Zwingenberg. Ursprünglich als Sammelbezeichnung für die Parteien verwendet, die nach dem Zweiten Weltkrieg von Bonn aus die Bundesrepublik Deutschland regierten – CDU/CSU, FDP und SPD – ist das Wort „Altparteien“ mittlerweile zu einem Begriff geworden, den die AfD verwendet, um alle anderen Parteien zu diskreditieren. Es sei „bitter“, dass man sich derart „diffamieren“ lassen müsse, trat die Sozialdemokratin Katrin Hechler beim Neujahrsempfang der Zwingenberger SPD am Sonntagvormittag im gut besuchten Saal des Alten Amtsgerichts den Rechtspopulisten entsprechend kämpferisch entgegen: „Es ärgert mich, wenn sie behaupten, wir würden nichts tun“, wollte Frau Hechler nicht schönreden, dass man sicher trefflich darüber streiten könne, ob stets das Richtige getan werde, aber Untätigkeit müsse man sich nicht vorwerfen und das Ringen um gute Lösungen nicht absprechen lassen. In einer Tour d‘Horizon trat die Staatssekretärin im Hessischen Ministerium für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales schlaglichtartig den Beweis an, dass sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene die Regierungen unter SPD-Beteiligung die ebenso komplexen wie umstrittenen Themen Migration, Integration, Mindestlohn, Rente, Bürokratieabbau, Steuer-, Klima- oder Wirtschaftspolitik angegangen seien.
Die örtlichen Sozialdemokraten freuten sich über die Stippvisite von Katrin Hechler im ältesten Bergstraßenstädtchen aber nicht nur wegen ihrer Neujahrsansprache, sondern auch, weil die Landespolitikerin aus Zwingenberg stammt: Die 55-Jährige, die ihre Heimatstadt im Jahr 2014 zusammen mit ihrem Mann und den beiden Kindern verließ, um als Hauptamtliche Kreisbeigeordnete des Hochtaunuskreises zu arbeiten, und die im Jahr 2024 dem Ruf als Staatssekretärin nach Wiesbaden folgte, ist hier aufgewachsen. Die diplomierte Volkswirtin engagierte sich als Stadtverordnete beziehungsweise Fraktionsvorsitzende im Kommunalparlament sowie als Erste Stadträtin im Magistrat und leitete eine Zeit lang als Parteivorsitzende auch den SPD-Ortsverein.
Wenige Wochen vor der Bundestagswahl am 23. Februar bot der Neujahrsempfang der Sozialdemokraten auch Gelegenheit, um den Wahlkreiskandidaten der Bergsträßer SPD kennenzulernen: Der 44-jährige Wald-Michelbacher Sven Wingerter stellte in Zwingenberg unter anderem auf seine Erfahrungen als Kommunalpolitiker ab, diese Aspekte wolle er nach Berlin tragen und sich unter anderem für eine bessere Finanzausstattung der Städte und Gemeinden einsetzen. Wie Hechler rief Wingerter überdies zu einer „klaren Kante gegen Rechts“ auf und warnte davor, „den Sozialstaat zu schleifen“: „Demokratie braucht soziale Sicherheit.“
Ehrungen
Traditionell werden beim Neujahrsempfang der Zwingenberger SPD auch treue Parteifreunde geehrt, so auch dieses Mal: Katrin Hechler und Peter Kaffenberger zeichneten Ellen Schneider (25 Jahre), Katharina Ziemann (55 Jahre) sowie Hanns Werner (60 Jahre) aus. Auch Kaffenberger hält der SPD schon lange die Treue, Katrin Hechler ehrte den Parteichef für 45-jährige Mitgliedschaft.
Besonders lange anhaltenden Beifall gab es nach der Ehrung von SPD-„Urgestein“ Hanns Werner: Er führte über viele Jahre hinweg den SPD-Ortsverein als Vorsitzender und engagierte sich als Stadtverordneter und Stadtrat beziehungsweise Erster Stadtrat in der Kommunalpolitik. Beruflich wechselte der überzeugte Sozialdemokrat Werner aus der freien Wirtschaft ebenfalls in die Politik, er war lange Zeit Kreisgeschäftsführer der SPD. In Zwingenberg hat der mit der Willy-Brandt-Medaille ausgezeichnete Werner den Arbeitskreis Synagoge mitgegründet, er war Mitglied des Evangelischen Kirchenvorstands und Initiator der SPD-Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Zeit.
Die Grüße der Stadt Zwingenberg überbrachte in Vertretung der erkrankten Ersten Stadträtin Karin Rettig (FDP) ihr Kollege Rolf Jaenchen (SPD), der sich mit Blick auf die bevorstehende Bürgermeisterwahl wünschte, dass den Herausforderungen kommunaler Selbstverwaltung künftig „mit anderen Herangehensweisen“ begegnet werde: „Neue Besen kehren gut.“
Begrüßt wurden die Teilnehmenden von Parteivorsitzendem Peter Kaffenberger, der sich vor allem lokalpolitischen Themen widmete, unter anderem dem „Trauerspiel“ offene Jugendarbeit – noch immer fehlen ein Konzept und ein Standort für den JUZ-Bauwagen – sowie der Tatsache, dass eine Ausweitung von Tempo 30 auf der Bundesstraße 3 immer noch aussteht: „Es wurden immer nur fadenscheinige Argumente genannt“, kritisierte Kaffenberger. Auf „großes Unverständnis“ sei bei der SPD auch die „Ignoranz Zwingenbergs“ in Sachen kommunaler Wärmeplanung gestoßen. Insgesamt überwiege jedoch das Positive: „Alle Parteien in Zwingenberg versuchen stets gemeinsam gute Lösungen zum Wohl der Stadt zu finden.“
Der SPD-Vorsitzende begrüßte mit Blick auf die Bürgermeisterwahl „dass es mehr als einen Kandidaten gibt und die Bürgerinnen und Bürger auch tatsächlich eine Wahl haben“. Die SPD unterstütze, nachdem sie mit beiden Kandidaten gesprochen habe, den auch von der GUD unterstützten Stefan Juchems, der Bündnis 90/Die Grünen angehört, aber als unabhängiger Bewerber antritt: „Mit ihm besteht die größere Schnittmenge an Gemeinsamkeiten bei den uns wichtigen Themen.
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