Lorsch. Vom Lorscher Kloster sind nur wenige Bauten erhalten geblieben, die Bedeutung der Welterbestätte erklärt sich nicht von selbst. Man kann deshalb viele verschiedene Führungen buchen, die über das Mittelalter und eine Reihe von Einzelaspekten informieren. Über „Frauen im Umfeld des Klosters“ kann man dabei ebenso eine Menge erfahren wie zum Beispiel über das „Mönchsleben im Mittelalter“ oder den berühmten Kräutergarten. Führungen für Wissenschaftler sind möglich und Rundgänge für Kinder. Jetzt gab es – erstmals in dieser Form – auch eine „Führung in einfacher Sprache“: Dabei wurde zum Finale sogar getanzt.
Für die Gruppe des Inklusionstheaters aus Darmstadt konzipierte Lothar Rist die besondere Tour. Die Besucher, mehrere von ihnen haben unterschiedliche geistige Behinderungen, kamen vom Theaterlabor im Mollerhaus und waren zum ersten Mal zu Gast in Lorsch. Die Stiftung Weltkulturerbe Kloster Lorsch, in deren Vorstand Rist sich als Vorsitzender engagiert, unterstützte die Sonderführung.
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Anschaulich vermittelte Rist Wissen. Eine kleine Puppe, gekleidet als Mönch, half dabei ebenso wie Fotos, die Abbildung eines alten Merian-Stichs und manches kleine Fundobjekt, das in die Hand genommen werden durfte. Auf das Vortragen von allerlei Jahreszahlen verzichtete der Lorscher dagegen bewusst. Nur eine einzige, das Gründungsdatum 764, nannte er. Eine Fülle von Zahlen behalten nur wenige Besucher, weiß Rist, der sich seit 2018 als Klosterführer engagiert.
Fast so alt wie „Saurier-Kacke“
Rist bevorzugte das Gespräch mit den Besuchern, die er beim Spaziergang über das Klostergelände unter anderem auf die Vertiefungen im Rasen aufmerksam machte, die auf Umrisse ehemaliger Gebäude hinweisen. Für große Heiterkeit bei den Zuhörern sorgte er, als er nach dem Dormitorium, dem Schlafsaal, auch auf die Latrine des einstigen Klosters zu sprechen kam. Fast so alt wie „Saurier-Kacke“ seien die Überreste dort, bestätigte er – und doch wertvoll für die Forschung, machte er klar.
In den Toiletten des Mittelalters lässt sich zudem auch manches finden, was versehentlich verloren wurde – Münzen beispielsweise – oder es werden Dinge wiederentdeckt, die einst offenbar schnell verschwinden sollten und deshalb in der Latrine entsorgt wurden.
Glücksspiel musste verschwinden
Rist nannte als Beispiel ein Ledersäckchen mit Würfeln. Mit einem solchen Glücksspiel sollte sich ein Mönch im Kloster schließlich besser nicht erwischen lassen.
Vom Mönchsfriedhof berichtete Rist und vom berühmten Lorscher Arzneibuch, das zum Weltdokumentenerbe zählt. Interessant ist das Buch aus dem 8. Jahrhundert nicht nur wegen der Rezepte, sondern vor allem, weil es die medizinische Behandlung Kranker erstmals als einen Akt christlicher Nächstenliebe darstellt und nicht als unerlaubten Eingriff in das gottgegebene Schicksal.
Dass Lorsch ein Macht- und Wissenszentrum mit einer renommierten Schreibstube war, erfuhren die Besucher natürlich auch. Rist erinnerte etwa an den Prachtband „Lorscher Evangeliar“, der mit Goldtinte geschrieben wurde. Mit einem Federkiel – wenn auch ohne Goldtinte – konnten sich dann auch Interessierte aus der Darmstädter Gruppe am Schreiben einer Urkunde versuchen.
Im Kirchenrest wurde ein kurzer Gesang angestimmt und es ging anschließend auch hinauf ins Obergeschoss der berühmten Königshalle aus der Karolingerzeit, das nur im Rahmen einer Führung zugänglich ist. Dort wurde die Malerei bewundert.
Abschluss war in der Zehntscheune, die jetzt als Schaudepot dient. Zum Finale ließ Lothar Rist den bekannten „Lorscher Bienensegen“ erklingen, und zwar vom Band in einer musikalischen Form. „Es darf auch getanzt werden“, so der Klosterführer, als die ersten schwungvollen Takte des „Zauberspruchs“ aus dem zehnten Jahrhundert zu hören waren, mit dem ein ausschwärmendes Bienenvolk zurück in den Stock gebracht werden sollte. Das ließen sich einige Besucher nicht zweimal sagen. Musik als Stilmittel machte die Veranstaltung noch besser für alle erlebbar.
Für die „Führung in einfacher Sprache“ gab es von den Zuhörern zum Abschied kräftigen Beifall und für Rist ein dickes Lob: „Super gemacht“. Bei Interesse sind Neuauflagen nicht ausgeschlossen, heißt es.
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