Bickenbach. Ernst Spangenberg ist Vollblutjurist, Ex-Familienrichter, Autor, Maler, Familienmensch – und Philosoph. Und nicht zu vergessen, der 86 Jahre alte Vielschreiber hat eine Menge Humor. So ernst, so hintergründig, so sperrig das Thema auf den ersten Blick sein mag, dem er in seinen Büchern auf den Grund geht und mit persönlichen Gedanken als auch mit Beispielen von Personen der Geschichte verknüpf, so blitzt doch in jedem der Kapitel seine humoristische Grundhaltung hindurch.
Mit Satire und Selbstironie reflektiert er sein Leben
Mitunter bissig, mitunter feingliedrig, aber immer unterhaltsam. Anklänge ans Satirische stechen deutlich hervor. Jetzt hat der Bickenbacher seinen siebten Band, „Die Waage der Zeit – Meine Seele hat keine Glatze“, veröffentlicht. Er selbst schreibt dazu: „Das Buch ist humorvoll heiter mit Anklängen ans Satirische geschrieben“ und er nennt das 100 Seiten starke Bändchen einen „Schlussstrich.“ Schließlich habe er sich im Laufe seines Lebens schon mehrfach mit dem Thema Zeit befasst. Jetzt, mit 86 Jahren, blickt er noch einmal auf sein Privatleben und seinen Arbeitsalltag zurück („Die Zeit enteilt“). Er selbst spricht von Standortbestimmung.
Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"
Nach Darmstadt umzuziehen, wo die Menschen „sage und schreibe vier Monate älter werden als in Bickenbach“ komme für ihn genau so wenig in Frage wie in das Dorf der Hundertjährigen in Italien umzusiedeln. Typisch Spangenberg: „Dort würde ich beim Tod meines Bickenbacher Ichs neidisch denken: der hat es hinter sich und ich muss mich noch etliche Jahre in diesem abgeschiedenen Bergdorf rumquälen.“
In der zweiten Hälfte beschreibt er dann in dem ihm eigenen, immer auch ein wenig selbstironischen Stil anhand zweier Zitate von Kirchenvater Augustin „Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es. Will ich es einem Fragenden erklären, weiß ich es nicht“ und dem Nobelpreisträger Reinhard Genzel „Die Zeit gibt es nicht. Sie existiert nur in den Köpfen der Menschen“, wie schwer, ja fast unmöglich es ist, die Wahrnehmung der Zeit zu begreifen oder gar in Worte zu fassen.
Den Geheimnissen der Zeit auf den Grund gehen
„Die Zeit verweilt“ erhofft sich der Autor, der angesichts seines fortgeschrittenen Alters, „den Umgang mit unserer Zeit verfeinern und sie zum Verweilen einladen“ möchte. In dem Buch “Die Waage der Zeit“ geht es um das Seelenleben, den Glauben und die „Zentrale des Zeiterlebens, unser Gehirn.“ Der Autor bedient sich zudem der Literatur um deutlich zu machen, wie geheimnisvoll und vielschichtig Zeit sein kann, aber auch wie grau und langweilig.
Manchmal galoppiert sie davon, dann wieder scheint sie langsam und dennoch erholsam. Der Zeittakt, so folgert Ernst Spangenberg, ergibt sich meist aus der jeweiligen Lebenssituation. Und das Gute daran, wenn es Mal nicht wie erwünscht läuft, dann „kommt unsere Fähigkeit ins Söiel, die Zeit unserem eigenen Bedürfnis anzupassen. So wie wir „graue Zeit“ in „farbige“ Zeit verwandeln, können wir auch „langsame Zeit“ beschleunigen und „schnelle Zeit“ verzögern.
Öffentliche Lesung anlässlich des Bickenbacher Jubiläums
Auf Seite 63 klärt Spangenberg auf, was es mit dem Buch-Untertitel „Meine Seele hat keine Glatze“ auf sich hat. Wenn er als Seele in der Ewigkeit auftauche wolle er von seinen Liebsten wiedererkannt werden.
„Meine Seele hat keine Glatze, keine abstehenden Ohren, sie dichtet nicht, malt nicht und keine Juristin, und doch unterscheidet sich meine Seele deutlich von anderen. Vermutlich erkennt man sie daran, dass sie auf den Namen Ernst hört.“ Wie auch in seinen vorigen Büchern gibt es auch in der Neuerscheinung Beispiele seiner Malkunst zu sehen („Sturm im Gehirn“, „Schlupfloch“ und das Titelbild „Die Zeit enteilt“).
„Die Waage der Zeit“ ist im Justus von Liebig Verlag erschienen. Die letzten geschriebenen Worte gehören Eduard Mörike: „Ihr Auge sieht die goldne Waage nun der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn.“
Die erste öffentliche Lesung findet anlässlich der 1150-Jahrfeier der Gemeinde Bickenbach unter den Platanen vor dem Schloss statt. Begleitet wird die Veranstaltung von Uwe Sator auf seiner Flamencogitarre.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/zwingenberg_artikel,-zwingenberg-spangenberg-buch-autor-bickenbach-roman-_arid,2234218.html