Zwingenberg. In Deutschland gibt es fast 11 000 Städte und Gemeinden – aktuell sind 24 davon Mitglied bei Cittaslow, dem international tätigen „Netzwerk lebenswerter Städte“. Unter den zwei Dutzend Kommunen befindet sich bekanntermaßen auch Zwingenberg. Durch die im Jahr 2018 erfolgreich abgeschlossene Zertifizierung als „langsame Stadt“ (italienisch città = „Stadt“, englisch slow = „langsam“) hat sich das älteste Bergstraßenstädtchen dazu verpflichtet, Lebensqualität und Nachhaltigkeit zu fördern, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, Traditionen zu pflegen, ohne dabei auf Innovationen zu verzichten, bei der Vermarktung regionaler Produkte zu unterstützen, wertvolle Naturräume zu entwickeln und sich für biologische Vielfalt einzusetzen.
Demokratie als Schlüssel für eine lebenswerte Gesellschaft
Mit Blick auf den 75. „Geburtstag“ des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, das am 23. Mai 1949 in Kraft getreten ist und das während des gesamten Jahres 2024 gefeiert wird, hat der Vorstand des Vereins Cittaslow Deutschland e.V. bei seiner jüngsten Tagung ein entsprechendes Positionspapier eingebracht, das mittlerweile auch veröffentlicht und in Zwingenberg auch der Stadtverordnetenversammlung zur Kenntnis gegeben wurde. In den Grundzügen formuliert haben es David Wittner (Oberbürgermeister von Nördlingen und einer der stellvertretenden Vorsitzenden von Cittaslow) sowie Manfred Dörr (Stadtbürgermeister von Deidesheim und langjähriger Vorsitzender von Cittaslow).
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Die 24 Cittaslow-Städte konstatieren in ihrem gemeinsamen Positionspapier, „dass eine lebendige Demokratie der Schlüssel zu einer nachhaltigen und lebenswerten Gesellschaft ist“. Weil man jedoch sehe, „dass unsere demokratischen und freiheitlichen Werte national wie international mit erheblichen Herausforderungen und Bedrohungen konfrontiert sind“, fordert Cittaslow Deutschland zu Bewahrung eben jener Werte zu „entschlossenen Anstrengungen auf allen Ebenen“ auf. Aus diesem Verständnis heraus setzen sich die Cittaslow-Städte im insbesondere für folgende Ziele ein:
Durch eine „bewusste und reflektierte“ Politik sollen „klare und nachhaltige Entscheidungen“ getroffen werden, „die die Verlässlichkeit der Politik und das Vertrauen in die Politik stärken“. In dem Positionspapier heißt es: „Versprechen müssen eingehalten und Verantwortung muss übernommen werden. Wir setzen uns für eine Rückbesinnung auf das Subsidiaritäts- und Konnexitätsprinzip ein, um überhastete Entscheidungen, Aktionismus und überbordende Bürokratie zu vermeiden und uns stattdessen auf die Hilfe zur Selbsthilfe sowie eine bürgernahe Aufgabenerledigung zu konzentrieren.“
Qualitatives Wachstum
Die Cittaslow-Städte „streben qualitatives statt quantitativem Wachstum und die Förderung von nachhaltigen und emissionsärmeren Wirtschaftspraktiken an“. Sie formulieren: „Innovation und Gründergeist werden gestärkt, die Chancen der Digitalisierung werden bewusst genutzt. Dabei spielen die ethikorientierte Digitalisierung, insbesondere im Hinblick auf künstliche Intelligenz und Fake News, ebenso wie wirksame Schutzmaßnahmen vor Cyberbedrohungen eine wichtige Rolle.“
Dem Klimawandel und seinen Folgen wollen die Cittaslow-Städte „mit der Erhaltung der natürlichen Umgebung durch nachhaltige Praktiken und Anpassungsstrategien, durch den Schutz der Biodiversität sowie einem umsichtigen Umgang mit endlichen Ressourcen“ begegnen. Sie fordern dazu auf, „Konzepte zu entwickeln, die das Verursacherprinzip beachten und die sowohl klimapolitisch effektiv als auch langfristig sozialverträglich und damit geeignet sind, soziale Ungleichheiten zu reduzieren“.
Überdies unterstützen die Cittaslow-Städte in ihrem Positionspapier „internationale Kooperationen zur Sicherung von Frieden und der Würde aller Menschen“. Konkret bedeutet das für Cittaslow Deutschland: „Dazu gehört angesichts kriegerischer Handlungen an den Außengrenzen und rechtsnationaler Bestrebungen in vielen Mitgliedsstaaten ein klares Bekenntnis zur europäischen Integration. Flucht, Vertreibung und Migration sind globale Phänomene, denen nur in enger Zusammenarbeit auf internationaler Ebene und mit klaren Regelungen auf nationaler Ebene sinnvoll begegnet werden können.“
Betonung von Toleranz und gesellschaftlicher Beteiligung
Abschließend formuliert der Verein Cittaslow Deutschland in seinem Positionspapier aus Anlass von 75 Jahre Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland: „Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern aller Generationen ihre Wirkmächtigkeit als Demokratinnen und Demokraten vor Augen führen und so gesellschaftliche Partizipation anregen. In diesem Kontext ist die Übernahme von Verantwortung auf kommunaler Ebene, in Vereinen, Organisationen und der Politik zu fördern. Durch die aktive Betonung von Toleranz und gesellschaftlicher Beteiligung kann es gelingen, die zunehmende Polarisierung von Meinungen einzudämmen und die Akzeptanz unterschiedlicher Standpunkte wieder zu stärken. Damit wird sichergestellt, dass die Bedürfnisse aller berücksichtigt werden. Wir wollen lokale Gemeinschaften stärken, demokratische Werte fördern und dadurch wertegeleitetes Handeln auf globaler Ebene bekräftigen.“
Die Cittaslow-Städte „wollen Vorreiter sein für eine zukunftsfähige, inklusive und verlässliche Politik, indem wir unsere Prinzipien von Nachhaltigkeit, Teilhabe und Achtsamkeit sowie unsere Wertschätzung von Lebensqualität in den Dienst einer lebendigen Demokratie stellen“.
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