Landtag

AfD gibt sich selbstbewusst

Als zweitstärkste Kraft will die Partei nun einen Untersuchungsausschuss zur Corona-Politik in Hessen durchsetzen

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Robert Lambrou, hessischer Spitzenkandidat der AfD, hat sich nach dem guten Wahlergebnis viel vorgenommen. © Fabian Sommer/dpa

Wiesbaden. Ihr bisher bestes Ergebnis bei Landtagswahlen im Westen hat die AfD in Hessen geholt. 18,4 Prozent hat sie hier laut vorläufigem Ergebnis am Sonntag erzielt. Mit 28 AfD-Abgeordneten, darunter nur zwei Frauen, steigt die rechtspopulistische Partei damit zur zweitstärksten Kraft im Landesparlament nach dem Wahlsieger CDU auf. Alles deutet darauf hin, dass die AfD die größte Fraktion der Opposition wird. Entsprechend selbstbewusst gibt sie sich in dem Land, in dem sie vor zehn Jahren bundesweit gegründet worden ist.

Will die AfD auch in Hessen regieren?

Eigentlich schon. Co-Landeschef Andreas Lichert spricht am Montag von „großen programmatischen Überschneidungen“ mit der CDU. Doch diese wolle mit den Grünen oder der SPD koalieren und beide zunächst „mit Genuss gegeneinander ausspielen“. Spitzenkandidat Robert Lambrou beklagt die „Stigmatisierung und Diffamierung“ der AfD. Gäbe es diese Haltung nicht, „wäre es völlig normal, dass die beiden Wahlsieger, nämlich die CDU und die AfD, Koalitionsgespräche miteinander führen“.

Die AfD bilde mit ihrem Wahlprogramm in Hessen bei vielen Themen wie Begrenzung der Masseneinwanderung, Senkung der Grunderwerbssteuer und Wiedereinstieg in die Kernkraft den Mehrheitswillen der Bevölkerung ab, sagt Lambrou. „Und ich frage mich, wie lange kann man eigentlich in einer Demokratie Politik gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung machen?“ CDU-Wahlsieger und Ministerpräsident Boris Rhein hat sich vor der Wahl klar gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgesprochen.

Welche Möglichkeiten hätte die AfD in der Opposition?

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Nach Auskunft des Landtags könnte sie problemlos die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durchsetzen. Dafür wäre mindestens ein Fünftel der regulär 110 Abgeordneten (ohne Überhang- und Ausgleichsmandate) des Parlaments nötig – die AfD läge mit ihren 28 Abgeordneten darüber.

Gängige Praxis ist laut Landtag auch, dass die größte Oppositionsfraktion nach einer Regierungserklärung und nach der Vorstellung eines Haushaltsentwurfs zuerst sprechen darf. Es gebe jedoch keine schriftliche Regelung, die dieses Vorrecht festschreibe.

Was kündigt die AfD an, um künftig sichtbarer zu werden?

Sie will laut Co-Landeschef Lichert einen Untersuchungsausschuss zur früheren Corona-Politik in Hessen durchsetzen. Zudem wolle sie im Landtag endlich einen Vizepräsidenten stellen. Dieser müsste aber laut dem Parlament von einer Mehrheit der Abgeordneten samt Ausgleichs- und Überhangmandaten des neuen Landtags gewählt werden. Ansonsten erwartet Lichert nach eigenen Worten künftig mehr Aufmerksamkeit für die erstarkte AfD im Parlament. Ein Teil der Medien habe bislang kaum über die AfD im Landtag berichtet – das werde künftig nicht mehr möglich sein.

Was sagen Politologen zur künftigen Rolle der AfD?

Die Gießener Politikwissenschaftlerin Dorothée de Nève sieht die AfD bereits sehr weit nach rechts gerückt und gibt auch den anderen hessischen Parteien eine Mitschuld am Erfolg der Rechtspopulisten. „Lange Zeit spiegelte sich in den Umfragen das Wahlergebnis der AfD von 2018. Damals lag die AfD bei 13 Prozent. Zuweilen waren die Zustimmungswerte auch einstellig“, sagt die Wissenschaftlerin. Die Partei habe offenkundig von den vielschichtigen Krisen profitiert, die die Landtagswahl überschattet hätten. Dabei will sie bei den AfD-Wählern nicht von einem Protestverhalten sprechen. Es sei vielmehr eine politische Entscheidung, die den eigenen Einstellungen entspricht. Und auch die anderen Parteien sieht sie in der Verantwortung für den Erfolg der AfD. Dies habe sich besonders in Fragen der Migrationspolitik gezeigt, erklärt die Politologin. Mit Abspaltungen und Rücktritten sieht sie die AfD bereits sehr weit nach rechts gerückt. „In den hessischen Landtag ziehen nun Abgeordnete der AfD ein, die diese Entwicklung stützen oder aber politisch noch kaum erfahren sind“, sagt de Nève. Dass die Arbeit der Fraktion in der kommenden Legislaturperiode reibungslos läuft, glaubt sie indes nicht. „Die Instabilität der AfD-Landtagsfraktion ist kein hessisches Spezifikum. Das ist auch in anderen Landtagen so und wird sich in dieser Legislaturperiode vermutlich nicht ändern.“ Im Landtag sei sie nur durch eine Vielzahl von Anfragen aufgefallen, ansonsten habe sie sich kaum an der substanziellen Arbeit in Ausschüssen beteiligt.

Wann gibt es eine Entscheidung zur Beobachtung der AfD?

Gegenwärtig darf die hessische AfD nicht als sogenannter Verdachtsfall vom Landesverfassungsschutz beobachtet werden. Das hat das Verwaltungsgericht in Wiesbaden vor einem Jahr in einem Beschluss entschieden, der bis zu einem Abschluss eines anhängigen Eilverfahrens gilt. Inzwischen will das Gericht nach eigener Auskunft „ab der zweiten Oktoberhälfte“ 2023 über das Verfahren entscheiden. Der Beschluss von 2022 zur derzeit nicht möglichen Beobachtung sei nicht auf Basis möglicher Erfolgsaussichten der Klage gefallen, sondern nach einer Folgenabwägung, erläutert eine Gerichtssprecherin. Das Verfahren in Hessen sei von „bundesweitem Interesse“ und sehr komplex. lhe

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