Kommunalpolitik

Stefan Juchems stellte sein Wahlprogramm für Zwingenberg vor

Der Bürgermeisterkandidat möchte mehr Transparenz ins Rathaus bringen. Im Diefenbachsaal des "Bunten Löwen" übte er auch Kritik an der kommunalen Wärmeplanung.

Von 
Marvin Zubrod
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Der Bürgermeisterkandidat plant, dieLebensqualität in Zwingenberg weiter zu verbessern, etwa durch eine bessere Radweginfrastruktur und sicherere Schulwege. © T. Neu

Zwingenberg. Am 23. Februar 2025 wird voraussichtlich nicht nur ein neuer Bundestag gewählt, sondern in Zwingenberg auch ein neuer Bürgermeister. Sebastian Clever (CDU) und Stefan Juchems (Grüne) wollen Nachfolger von Holger Habich (FDP) werden, der seit Dezember das Frankfurter Ordnungsamt leitet. Juchems tritt als unabhängiger Kandidat an, wird aber von der Gemeinschaft für Umweltschutz und Demokratie (GUD) unterstützt. Am Samstagnachmittag stellte Juchems, der Mitglied im Kreisvorstand der Grünen in Darmstadt-Dieburg ist, sein Wahlprogramm für Zwingenberg vor.

Doch bevor sich der gebürtige Rheinländer den politischen Themen widmete, erzählte er den Besuchern im Diefenbachsaal des „Bunten Löwen“ zunächst mehr über sich selbst. Vor zwei Jahren zog Juchems der Liebe wegen nach Seeheim-Jugenheim. Dort lebt er nun mit seiner Partnerin und ihren zwei Kindern, pendelt aber einmal in der Woche nach Düsseldorf, wo er für das Gesundheitsministerium von Nordrhein-Westfalen arbeitet. Seit dem Jahr 2021 leitet der gelernte Kinderkrankenpfleger und studierte Pflegewissenschaftler dort die Stabsstelle für „Innenrevision und Korruptionsbekämpfung“. Dank Homeoffice könne er die Arbeit größtenteils zu Hause erledigen, er hoffe aber, dass er bald einen kürzeren Anfahrtsweg habe, sagte Juchems mit einem Schmunzeln.

Indirekte Kritik am ehemaligen Bürgermeister Holger Habich

Lange Strecken ist der 52-Jährige anscheinend gewohnt. In seiner Freizeit singt Juchems in einem Kammerchor in Maulbronn. Die 7000-Einwohner-Gemeinde in der Region Nordschwarzwald liegt etwa 100 Kilometer von Zwingenberg entfernt. Für Musik habe er sich schon immer interessiert. Als Neunjähriger habe er mit dem Posaunespielen begonnen, erzählte Juchems. Die Musik sei für ihn „Entspannung und Ausgleich“. Auch für Technik interessiere er sich. Die freiwillige Feuerwehr Seeheim sei seine vierte Station im aktiven Feuerwehrdienst. Die Bereitschaft, sich für andere einzusetzen, habe ihn geprägt. Dabei mache er keinen Unterschied zwischen den Menschen. So habe er auch schon einen von der Polizei angeschossenen Bankräuber verarztet, erzählte Juchems.

Von der ältesten Stadt an der Bergstraße hat der Bürgermeisterkandiat ein positives Bild. Sein Ziel sei es, die Lebensqualität, die es jetzt schon gebe, „zu halten und weiterzuentwickeln“. Den langjährigen Bürgermeister Holger Habich nannte Juchems nicht beim Namen, kritisierte aber, dass Zwingenberg nicht Teil einer Gruppe aus fünf Städten im Kreis sei, die sich zusammengeschlossen hätten, um eine kommunale Wärmeplanung zu entwickeln. Für eine Kooperation mit den anderen Kommunen sei es nun wohl zu spät.

Diskussion über eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 40 km/h

Weitere Eindrücke sammelte Juchems bei seinen vier Rundgängen (einer in Rodau, drei in der Kernstadt), die er in den vergangenen Tagen absolviert hatte. Ein Thema, das er als Bürgermeister angehen möchte: die Verkehrssituation an der B3. Hier gebe es drei Ziele: „Sicherheit, Lärmschutz und Vorankommen.“ Anwohner hätten ihm mitgeteilt, dass die Autos die Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 Stundenkilometern oft nicht einhielten.

Doch ein Tempolimit von 30 Stundenkilometern sei nicht praktikabel. Denn hier stehe der Anspruch von Sicherheit und Lärmschutz im Konflikt mit dem „Vorankommen“.

Ein zentrales Anliegen von Juchems ist die Verbesserung der Verkehrssituation an der B3, da die Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h oft überschritten wird. © Thomas Neu

Über eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 40 Stundenkilometern habe er während des Rundgangs mit den Bürgern diskutiert. Festlegen wollte sich Juchems am Samstag noch nicht. Vorstellen könne er sich jedenfalls ein Lichtsignal, das auf rot springe, wenn die Geschwindigkeit überschritten werde. Kein Blitzer also, eher eine „pädagogische Begleitung“, sagte Juchems. Eine Besucherin, die sich als Anwohnerin vorstellte, sagte, die Bürger hätten Angst, mit dem Fahrrad auf der Straße zu fahren. Denn seitdem die B3 von acht Meter auf sechseinhalb Meter Breite verkleinert worden sei, gebe es nicht mehr genug Platz für die Radfahrer, weshalb diese nun auf dem Bürgersteig führen. Zum Nachteil der Fußgänger, so die Besucherin. Juchems antwortete, er wolle mit den Verantwortlichen des Kreises in Kontakt treten, um eine Lösung zu finden.

Maßnahmen für Sicherheit und Nachhaltigkeit

Ein weiteres Problem, auf das die Bürger beim Rundgang aufmerksam gemacht hätten, sei der Autoverkehr in der Altstadt. Das Budget für Poller sei aus dem Haushalt gestrichen worden, sagte Juchems. Daher wolle er zumindest mit den Anbietern von Navigationssystemen sprechen, damit Gästen während der Fahrt nach Zwingenberg Parkplätze außerhalb der Altstadt angezeigt würden. Zudem möchte Juchems die Sicherheit in der Arresthausgasse erhöhen. Er könne sich vorstellen, Fußabdrücke auf die Straße zeichnen zu lassen, um alle Verkehrsteilnehmer für Fußgänger zu sensibilisieren. Auch für Radfahrer soll es komfortabler werden. Juchems sagte, er denke über eine „nassgebundene Decke“ nach, die bei Wurzelschlagung widerstandsfähiger als Asphalt sei. Denn während seines Rundgangs habe er gesehen, dass Baumwurzeln manche Radwege aufgerissen hätten.

Auch für die Passschule hatte Juchems einen Vorschlag. Wenn diese nach der Schulerweiterung nicht mehr zum Unterrichten gebraucht werde, könne er sich dort eine hauptamtlich besetzte „Anlauf- und Begegnungsstelle für alle Altersgruppen“ vorstellen. Den Schulweg möchte Juchems sicherer machen. Geht es nach ihm, sollen dort sogenannte Verkehrslotsen mit den Autofahrern das Gespräch suchen und für umsichtiges Fahren werben. Bei seinem Rundgang habe er gesehen, dass es die Idee schon gebe, sie sei allerdings noch nicht umgesetzt worden. Kinder und Jugendliche sollen zudem eine Aufenthaltsstelle vor der Stadtbücherei bekommen. So solle der Marktplatz ein „Ort zum Verweilen“ werden. Zudem möchte Juchems, dass die kommunalen Obstbäume ein „gelbes Band“ erhalten. Dieses signalisiert: Hier darf unentgeltlich geerntet werden. Bislang gebe es das Band noch nicht an den städtischen Bäumen, sagte Juchems.

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Um diese Vorschläge umzusetzen, brauche er ein gutes Team. Daher wolle er im Falle eines Wahlsieges im Rathaus eine „gesunde Fehlerkultur“ etablieren, denn diese sei unerlässlich für erfolgreiches Arbeiten. Er wisse aus manchen Behörden, dass Mitarbeiter Angst hätten, Fehler zuzugeben. Es sei wichtig, einen „vernünftigen Umgang mit Fehlern“ zu pflegen und etwas „Entspannung“ ins Rathaus zu bringen. Überhaupt wolle er in der Verwaltungsarbeit transparenter werden, sagte Juchems. Als Bürgermeister werde er einmal in der Woche ein etwa fünf Minuten langes Youtube-Video aufnehmen, in dem er berichte, was er in den Tagen zuvor gemacht habe.

Eines sei ihm bereits jetzt schon klar: weil die schwarz-rote Landesregierung angekündigt habe, dass der kommunale Finanzausgleich im Jahr 2025 nicht wie geplant um 600 Millionen Euro, sondern nur um 200 Millionen Euro steige, warteten auf die Kommunen in Zukunft „riesige Herausforderungen“.

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