Zwingenberg. Vermutlich wissen nur wenige Zwingenberger, dass das Gebäude an der Wiesenstraße 5 früher eine Synagoge war. Sie wurde 1903 erbaut und am Tag der Reichspogromnacht im November 1938 an Privatpersonen verkauft. Die meisten dieser Bürger dürfte es erstaunen, dass es vor dieser Synagoge bereits ein weiteres jüdisches Gotteshaus in Zwingenberg gab: Das Gebäude wurde 1861 von der jüdischen Gemeinde in der Altstadt (Am großen Berg 2) gekauft. Ein Brand im Jahre 1902 führte zum Verkauf und der Errichtung der neuen Synagoge.
Der Vorsitzende des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge, Fritz Kilthau, wird am 15. November, Dienstag, ab 19 Uhr im Saal des Alten Amtsgerichts (Obertor 1) mit seinem Bildvortrag über die beiden Synagogen berichten. Von Anneliese Hauck, Enkelin des Architekten Philipp Schuch, der die Synagoge an der Wiesenstraße konzipiert hatte, erhielt Kilthau etliche Dokumente über den Bau des Gotteshauses.
Im Archiv fündig geworden
Zudem bekam er noch handschriftlich verfasste Vorschläge der jüdischen Gemeindemitglieder, wie sie die Einweihung der Synagoge im September 1903 geplant hatten. Im Archiv der Stadt Zwingenberg fanden sich weitere interessante Dokumente. Fündig wurde Kilthau auch in den Staatsarchiven Darmstadt und Wiesbaden, den Stadtarchiven von Offenbach und Darmstadt, und darüber hinaus in alten jüdischen Zeitungen. Viele dieser zeithistorischen Dokumente werden bei dem Vortrag gezeigt.
Kilthau stellt die architektonische Gliederung der neueren Synagoge – den Sakralteil mit Frauenempore und Lehrerwohnung – vor und erläutert die Bedeutung der jüdischen Schmuckelemente und Symbole, die zum Teil noch heute im Gebäude und außen zu sehen sind.
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Thematisiert werden die Vorgänge in und nach der NS-Zeit: In der Reichspogromnacht am 10. November 1938 wurde die Synagoge zwar beschädigt, aber nicht zerstört. Einen Tag später berichtete das Bergsträßer Anzeigeblatt vom Verkauf an Privat. Nach dem Krieg wurde die Synagoge zunächst von der amerikanischen Militärregierung beaufsichtigt. Schließlich wurden die Eigentumsrechte an die Jewish Restitution Successor Organisation (JRSO) übertragen, deren Aufgaben Kilthau ebenfalls beleuchten wird. Die Besitzer konnten die Synagoge wieder erwerben, wurden zudem für die 1938 bezahlte Kaufsumme entschädigt.
Im Jahr 1964 wurden an der Fassade der Synagoge bedauerlicherweise gravierende Veränderungen vorgenommen, die vieles von dem ursprünglichen Aussehen zerstörten. Heute steht das Gebäude unter Denkmalschutz.
Wichtige Orte der Erinnerung
Ein Teil der gezeigten Dokumente ist in der 2014 herausgegebenen Broschüre „Zur Geschichte der Synagogen von Zwingenberg an der Bergstraße“ zu finden, die nach dem Vortrag erworben werden kann. In seinem Vorwort schreibt Kilthau zu der ehemaligen Zwingenberger Synagoge und den drei weiteren noch erhaltenen Synagogen-Gebäude im Kreis Bergstraße: „Den jüdischen Nachfahren sind sie heute wichtiger Ort der Erinnerung an ihre verfolgten und ermordeten Vorfahren, für uns Nichtjuden hoffentlich ein Mahnmal für die Gräueltaten der Nationalsozialisten an den jüdischen Bürgern unserer Gemeinden.“ red
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