Aus dem Stadtteil

Verschönerungsverein sorgt sich um die Rodauer Kerb

Die langjährigen Aktivposten der Kirchweih sind älter geworden und es fällt immer schwerer, junge Leute für die Kerwe-Traditionen zu begeistern

Von 
red
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Die Traditionsfiguren der Rodauer Kirchweih im Jahr 1990: Kerwevadder Volker Orluk (r.) und Mundschenk Stefan Rechner (l.) bei der Kerweredd. © VVR

Rodau. Ist die Zukunft der Rorrer Kerb in Gefahr? Diese Frage stellt sich der Verschönerungsverein Rodau, der im einzigen Zwingenberger Stadtteil seit vielen Jahren die Kirchweih-Tradition am Leben erhält. Es fehlt jedoch an jungen Aktiven und es breiten sich Nachwuchssorgen im Verein aus, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Protagonisten sind älter geworden und es fällt immer schwerer, junge Leute für die Rodauer Kerb mit ihren Traditionen zu begeistern. „Feiern wollen viele, Pflichten übernehmen wollen indessen deutlich weniger“, heißt es etwas ernüchtert. Der VVR befürchtet: „Die Zeiten ändern sich nicht nur durch die Coronavirus-Pandemie, sondern auch der gesellschaftliche Wandel wird Rodau verändern.“

In einer Rückschau auf das Kerwe-Brauchtum in Rodau heißt es über das ursprünglich aus Erntedankfest-Ritualen und der Kirchweih im Sinn der Weihe eines Gotteshauses entstandenen Veranstaltung:

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In früheren Zeiten waren alleine die ledigen Burschen des Dorfes die Träger des Kerwe-Brauchtums. Reihum wurde in den Wirtschaften gefeiert. Die Kerb war meistens auf Sonntag und Montag begrenzt. Schon Wochen vor der Kerb mussten Vorbereitungen für das große Fest getroffen werden. Die Verwandten, die an diesen „Feiertagen“ zu Besuch kamen und oft einen langen Weg zurückzulegen hatten, mussten mit Essen, Kaffee und Kuchen bewirtet werden. Oft wurden die Kuchen zum Backen vorbereitet und meist am Samstag im Backofen des Dorfbäckers gebacken.

Die Kerbburschen legten ihr Geld zusammen, verfügten aber meist nur über einen überschaubaren Betrag in ihrer Kerwekasse. Verschiedene Dinge wie Papierblumen für Dekorationszwecke und Kerweschärpen mussten daraus finanziert werden, sowie die Kosten für Kostüme aus dem Kostümverleih.

Für den traditionellen sonntäglichen Festumzug wurden früher Birken zur Kerb entlang der Straße im Ort aufgestellt durch die der Festzug lief. Immer samstags wurde zum Tanz aufgespielt, gesungen und getrunken. Meistens waren es aber noch nicht die eigentlichen Kerbmusikanten, die zum Tanze spielten, sondern Menschen aus dem Dorf, die ein Instrument spielen konnten und dazu sangen.

Der Kerwekranz wurde schon früher aus Buchsbaum gebunden, mit Blumen und Bändern und einem Symbol der Kerb geschmückt, meist einer leeren Flasche Wein. Das war die Aufgabe der Kerweborsch und Kerwemädscher bei einem geselligen Beisammensein. Der Kerwekranz wurde schon immer im Festzug mitgeführt und früher am Wirtshaus aufgehängt und später auch im Tanzsaal. Dort blieb er hängen bis zur Nachkerb, wo er dann zum Schluss vergraben wurde.

Früher wurde der Kerwekranz von den Kerweborsch und Kerwemädscher nach dem Fest in Ortsnähe versteckt. Ein Loch wurde gegraben, in das der Kerwekranz hineingelegt und mit Gras oder Laub bedeckt wurde. Es gibt aber auch die Überlieferungen, wonach er an einem anderen Ort in unmittelbarer Nähe zu einer vergrabenen Weinflasche wiederzufinden ist.

Kerwekranz stibitzt

Während des Festes gab es eine Kranzwache, um zu verhindern, das Burschen aus anderen Dörfern den Kranz stehlen. Lange war das auch eine Tradition in Rodau, anderen Kerwevereinen den Kerwekranz zu stibitzen und ihn dann gegen eine Auslösung, meist ein Kasten Bier, wieder zurückzugeben.

Zu den Traditionsfiguren einer Kerb gehörte allen voran der Kerwepfarrer, der meist gekleidet wie ein evangelischer Pfarrer war. Er trug einen Hut und ein dickes Buch in seiner Hand. In einigen Dörfern hatte er sich ein Strohseil um die Hüften gelegt. Stroh diente nach altem Aberglauben zur Abwehr des Todes.

Der Kerwepfarrer hielt der versammelten Kerbgemeinde die Kerbpredigt. In den meistens Dörfern war sie gereimt und enthielt meistens die Dorfgeschehnisse des vergangenen Jahres. In den meisten Fällen stieg der Vortragende dafür eine bunt geschmückte Leiter hinauf. Der Mundschenk reichte ihm die alkoholhaltigen Erfrischungen. In Rodau wird das Duo beispielsweise durch den Kerwewatz ergänzt.

Musiker zogen von Haus zu Haus

Der Kerbmontag blieb meistens den Dorfbewohnern vorbehalten, da die meisten auswärtigen Gäste schon abgereist waren. Nachdem die dringenden Tätigkeiten verrichtet waren (z.B. die Viehfütterung, traf man sich bereits am frühen Nachmittag, um gemeinsam den letzten Tag der Kerb zu feiern. Vielfach zogen die Musikanten von Haus zu Haus, um den Menschen gegen ein Entgelt oder eine Sachspende (meistens Nahrungsmittel wie Kuchen) ein Ständchen zu spielen. Gegen Abend war dann wieder Tanz in der Kerbwirtschaft angesagt. Dieser Abend endete immer mit einem letzten Tanz, dem sogenannten Kehraus.

Nach diesem letzten Tanz zogen die Kerweburschen – von den Mädchen begleitet und vielfach Trauerflor tragend – aus dem Ort hinaus in die Nacht, um die Kerb zu begraben. Hatten sie die vom Kerwepfarrer auserwählte Stelle erreicht, wurde ein Loch gegraben und eine Flasche Wein hineingelegt. Der Kerwepfarrer hielt anschließend daran eine kurze Trauerrede, in die alle Umstehenden heulend einstimmten. Dann wurde das Loch wieder zugeschaufelt und die Trauergäste gingen zurück in die Wirtschaft, um den letzten Schoppen zu trinken.

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Etliche Bestandteile der traditionellen Kerb sind in Rodau bis heute erhalten geblieben, Ausrichter ist aber nicht mehr ein loser Verbund von jungen Burschen, sondern seit vielen Jahren federführend der Verschönerungsverein Rodau. In der Pandemie-Zeit ist man dazu übergegangen, die Kerb in Rodau von mehreren Vereinen des Ortes ausrichten zu lassen, um möglichst viele Kräfte zu bündeln.

Wenngleich viele Rituale erhalten geblieben sind: Natürlich hat die Kerb sich auch verändert: Das Birkenschlagen zum Festzug gibt es nicht mehr, musikalisch umrahmt wird das „Feste der Feste“ nicht mehr von Dorfmusikanten, sondern von professionelle Bands oder DJs. Auch Fahrgeschäfte und Kinderprogramme dürfen natürlich nicht fehlen. Auch der Brauch, in anderen Dörfern den die Kerwekränze zu entwenden, ist eingeschlafen. Und eine Nachkerb findet in Rodau ebenfalls nicht mehr statt.

Der Kerwekranz wird jedes Jahr jedoch an der Lagerhalle des Verschönerungsvereins symbolisch begraben und im nächsten Jahr wieder von der Kerwejugend neu geschmückt und mit der symbolischen leeren Weinflasche verziert. Auch Kerweredd und Umzug gehören zum Programm.

Mitmacher gesucht

Der Verschönerungsverein Rodau hofft nun darauf, mit der Erinnerung an die historische Kirchweih bei vielen Lesern die Lust geweckt zu haben, die Pflege der örtlichen Kerwetradition aktiv zu unterstützen.

Wer mitmachen möchte, der sollte sich zeitnah per E-Mail: info@verschoenerungsverein-rodau.de oder per Telefon: 0176/11934500 melden. red

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