Landesparteitag

Tumulte in Rottweil - Weidel-Lager behauptet sich in Südwest-AfD

Buhrufe, Blockaden, Protest: In Rottweil liefert sich die baden-württembergische AfD eine beispiellos chaotische Veranstaltung. Dahinter steckt ein alter Machtkampf. Am Ende behauptet sich die aktuelle Führung

Von 
Nico Pointner
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Alice Weidel, Bundessprecherin der AfD, spricht während des AfD-Landesparteitags in der Stadthalle zu Parteimitgliedern. Der Sonderparteitag der Südwest-AfD konnte wegen der Überfüllung der Stadthalle nicht wie geplant pünktlich begonnen werden. +++ dpa-Bildfunk +++ © Christoph Schmidt

Rottweil. Nach Chaos, Tumult und stundenlanger Verzögerung auf dem Parteitag in Rottweil hat die Südwest-AfD ihre Führungsspitze bestätigt. Der Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier und der Landtagsabgeordnete Emil Sänze wurden am Wochenende als Führungsduo des gespaltenen Landesverbands bestätigt. 75,7 Prozent der Mitglieder stimmten für Frohnmaier, 76,46 Prozent für Sänze. An den beiden Wahlen beteiligten sich 880 beziehungsweise 832 Mitglieder. Stellvertretende Vorsitzende wurden die Parlamentarier Martin Hess, Ruben Rupp, Marc Bernhard und Jürgen Kögel - sie alle werden dem Lager zugerechnet, das den Kurs von Bundespolitikerin Alice Weidel stützt. Weidel hat ihren Wahlkreis am Bodensee.

Zuvor war fraglich, ob der Rottweiler Parteitag wegen Überfüllung abgebrochen werden muss. Die Vorstandsmitglieder stritten auf offener Bühne darüber, ob die Veranstaltung abgehalten werden kann. In der Stadthalle kam es zu tumultartigen Szenen, Buhrufen, sogar zu einer Art Hammelsprung: Alle Anwesenden mussten zunächst noch mal aus der Halle raus, um die, die nicht stimmberechtigt sind, auszusortieren.

Klare Mehrheit für Weidel-Lager zeichnete sich ab

Im Landesverband tobt seit Jahren ein Machtkampf. Frohnmaier und Sänze gelten als Weidel-nahe, das gegnerische Lager wird dem Bundestagsabgeordneten Dirk Spaniel zugerechnet. Im abgewählten Vorstand hatten sich sieben Mitglieder gegen das Führungsduo gestellt, sie gelten als "Dirkianer", also als Anhänger Spaniels - und sie hatten zuletzt die Mehrheit in dem Gremium. Sie werfen Frohnmaier und Sänze Alleingänge vor. 22 der 37 Kreisverbände hatten den Sonderparteitag in Rottweil gefordert, um die Machtverhältnisse im Vorstand endgültig zu klären und die Blockade zu beenden. Schließlich stehen bald wichtige Wahlen an: die Kommunal-, die Europa- und im nächsten Jahr die Bundestagswahl. Es geht um die Aufstellung von Listen, um Ämter, Macht und Posten. "Ich weiß, dass heute Verletzungen stattfinden", sagte Frohnmaier. Die Partei dürfe nicht in zwei Teile zerfallen.

Mit der Bestätigung des Führungsduos konnte sich das Weidel-Lager in Rottweil durchsetzen. Am Ende wollte weder gegen Frohnmaier noch gegen Sänze ein Gegenkandidat antreten. Denn: Den Tag über hatte sich bereits eine klare Mehrheit für das Weidel-Lager abgezeichnet. Frohnmaier und Sänze riefen beide nach dem Sieg zu Geschlossenheit auf. Man wolle nun auf die Anhänger des anderen Lagers zugehen.

"Bussokratie" bei AfD-Parteitagen in Baden-Württemberg

Am Vormittag herrscht zunächst Chaos im Saal. 1400 Plätze bietet die Stadthalle in Rottweil, mehr dürfen nicht hinein, denn es gibt Sicherheitsregeln etwa zum Brandschutz. Doch am Samstagmorgen kommen deutlich mehr AfD-Anhänger als erwartet. Vor dem Gebäude bildet sich eine lange Schlange. AfD-Parteitage im Südwesten setzen sich nicht aus Delegierten zusammen, sondern aus einfachen Mitgliedern. Jeder kann kommen, die Anzahl der Teilnehmer ist daher für die Organisatoren schwer berechenbar. Die gegnerischen Lager versuchen, zu Parteitagen so viele eigene Anhänger wie möglich in Bussen aus dem ganzen Land anzukarren. Von einer "Bussokratie" spricht ein hochrangiger Parteivertreter.

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Empört müssen die AfD-Mitglieder im Schneckentempo den Saal räumen, nur um kurze Zeit später abgezählt wieder einzutreten. Die Stimmung ist aufgeheizt. Vorstandsmitglieder schreien sich auf der Bühne an und schalten sich gegenseitig das Mikrofon ab, noch bevor der Parteitag richtig losgeht. Der Sonderparteitag hätte eigentlich um 10.00 Uhr beginnen sollen, erst Stunden später konnten sich die Mitglieder auf eine Tagesordnung einigen. Draußen demonstrieren indes rund 2000 Teilnehmer unter dem Motto "Rottweil bleibt bunt" gegen die AfD-Zusammenkunft. Auch Bauern und Handwerker sind in der Stadt unterwegs, treffen sich zu Korso und Kundgebung. Laut Polizei bleibt alles friedlich.

Alice Weidel: Landesverband muss in ruhigeres Fahrwasser kommen

In der Stadthalle hingegen wird mit harten Bandagen gekämpft. Immer wieder verzögern Einwürfe und Anträge den Ablauf. Es geht ums Prozedere und Formalitäten. Weidel selbst ruft irgendwann ins Mikrofon, man solle diese "schwachsinnigen Anträge" endlich sein lassen. "Sie stehlen uns unsere Lebenszeit, darum geht's." Anhänger von Spaniel zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Parteitags, sie behaupten, dass Mitglieder an der Tür abgewiesen worden seien, weshalb die Wahl anfechtbar wäre. Der Saal wird während der Räumung von Sicherheitsleuten durchsucht, da das Gerücht kursiert, dass einzelne Mitglieder sich mehrere Stimmgeräte hätten geben lassen. "So ein Chaos habe ich noch nie erlebt", schimpft ein Mitglied. "Wie kann man nur so einen Schwachsinn organisieren?", ruft ein anderer.

Mitten im Chaos tritt Weidel auf die Bühne, hält eine Rede, als Lückenfüller sozusagen, während sich der Saal sortiert. Sie nennt die Grünen "Heuchler", der "grüne Wahn" richte in der für Baden-Württemberg so wichtigen Automobilindustrie ein "regelrechtes Massaker" an. Großer Applaus im Saal. Sie sagt auch, dass der Landesverband in ruhigeres Fahrwasser kommen müsse. "Wir können uns nicht leisten, den Konflikt im Landesvorstand weiter in die Länge zu ziehen." Sowohl Weidel als auch Spaniel haben den zerstrittenen Landesverband in der Vergangenheit bereits geführt - und beide haben nicht vermocht, die Gräben zuzuschütten. Ob die neuen Mehrheitsverhältnisse für Frieden im Landesverband sorgen, bleibt offen. Einer der Abgewählten klingt am Sonntag mehr kampfeslustig als versöhnlich: "Wir haben eine Schlacht verloren", sagt er.

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