BENSHEIM. „Bach und Reger – zwei Große im Dialog“: Unter diesem Titel entfaltete Martin Lücker beim Abschlusskonzert der 25. Bensheimer Orgelwochen in der Michaelskirche ein bezugsreiches Wechselspiel zwischen verwandten Werken beider Komponisten.
Gerade für die Bach-Fans unter den rund 50 Besuchern war das Programm mit der großen c-moll-Passacaglia BWV 582 und der höchst populären d-moll-Toccata BWV 565 besonders prominent bestückt. In Sachen Reger beschränkte sich Lücker diesmal auf kürzere Werke und machte so den oft nur als Monumentalist wahrgenommenen Meister von seiner zugänglichsten Seite erlebbar.
Konzentrierte Vorstellung
Noch wenige Stunden vor dem Bensheimer Auftritt übrigens hatte der 1953 geborene Organist mit Edward Elgars selten gespielter Orgelsonate opus 28 das 3924. Konzert seiner 1983 initiierten Frankfurter Reihe „30 Minuten Orgelmusik“ bestritten. Umso beeindruckender wirkte Lückers bestens inspirierte wie konzentrierte Vorstellung in der Michaelskirche.
Zwischen den ausgedehnten freien Werken platzierte er jeweils zwei kleinere Choralbearbeitungen, die Regers tiefe Bach-Verehrung auf wunderbar schlichte und entsprechend anrührende Weise zum Ausdruck brachten.
Denkbar innig korrespondierten schon Bachs Orgelbüchlein-Choral „Wenn wir in höchsten Nöten sein“ BWV 641 und Regers „Christus, der ist mein Leben“ aus der Sammlung opus 67 von 1902. Perfekt vereint in ihrer kontemplativen Verzückung fand man auch das harmonisch aparte „Benedictus“ aus den 1901 entstandenen Stücken opus 59 und jenes herrliche späte Es-Dur-Juwel „Schmücke dich, o liebe Seele“ BWV 654, das bereits Schumann gegenüber Mendelssohn von reinster musikalischer „Seligkeit“ schwärmen ließ. Schließlich bot Lücker noch zwei Versionen des Chorals „Es ist das Heil uns kommen her“ (BWV 638 bzw. opus 67/10), die beide Protagonisten als Meister äußerster Konzentration bestätigten.
Seine 1899 für eine Benefiz-Publikation geschriebene d-moll-Passacaglia ohne Opuszahl hielt Reger selbst zwar nur für ein „Werkchen“, zeigte sich dabei aber dennoch keineswegs unambitioniert. Als herausragendes Beispiel klassischer Variationskunst erschien die Gelegenheitskomposition in Lückers erfrischend plastischer Auftaktwiedergabe allemal.
Auch angesichts dieser wahrlich gelungenen Hommage an das berühmte Vorbild kam Bachs singuläre c-moll-Passacaglia BWV 582 danach beinahe noch grandioser daher, suggestiv vermittelt durch eine ungemein detailfreudige und unwiderstehlich sogkräftige Interpretation.
Ähnlich passend die finale Gegenüberstellung des Programms: Auf d-moll-Toccata und D-Dur-Fuge als besonders eingängigen Sätzen aus Regers opus 59 ließ der einstige Frankfurter Orgelprofessor (1998 bis 2016) mit Toccata und Fuge d-moll BWV 565 den Orgelhit schlechthin folgen, dessen einzigartiger Drive dank kluger Dosierung erst recht bezwingend wirkte.
Nicht zuletzt erinnerte Lücker bei seinem dritten Bensheimer Gastspiel daran, dass der Bach der Toccata und der Passacaglia noch ein ganz junger Komponist gewesen ist.
Langer Beifall stand am Ende dieses anregenden Orgelwochen-Ausklangs, den der „Air“-Ohrwurm aus BWV 1068 und der Orgelbüchlein-Choral „In dir ist Freude“ BWV 615 als Zugaben abrundeten.
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