Diefenbachsaal

Höchstes Niveau bei den Zwingenberger Musik-Collagen

Abendkonzerte mit dem Barbican Quartet und dem Pianisten Matthias Kirschnereit

Von 
Klaus Ross
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Den Auftakt-Abend der Musik-Collagen bestritt im Diefenbachsaal das junge Londoner Barbican Quartet. © Thomas Zelinger

Zwingenberg. Seit 2021 veranstaltet der hiesige Förderkreis Kunst und Kultur in Zusammenarbeit mit der Stadt Zwingenberg das auf zwei Wochenenden verteilte kleine Festival „Musik-Collagen“. Bemerkenswert und einzigartig daran erscheint nicht zuletzt, dass Bürgermeister Holger Habich selbst für Gesamtleitung und Organisation verantwortlich zeichnet. Tatkräftig unterstützt wird er von dem als künstlerischer Leiter fungierenden ehemaligen Darmstädter Staatstheater-Cellisten Michael Veit, der für die aktuellen dritten „Musik-Collagen“ beachtlich viele namhafte Interpreten gewinnen konnte.

Hauptspielstätte ist der Diefenbachsaal im „Bunten Löwen“, dessen intime Atmosphäre und gute Akustik geradezu ideale Kammermusik-Voraussetzungen bieten. Entscheidend ermöglicht wird die von Ausstellungen flankierte Konzertreihe vor allem durch zahlreiche großzügige Projektpartner – darunter das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst.

Pianist Matthias Kirschnereit spielte im Diefenbachsaal unter anderem Werke von Debussy und Brahms. © Thomas Zelinger

Den bestens besuchten Auftaktabend gestaltete das 2014 in London gegründete Barbican Quartet, das sich nach seinem dortigen Debütort (Barbican Center) benannt hat und 2022 mit dem Gewinn des 1. Preises beim Münchner ARD-Wettbewerb seinen spektakulären Durchbruch feiern konnte. Ein offenbar verdienter Erfolg: Die niederländische Primaria Amarins Wierdsma, die erst Anfang 2022 dazugekommene kanadische Geigerin Kate Maloney, der deutsche Bratscher Christoph Slenczka und die bulgarische Cellistin Yoanna Prodanova zeigten sich im Diefenbachsaal als bruchlose klangliche Einheit mit selbstbewusster interpretatorischer Handschrift.

Jugendlicher Spielwitz

Das 1813 komponierte Es-Dur-Quartett D 87 des damals gerade einmal 16-jährigen Franz Schubert bekam bei ihnen nicht nur jugendlichen Spielwitz und gesangliche Ausdruckswärme, sondern auch einen auf reifere Werke vorausweisenden sinfonischen Geist. Seine kontrastfreudige Leidenschaft für die Romantik bewies das Ensemble erst recht in Robert Schumanns A-Dur-Quartett opus 41/3 von 1842, dessen poetische und dramatische Seelenlandschaften man selten detailverinnerlichter ausgebreitet fand.

Höchsten Repertoirewert besaßen die beiden zwischen Schubert und Schumann platzierten Ausflüge auf britisches Terrain: Benjamin Brittens 1941 entstandenes erstes Streichquartett opus 25 ließen die „Barbicans“ in all seinem individuellen Farbenreichtum leuchten, der schon die elementare Kraft der vier Jahre später uraufgeführten Oper „Peter Grimes“ zu transportieren schien. Das dem jungen Ensemble gewidmete Auftragswerk „C’est l’exstase“ (2023) der als Cellistin, Dirigentin und Komponistin sehr erfolgreichen Engländerin Joy Lisney (Jahrgang 1993) passte mit seinem französisch getönten Kolorit ebenfalls perfekt zum klangvollen Barbican-Stil. Die Zwingenberger Zuhörer waren begeistert.

Das zweite Abendkonzert präsentierte mit Matthias Kirschnereit (Jahrgang 1962) einen der schon ausweislich seiner opulenten Diskografie anregendsten und vielseitigsten deutschen Pianisten. Eingangs seines durch feine Moderationen bereicherten Zwingenberger Auftritts verband er Carl Philipp Emanuel Bachs kühn schweifende Es-Dur-Fantasie Wq 58/6 (1783), Claude Debussys luzide schillerndes Stimmungsbild „Reflets dans l’eau“ (1905) und Anton Bruckners durchaus bereits persönlich gefärbtes As-Dur-Frühwerk „Erinnerung“ zu einem höchsten originellen Miniaturen-Cocktail.

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Zum besonderen Highlight aber wurde Johannes Brahms’ in jeder Hinsicht singuläre f-Moll-Sonate opus 5 von 1853, die Kirschnereit als herausragenden Kenner und Liebhaber des Komponisten auswies. Furios die bei allem orchestralen Impetus nie überladen wirkende Klangmacht der Außensätze und des Scherzos, berückend die lyrische Versenkungskunst im zentralen „Andante espressivo“-Juwel wie im düsteren „Intermezzo“-Rückblick des vierten Satzes: Diese auch pianistisch absolut souveräne Brahms-Deutung hatte Referenzcharakter.

Großer Beifall, Chopins cis-Moll-Nocturne opus postum und Brahms’ Walzer opus 39/1 und 15 als Zugaben.

Ab 9. Oktober übrigens wird sich Kirschnereit in fünf SWR2-Musikstunden ausführlich dem Klavierschaffen von Brahms widmen.

Freier Autor Besprechung klassischer Konzertveranstaltungen seit über drei Jahrzehnten (darunter als Schwerpunkte das umfangreiche regionale Kirchenmusikangebot sowie die renommierten Kammermusikreihen der Kunstfreunde Bensheim und von Forum Kultur Heppenheim)

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