Theater Sapperlot

Wenn im Lorscher Theater Sapperlot MTV zu hr 4 wird

Von 
Thomas Tritsch
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Tilmann Birr und Elis C.Bihn präsentierten im Theater Sapperlot ihre „Welthits auf Hessisch“. © Zelinger

Lorsch. „Ich hab’ de Wachtmeister erschosse’, aber net den Typ vom Ordnungsamt!“ Wer kennt ihn nicht, diesen Klassiker der Musikgeschichte. Zum Hintergrund: Der gebürtige Hanauer Robert Malberger hatte schweren Ärger mit der Polizei und griff – wohl auch aus überschäumender Verzweiflung – zur Waffe. Robert floh nach Jamaika, nannte sich fortan Bob Marley und schrieb diesen Reggae-Song über eine tödliche Begegnung mit dem Gesetz. Mit der englischen Version „I Shot the Sheriff“ landete er einen Welterfolg.

Wenn man nicht aufpasst, glaubt man die Geschichten noch. Denn die beiden Frankfurter Tilman Birr und Elis C. Bihn lügen ihrem Publikum nicht nur kulturhistorisch die Hucke voll – sie servieren auch noch wunderbar stimmige Übersetzungen der musikalischen Originale. Egal, wie man es wendet: ihre „Welthits auf Hessisch“ klingen nach ulkiger Verarsche, sind aber kluge Arrangements mit einem Haufen Hirnschmalz und pointenreicher Textarbeit.

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Denn die hessischen Varianten sind inhaltlich nahezu deckungsgleiche Übersetzungen. Dass die Songs dennoch nicht holprig oder verkantet klingen – darin liegt die Brillanz dieses Projekts, das man nur live erleben kann. Denn die Arrangements gelten nicht als Coverversionen, die man einfach nachspielen und in Rillen pressen könnte, sondern als Bearbeitungen. Die vollständige Absegnung ihres umfangreichen Repertoires würde – wenn überhaupt möglich – wahrscheinlich Jahrzehnte dauern.

Die „Verhessung der Welt.“

Es geht ihnen um nicht weniger als die „Verhessung der Welt.“ In Lorsch sind Birr und Bihn am Donnerstag ein gutes Stück weiter gekommen. Wenngleich die Zuhörer, die nicht aus dem südhessischen Sprachraum stammten, deutlich in der Minderheit waren. Auf Missionierungen konnten sie also verzichten.

Doch es geht den Musikern und Komponisten ohnehin nicht um schnöden Lokalpatriotismus, sondern vielmehr um die beispielhafte Verdeutlichung, wie biegsam, klangvoll und literarisch schillernd der hessische Zungenschlag wirklich ist. Der weiche Sound, die komprimierte Taktung von Vokalen und Diphthongen sowie das melodische Potenzial des vermeintlich seifigen Gebabbels eigenen sich ideal, um dem Englischen eine adäquate Übersetzung zu gönnen.

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Doch auch Spanisch geht, wie der Schlager „Macarena“ zeigt. Der wird bei dem Frankfurter Birr und dem gebürtigen Rheinhessen Bihn zu einer rhythmischen Verbeugung vor einer gewissen Uschi Meier, mit der es scheinbar irgendwann eine erotische Begegnung gegeben hat. Das Publikum im Theater Sapperlot war hörbar begeistert von der lyrisch-musikalischen Glanzleistung der beiden Herren, die als Trio mit dem Frankfurter Wien-Import Severin Groebner die „Lesebühne Ihres Vertrauens“ bilden.

„Money For Nothing“ von Dire Straits, der Opener des Abends, funktioniert gut. „Kohle für gar nix und die Weiber umsonst.“ Und statt MTV dürstet es die Musiker nach hr 4. Logisch. Bei „Wake Me Up Before You Go Go“ (Wham!) wird es schon schwieriger. Für die darin mehrfach erwähnte Tanzgattung „Jitterbug“ (dessen Bedeutung im Lied sich auch popkulturell sozialisierten Zeitgenossen noch immer nicht erschließen will) verwendet das Duo die perfekt passende Lauteinheit „Zappeltanz“, und aus „Stayin` Alive“ von den Bee Gees wird „Am Lewe bleiwe“ – ein Discokracher, der auch mit akustischer Gitarre und E-Bass in die Ohren geht.

Ein unterhaltsamer Nebeneffekt der dialektal transformierten Welthits ist die Erkenntnis, wie inhaltsarm, lyrisch breitbeinig und an den Haaren herbeigezogen die englischen Originaltexte bisweilen sind. „Purple Rain“ („Lila Reche“) von Prince und „Barbara Ann („Gisela“) von den Beach Boys zeigen dies in beängstigender Härte. Insgesamt ein vergnüglicher Abend in Lorsch, dessen künstlerischer Ausfluss durchaus als linguistische Meisterleistung kommentiert werden darf. Und wie gut, dass man beim Heimgehen den „Reschescherm“ dabei hatte, von dem Tilman Birr und Elis C. Bihn in Anlehnung an eine gewisse Rihanna („Umbrella“) gerade noch gesungen hatten.

Freier Autor

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