Instagram schließlich Stellung und das Statement wieder aus dem System – auch zum Schutze der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich gefährdet sahen. Sie hätten Hassmails bekommen, in einer Mail habe man ihnen gar „den Tod“ gewünscht. Wie der SWR berichtete, ermittelt die Polizei. Ein Tatverdächtiger konnte ausgemacht werden, weitere Ermittlungen dauern an, erklärt ein Pressesprecher.

Doch ist es erlaubt, Menschen aufgrund ihrer politischen Gesinnung nicht in eine Bar oder in ein Café zu lassen? Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) meint dazu auf Anfrage: „Die Erklärung, dass Sympathisanten einer bestimmten Partei unerwünscht sind, ist durch die Meinungsfreiheit gedeckt.“, Wenn aufgrund von rechtsextremer Gesinnung mit Problemen oder Konflikten mit anderen Gästen zu rechnen sei, sei ein Ausschluss mit dem Hausrecht gedeckt, erklärt der Pressesprecher des Verbandes und verweist darauf, dass rund 40 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im baden-württembergischen Gastgewerbe eine ausländische Staatsangehörigkeit hätten. Der Verband macht klar: „Der Dehoga selbst hat sich klar für Gastfreundschaft, Toleranz und Vielfalt positioniert.“

AfD will mit Gastronomen ins Gespräch kommen

In der Landeszentrale der AfD sieht man die Aktionen in Reutlingen und Tübingen kritisch. „Meine Partei repräsentiert eine große Wählerschaft“, erklärt Markus Frohnmaier, Co-Vorsitzender der AfD in Baden-Württemberg. Das Vorgehen in Tübingen und Reutlingen hält er für undemokratisch und sagt: „Ich möchte gerne mit den Gastronomen ins Gespräch kommen.“ Frohnmaier wird von Beobachtern der Partei dem ultrarechten Flügel zugeordnet und soll als ehemaliger Vorsitzender der Jungen Alternative Verbindungen zu rechtsextremen Identitären gehabt haben. Vor Ort äußerte sich die Partei weniger offen. Gegenüber dem „Südkurier“ erklärte Hansjörg Schrade, einer der beiden Reutlinger AfD-Stadträte, dass seine „Gesprächsbereitschaft erloschen“ sei. „Ich brauche das Café nicht, werde aber auch nicht zum Gegenboykott aufrufen.“

Bislang sind die Aktionen wohl Einzelfälle. Der Gaststättenverband kann über weitere Cafés, die ein solches Verbot verhängt haben, keine Angaben machen. lsw

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