Verein „Alte Burg“

Zwingenberger Steillage mit Vorbildcharakter

Der Verein Alte Burg Zwingenberg setzt sich für den Erhalt der Kulturlandschaft rund um Zwingenberg ein und möchte mit seiner Arbeit zum Erhalt des Artenreichtums am Westhang des Melibokus beitragen.

Von 
Thomas Tritsch
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Beim Landschaftspflegeverein „Alte Burg“ sprach Ilona Leyer über die Querterrassierung im Steillagenweinbau. © Thomas Zelinger

Zwingenberg. Die Flurbereinigung in Zwingenberg hat ab 2021 live und direkt vor der Haustür vorgeführt, dass der Weg zu Querterrassen im Weinberg über eine erdige Treppenstruktur führt, die vom Bagger in Form gebracht wird. Ein Hauch Bergbauästhetik lässt sich da nicht übersehen. Doch am Ende steht ein artenreicher Reben- und Blütenhang, der ökologische Qualität und wirtschaftliche Nutzung vereint und dauerhaft zum Erhalt des typischen Landschaftsbilds der Hessischen Bergstraße beiträgt.

Doch was heißt dauerhaft? „Landschaft ist nichts Statisches“, betont Ilona Leyer vom Institut für Angewandte Ökologie der Hochschule Geisenheim. Gerade auch die klassischen deutschen Weinbauregionen haben ihr Gesicht in den letzten einhundert Jahren grundlegend verändert – aus kleinteiligen Strukturen sind lückenlose Reblandschaften geworden. Viele Flächen werden intensiv genutzt, während andere aus der Nutzung herausgenommen wurden und sich zu Brachland verwandelt haben.

Schwierige Bewirtschaftung

Die klassischen Elemente der einstigen Kulturlandschaft sind weniger geworden, so die Professorin für Biodiversität und Ökosystemfunktionen in ihrem Vortrag zum Thema „Querterrassierung im Steillagenweinbau – ein ökologischer Blick in den Weinberg“. Der Termin war um eine Woche verschoben worden und fand nun am Donnerstag im Bunten Löwen statt. Florian Kaffarnik vom Verein „Alte Burg Zwingenberg“ begrüßte über 20 Gäste im Diefenbachsaal.

Die Referentin betonte: Vor allem die schwierige Bewirtschaftung der Steillagen hat vielerorts zu einem Rückgang der bestockten Rebfläche geführt. Als Steillagenweinbau bezeichnet man den Weinbau in extremen Hanglagen, die keine Bewirtschaftung in Falllinie mit radgetriebenen Traktoren zulassen. Die Rentabilität des Steillagenweinbaus ist im Kontext des Klimawandels überaus problematisch anzusehen, sagte sie.

Beispielhaft nannte Leyer das Anbaugebiet Mosel-Saar-Ruwer, wo der Bestand seit 1985 um knapp 30 Prozent zurückgegangen ist. Im Gebiet Mittelrhein waren es nahezu 40 Prozent. Die größten Verluste verzeichnet der Weinbau in den letzten 20 bis 30 Jahren. Eine künstlich angelegte Querterrassierung, wie das in der Zwingenberger Lage „Alte Burg“ zum Teil realisiert wurde, bezeichnet sie als eine exzellente Strategie für zukunftsfähigen Steillagenweinbau.

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Gemeinsam mit ihrer Abteilung hatte das Institut für allgemeinen und ökologischen Weinbau im September 2022 die Ergebnisse des dreijährigen Forschungsprojekts BioQuiS zur Querterrassierung im Steillagenweinbau vorgestellt. Als Praxispartner waren unter anderen die Hessischen Staatsweingüter mit der Domäne Assmannshausen (Lage Höllenberg) mit im Boot.

Aus der Untersuchung, die in der Fachwelt als Pionierarbeit gilt, ging hervor, dass die vereinfachte Bewirtschaftung durch hangparallele Gassen einen großen Vorteil darstellt, der sich auch betriebswirtschaftlich rechnen kann. Neben einem stark verbesserten Erosionsschutz, auch angesichts von Extremregenereignissen, hatten sich auch bemerkenswerte Unterschiede zwischen Querterrassen- und Falllinien-Anlagen mit Blick auf deren Mikroklima, Beereninhaltsstoffe und die Traubengesundheit gezeigt.

Auch die Sonnenbrandgefahr für Beeren in querterrassierten Anlagen sei deutlich geringer, so Ilona Leyer in Zwingenberg. Die staatliche Förderung und Einbindung in lokale Flurbereinigungsverfahren seien dabei wichtige Eckpunkte, sagte sie. Bei der Neuanlage müsse man mit rund 20 000 Euro pro Hektar Fläche rechnen, der Aufwand amortisiere sich innerhalb von 15 bis 20 Jahren durch weniger Aufwand bei der Bewirtschaftung.

Kulturlandschaft erhalten

Zwar sei der Querterrassenweinbau betriebswirtschaftlich keine ernsthafte Konkurrenz für die dicht bestockten Falllinien, doch kämen bei diesen Weinbergen wirtschaftliche und ökologische Vorteile zusammen. Dies helfe, Steillagenweinbau neu zu denken. Um den regionalen Weinbau und die von ihm geprägte, halboffene Kulturlandschaft zukunftsfähig zu gestalten, wollen die Wissenschaftler mit den Akteuren des Weinbaus, den Kommunen und des Naturschutzes weiterhin im Dialog bleiben.

Bei der Analyse der Artenvielfalt hatte sich gezeigt, dass die mit heimischer Vegetation begrünten und fachgerecht gepflegten Terrassenböschungen großflächig wertvolle Lebensräume beispielsweise für Insekten bilden, so die Professorin. Besonders bewährt habe sich regionales Saatgut, das als Nassansaat aufgebracht wird. „Ein Teil des Weinbergs besteht aus Böschungen, die der direkten Bewirtschaftung entzogen sind und ein großes Potenzial für den Naturschutz haben.“ Dies seien wichtige Lebensräume für Wildbienen, Schmetterlinge und andere Bestäuber.

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Trotz der deutlichen Vorteile der hangparallelen Anordnung der Reben komme es auch in Zukunft darauf an, dass Landschaften nicht monokulturell, sondern möglichst heterogen angelegt sind. Denn eine Detailuntersuchung des Tierlebens hat ergeben, dass zwar viele wärmeliebende und bodennah lebende Arten die Terrassen bevölkern, Offenlandarten wie Laufkäfer aber häufiger im Falllinienweinbau anzutreffen sind, während störungsempfindliche Insekten eher das Brachland bevorzugen.

Die landschaftliche Vielfalt bewirkt also auch eine Biodiversität bei Tieren und Pflanzen, so die Projektleiterin: „Wir brauchen ein Mosaik aus unterschiedlichen Elementen, um den Weinberg als wertvollen Lebensraum zu erhalten.“ Die bereits umgesetzten Umgestaltungsmaßnahmen im Rheingau und an der Hessischen Bergstraße habe Vorbildcharakter, so Ilona Leyer.

Aber auch in Flach- und Hanglagen lasse sich durch relativ kleine Eingriffe viel Positives bewegen. So könne man die strenge Ordnung und Monotonie der dichten Rebzeilen zwischendurch aufbrechen, um beispielsweise einzelne Bäume, Hecken, Brachen, Totholz oder Steinreihen zu platzieren, was vielen Tieren wichtige Brut- und Lebensräume bietet.

Artenreichtum erhalten

Der Termin am Donnerstag bildete den Abschluss der Reihe, die im November gestartet war. Florian Kaffarnik bilanzierte überaus interessante und facettenreiche Vorträge von ausgewiesenen Experten ihres Fachs. Der Verein setzt sich für den Erhalt der Kulturlandschaft rund um Zwingenberg ein und möchte mit seiner Arbeit zum Erhalt des Artenreichtums am Westhang des Melibokus beitragen.

Unter anderem pflegen die Mitglieder einen Schauweinberg oberhalb der Altstadt, wo alte und neu gezüchtete Rebsorten angebaut werden. Darüber hinaus werden Wiesen und Ausgleichsflächen gepflegt, Obstbäume gepflanzt und Lebensräume für etliche gefährdete Arten geschaffen.

Freier Autor

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