Zwingenberg. Die Bauarbeiten zur Erschließung des Rodauer Neubaugebiets „Nördlich der Hauptstraße“ sind beendet, die Abnahme ist erfolgt, Nachbesserungsarbeiten wurden erledigt. Liegt demnächst im Rathaus die Schlussrechnung vor, wird es darum gehen, die Kosten auf die Nutznießer umzulegen, sprich die Beitragsbescheide an die Eigentümer der Grundstücke zu verschicken, die an die neue Straße „Am Klosterhof“ angrenzen. Ob und wer allerdings wie viel bezahlen muss, darum gibt es nach wie vor Debatten:
Ursprünglich ging man im Rathaus davon aus, dass ganz klassisch abgerechnet wird: Die Grundstücksbesitzer, aus deren Gärten nun Bauland wurde, übernehmen – wie bei so einer Erschließung üblich – die Kosten für den Bau von Straßen und Stichwegen, Parkplätzen und Grünanlagen, Ver- und Entsorgungsleitungen sowie Beleuchtung.
Kosten für Zweiterschließung sorgen für Ärger
Dann allerdings kam das Thema Zweiterschließung auf: Auch die Anwohner der benachbarten Gartenstraße und der Zwingenberger Straße, deren rückwärtige Gärten an die Strecke „Am Klosterhof“ angrenzen, müssten zur Kasse gebeten werden, verlautbarte das Rathaus, denn ihre Grundstücke würden durch die neue Straße ja ebenfalls erschlossen. So sei es im Baugesetzbuch geregelt. Die Betroffenen machten ihrem Ärger darüber Luft – und das durchaus nachvollziehbar: Ihre Grundstücke sind ja bereits seit Jahrzehnten erschlossen.
Zumindest diese strittige Frage konnte aber mittlerweile geklärt werden. Der Hessische Städte- und Gemeindebund (HSGB) bestätigte die umstrittene Rechtsauffassung des Magistrats: Durch den Ausbau des vorhandenen Feldweges zu einer Straße, mit der das auch als „In den Gärten“ bezeichnete Quartier erschlossen wird, gelten die bereits seit Jahrzehnten durch Gartenstraße und Zwingenberger Straße zugänglichen und mit der nötigen Infrastruktur versehenen Grundstück als „zweiterschlossen“ – und ihre Eigentümer müssen dafür Erschließungsbeiträge bezahlen, ein Erlass wäre rechtswidrig. Zur Kasse gebeten werden dürfen die Betroffenen aber ausschließlich für den Straßenausbau.
Die Zwingenberger Stadtverordneten hielten aber auch nach dieser Rechtsauskunft an ihrer Absicht fest, die von Zweiterschließungsbeiträgen betroffenen Grundstückseigentümer der Gartenstraße und der Zwingenberger Straße möglichst nicht zur Kasse zu bitten. Und sie fassten den Beschluss: Der Magistrat solle klären, „ob der Ausbau des vorhandenen Weges zu einer Anbaustraße eine Beitragspflicht im Sinne der Zweiterschließung begründet“.
Der ehemalige Wirtschaftsweg ist nun gepflastert und beleuchtet
Mittlerweile liegt auch hierzu eine Ausarbeitung vor, die von Rathauschef Holger Habich – promovierter Jurist – erstellt und jetzt in den Sitzungen von Bau-, Planungs- und Umweltausschuss (BPU) sowie Haupt- und Finanzausschuss (HFA) vorgelegt wurde. Und seine Erläuterung fällt eindeutig aus:
„Würde man die Auffassung vertreten, beim ehemaligen Wirtschaftsweg habe es sich bereits um eine fertige Anbaustraße im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts gehandelt, wären die Kosten (für den nun erfolgten Ausbau) insgesamt kein beitragsfähiger Erschließungsaufwand.“ Will heißen: Die Stadt könnte weder von den Eigentümern der neuen Baugrundstücke noch von den Eigentümern der zweiterschlossenen Zwingenberger-Straße- und Gartenstraßen-Grundstücke Geld verlangen.
Habich spitzt zu: „Entweder liegt eine erstmalige Herstellung (einer Erschließungsanlage) für beide Fälle vor oder für keinen.“ Und dass es sich um eine „erstmalige Herstellung“ handele, das sei unzweifelhaft, führt der Bürgermeister einen Vorher-/Nachher-Vergleich an: Heute ist die Strecke gepflastert und eingefasst, mit einer Entwässerung versehen und beleuchtet, Stellplätze, Wendehammer und Stichwege sind vorhanden und Straßenbegleitgrün ist gepflanzt.
Habich weiter: „Schon aus diesem Vergleich wird deutlich, dass alter und neuer Zustand völlig unterschiedliche Situationen darstellen und nicht miteinander vergleichbar sind. Auch im Vergleich zum – technischen – Ausbauzustand aller anderen, im Gebiet der Stadt Zwingenberg vorhandenen Straßen, handelte es sich bei dem Wirtschaftsweg ganz offenkundig nicht um eine Anbaustraße im Sinne des Baugesetzbuches. Es würde niemand argumentiert haben, dass der ehemalige Wirtschaftsweg nach dem Willen der Stadt Zwingenberg ausreichend ausgebaut war, um dem Anbau (der baulichen Erschließung der anliegenden Grundstücke) sowie dem innerörtlichen Verkehr bestimmungsgemäß zu dienen.“
Novellierung der Beitragssatzung und die Kostenbescheide
Während bei den Stadtverordneten in BPU und HFA, die in dieser Woche im Rodauer Dorfgemeinschaftshaus tagten, keine hörbaren Zweifel an diesem Statement des Bürgermeisters aufkamen, bleibt aus Sicht der Kommunalpolitiker nach wie vor eine Frage unbeantwortet: Hat die geplante Novellierung der städtischen Erschließungsbeitragssatzung Auswirkungen auf die Kostenbescheide, die demnächst verschickt werden?
Nach Auffassung von Jurist Habich, dessen Prüfung dieser Rechtsfrage allerdings bis dato nur „summarisch“ und noch nicht abschließend erfolgt ist, könnte das der Fall sein, soweit keine bundesrechtlichen Vorschriften tangiert werden. Maßgeblich für die Kalkulation der Erschließungsbeiträge sei aller Voraussicht nach die Satzung in der Fassung, wie sie zum Zeitpunkt der Berechnung und des anschließenden Versandes Rechtskraft habe. Die Stadtverordneten in den Fachausschüssen forderten den Magistrat dazu auf, auch diese Frage möglichst „gerichtsfest“ zu klären.
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