Heppenheim. Die CDU hat mit Ministerpräsident Boris Rhein laut den Hochrechnungen in Hessen einen deutlichen Wahlsieg eingefahren. Die Union distanzierte die politische Konkurrenz deutlich und dürfte sich nun den Koalitionspartner für die kommenden Jahre aussuchen können. Der grüne Koalitionspartner musste Verluste hinnehmen, die SPD mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser als Spitzenkandidatin stürzte weiter ab. Grüne und SPD lagen in Hochrechnungen annähernd gleichauf, die AfD lag auf Platz zwei. Der Wiedereinzug der FDP in den Wiesbadener Landtag steht auf der Kippe, Linke und Freie Wähler werden ihn voraussichtlich nicht schaffen.
Nach den ersten Hochrechnungen von ARD und ZDF (gegen 18.30 Uhr) liegt die in Hessen bei 34,7 bis 35,4 Prozent. Die Grünen kommen auf 15,4 bis 15,5 Prozent, die SPD auf 15,2 bis 15,9 Prozent. Bislang waren die 19,8 Prozent von 2018 das schlechteste Ergebnis der SPD in Hessen gewesen. Die AfD verbesserte sich deutlich auf 16,3 bis 16,8 Prozent. Die FDP kratzte mit 5,0 Prozent an der 5-Prozent-Hürde und musste im Verlauf der Auszählung um den Einzug in den Landtag bangen. Linke und Freie Wähler kommen auf jeweils 3,5 Prozent.
Die CDU will nun "allen demokratischen Fraktionen" Sondierungsgespräche anbieten. Das sagte die CDU-Fraktionsvorsitzende im hessischen Landtag, Ines Claus. "Das ist ein toller Abend für uns, das ist etwas ganz Besonderes." Ihre Partei habe einen Wahlkampf geführt, "der nach Sound und Stil immer anständig war".
Faeser zeigte sich schwer enttäuscht. "Wir hatten viel Gegenwind, wir haben es in den Umfragen gesehen. Deswegen ist es auch nicht ganz so überraschend, aber trotzdem sehr enttäuschend", sagte sie am Sonntagabend mit Blick auf das schwache Ergebnis ihrer Partei. Die SPD sei mit ihren Themen leider überhaupt nicht durchgedrungen. Sie habe als Spitzenkandidatin natürlich eine besondere Rolle. "Mit dieser konnte ich euch leider nicht helfen in diesen Tagen", sagte sie vor Parteimitgliedern.
Vor der Wahl hatte Faeser klargestellt, nur dann aus Berlin zurück in die Landespolitik zu wechseln, wenn sie Ministerpräsidentin wird. Auch als Bundesinnenministerin könnte Faeser jetzt angezählt sein.
AfD-Spitzenkandidat Robert Lambrou kündigte eine starke Oppositionsarbeit in Hessen an. Sehr viele Bürger in Hessen hätten zum ersten Mal AfD gewählt, sagte er am Sonntagabend. "Es ist ein enormer Vertrauensvorschuss, dem wir uns als würdig erweisen werden."
Der aus Hessen kommende Grünen-Bundesvorsitzende Omid Nouripour bezeichnete das Abschneiden der AfD als "erschreckend". Die Grünen hofften, bei beiden Wahlen in Hessen und Bayern zweitstärkste Kraft zu werden, sagte Nouripour am Sonntagabend in der ARD. In Hessen, wo CDU und Grüne bisher regierten, gebe es keine Wechselstimmung. Der "Ball liegt bei Boris Rhein", sagte Nouripour mit Blick auf den Ministerpräsidenten von der CDU. Die Grünen stünden für Verantwortung.
Die hessische FDP-Vorsitzende Bettina Stark-Watzinger führte das Abschneiden auch auf die Politik der Ampel-Koalition im Bund zurück. "Wir sehen natürlich, dass das Regierungshandeln aus Berlin auch auf die Landtagswahlen sich niederschlägt", sagte Stark-Watzinger, die auch Bundesbildungsministerin ist, in Wiesbaden. "Alle drei Koalitionsparteien haben Einbußen hier in Hessen hinnehmen müssen."
Die FDP-Politikerin betonte: "Wir haben Wahlkampf geführt in einer Zeit, in der die Frage des Migrationsthemas wirklich mit voller Wucht auch in den Wahlkampf gekommen ist." Das habe die politischen Ränder ein Stück weit stärker werden lassen.
Hessen wird seit knapp 25 Jahren von der CDU regiert, seit fast zehn Jahren gemeinsam mit den Grünen - meist recht harmonisch. Bislang hatte die Koalition eine Mehrheit von nur einem Mandat. Während Ministerpräsident Rhein (51) sein Amt verteidigen wollte, strebte Rheins Stellvertreter und Grünen-Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir (52) an, zweiter Ministerpräsident seiner Partei zu werden - nach Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg. Ziel von SPD-Spitzenkandidatin und Bundesinnenministerin Faeser (53) war es, die erste Frau an der Spitze der hessischen Landesregierung zu werden.
Ein klares landespolitisches Spitzenthema fehlte im Wahlkampf. Wichtig war aber auch in Hessen die Debatte um die Versorgung von Geflüchteten durch die Kommunen, die über Belastungen klagen. Bundesinnenministerin Faeser hatte jüngst verstärkte flexible Kontrollen an den Grenzen zu Tschechien und Polen angekündigt. Ähnliche Forderungen kommen aus CDU und CSU seit längerem. CDU-Ministerpräsident Rhein etwa fordert - anders als sein grüner Stellvertreter Al-Wazir - bundesweite Grenzkontrollen gegen illegale Migration.
Rund 4,3 Millionen Wahlberechtigte waren in Hessen aufgerufen, ihre Kreuzchen zu machen, davon mehr als 107 000 Erstwählerinnen und -wähler. Insgesamt hat das Bundesland in der Mitte Deutschlands mehr als sechs Millionen Einwohner.
Jeder und jede Wahlberechtigte hat zwei Stimmen - mit der einen wird eine Landesliste einer Partei oder Wählergruppe gewählt, mit der anderen wird in jedem Wahlkreis eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter direkt gewählt. Der Landtag besteht regulär aus 110 Abgeordneten, 55 werden im Wahlkreis und 55 aus Landeslisten gewählt. Durch Überhang- und Ausgleichsmandate kann das Parlament am Ende auch mehr Mitglieder haben. In der laufenden Legislaturperiode sind es 137 Abgeordnete.
Gleichzeitig mit der Wahl in Hessen wird auch in Bayern ein neuer Landtag gewählt. Die beiden Abstimmungen gelten als wichtiger Indikator für die bundespolitische Lage.
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