Kommunalpolitik

Thilo Figaj wird Stellvertreter des Lorscher Bürgermeisters

Wechsel: Erste Stadträtin Eva Grabowski legt ihr Amt vorzeitig nieder. Früherer Grünen-Chef wird heute als ihr Nachfolger vereidigt.

Von 
Nina Schmelzing
Lesedauer: 
Thilo Figaj © Lotz

Lorsch. Zur letzten öffentlichen Sitzung vor der Sommerpause versammelt sich heute (1.) die Lorscher Stadtverordnetenversammlung. Vorsteherin Christiane Ludwig-Paul wird die Gremiumsmitglieder und die interessierten Zuhörer um 20 Uhr im Paul-Schnitzer-Saal begrüßen. Die Sitzung, ursprünglich auf den 3. Juli terminiert, wurde kurzfristig zwei Tage vorverlegt. Der wichtigste Punkt findet sich diesmal erst am Ende der kurzen Tagesordnung: ein Personalwechsel steht an, und zwar in einem nicht unerheblichen Amt. Es geht um die Position des Ersten Stadtrats.

Figaj engagierte sich für Kommunalpolitik und jüdische Regionalgeschichte

Dieses Amt als Stellvertreter beziehungsweise Stellvertreterin des Lorscher Bürgermeisters, in Lorsch ist es ein Ehrenamt, hat derzeit Eva Grabowski (parteilos) inne. Sie wurde nach der vorigen Kommunalwahl von der Grünen-Fraktion für den Magistrat nominiert und von der Stadtverordnetenversammlung ernannt. Sie gibt ihr Mandat nun aber vorzeitig zurück, aus beruflichen Gründen. Denn die diplomierte Verwaltungswirtin übernimmt in Kürze eine Führungsaufgabe im Lorscher Stadthaus, und zwar die Leitung des Hauptamts.

Der langjährige Amtsleiter Ralf Kleisinger geht im September in den Ruhestand. Die herausgehobene Aufgabe im Stadthaus ist für einen Beamten im gehobenen Dienst, so schreibt es die Hessische Gemeindeordnung vor, grundsätzlich nicht vereinbar mit einer gleichzeitigen Mitgliedschaft im Magistrat. In der Sitzung heute soll Thilo Figaj (Grüne) als neuer Erster Stadtrat ernannt und vereidigt werden.

Der Lorscher hat in den vergangenen Jahren vor allem durch seine intensive Erforschung der jüdischen Regionalgeschichte für Aufmerksamkeit gesorgt und für seine Initiativen – etwa die „Stolperstein“-Verlegungen und die jüdische Dokumentationsstätte, die im Alten Schulhaus eingerichtet wurde – viel Anerkennung auch weit über die Bergstraße hinaus erfahren. Bevor er sich ausführlich der Geschichte widmete, hat Figaj, inzwischen auch Vorsitzender des Lorscher Heimat- und Kulturvereins, aber bereits engagiert Kommunalpolitik gemacht.

Figaj sorgte für unvergessene politische Paukenschläge

2005 kandidierte der Unternehmer sogar bei der Bürgermeisterwahl. Figaj forderte damals den Amtsinhaber Klaus Jäger (parteilos) heraus und scheiterte. Die gut 30 Prozent der Stimmen, die Figaj holte, waren für den damals noch unbekannten Kandidaten aber ein beachtliches Ergebnis. Anschließend hat Figaj sich in der Klosterstadt und auf Kreisebene politisch engagiert und für manchen Paukenschlag gesorgt.

Unvergessen ist etwa der Dezember 2012. Wenige Stunden bevor die Stadtverordneten damals den Lorscher Haushalt beschließen wollten, ließ der Grüne den Beschluss platzen. Die Vorsitzenden aller Fraktionen konnten ihre Reden wieder einpacken, denn Figaj war aufgefallen, dass der Stadtverwaltung ein Fehler unterlaufen war – ein ziemlich bemerkenswerter. Den Stadtverordneten waren Unterlagen zur mittelfristigen Finanzplanung nicht mitgeliefert worden. Und das war kein einmaliges Versehen, wie sich herausstellte.

Figaj sei "kein Freund von Kuschelpolitik"

Bei der Genehmigungsbehörde gab es zwar keinen Anlass, die Vollständigkeit des Datenmaterials aus Lorsch je zu beanstanden. Dass ein Teil der Daten nur verwaltungsintern beraten worden war und nicht öffentlich zuvor in der Stadtverordnetenversammlung vorgelegen hatte, wurde aber erst durch Figajs Aufklärungsarbeit bekannt. Die Daten seien nicht bewusst vorenthalten worden, entschuldigte sich damals Bürgermeister Christian Schönung für das Fehlen der vorgeschriebenen Pflichtanlagen. Es war auch kein finanzieller Schaden entstanden, das Versäumnis konnte geheilt werden. Am Image der Lorscher hatte es aber doch gekratzt, dass ein aufmerksamer Neuling Verwaltung und Stadtverordnetenversammlung diese Lektion erteilte.

Figaj sei „kein Freund von Kuschelpolitik“, mit diesen lobenden Worten hatten die Grünen vor zehn Jahren ihren Fraktionssprecher verabschiedet, der sich fortan in der Freizeit mehr mit Geschichte befassen wollte. Auf Figaj folgte dann Matthias Schimpf als Grünen-Fraktions- und Parteichef. Dass er nun noch einmal in eine neue und verantwortlicher Position zurückkehren würde, damit habe er nicht gerechnet, sagt Figaj auf Nachfrage. Dass seine Familie und sein persönliches Umfeld darüber nicht gerade in Jubel ausgebrochen ist, gibt der 69-Jährige ebenfalls zu. Da er sich aber vor fünf Jahren auf die Liste habe setzen lassen, „gibt es nun keinen vernünftigen Grund, das abzulehnen“, sieht er sich in der Pflicht, sein Angebot auch einzulösen.

Überschaubare Amtszeit

Zumal es sich jetzt um eine „sehr überschaubare Zeit“ handle. Das Dreivierteljahr bis zur nächsten Kommunalwahl im März 2026 könne er als „Rentner“ zeitlich gut bewältigen. Eine erneute Kandidatur erwägt er nicht. Als Firmeninhaber gehe er aber „natürlich“ auch weiterhin ins Büro, „jeden Tag“, sagt Figaj.

Dass der Lorscher Magistrat durch Grabowskis Ausscheiden jetzt ein „Altherrenclub“ wird, kritisiert der künftige Erste Stadtrat. Alle Parteien seien gefordert, dass sich dies nach der nächsten Kommunalwahl wieder ändere. Politische „Rentner-Gremien“ ohne junge Mitglieder und ohne Frauen seien „ein Anachronismus“ und „eine Katastrophe“, bemängelt Figaj und das stehe der Stadt Lorsch nicht gut an.

Grabowski, die ihr Mandat nun vorzeitig zurückgibt, hatte ihr Ehrenamt auch zu einem ungewöhnlichen Zeitpunkt angetreten. Sie übernahm es von Alexander Löffelholz (CDU) vor nicht einmal zwei Jahren, nämlich im November 2023 – also mitten in der Wahlperiode. Grund dafür war eine so noch nie dagewesene Vereinbarung der Fraktionen. Die Christdemokraten waren zwar Gewinner der vorigen Kommunalwahl, holten mehr als 40 Prozent der Stimmen und behaupteten sich als mit Abstand stärkte Fraktion in Lorsch.

Mehr zum Thema

Kommunalpolitik

Jürgen Sonnabend wird neuer Fraktionschef der CDU Lorsch

Veröffentlicht
Von
Nina Schmelzing
Mehr erfahren
Geschichtswerkstatt der Geschwister-Scholl-Schule

Das Kaufhaus Ganz in Bensheim und seine jüdische Vorgeschichte

Veröffentlicht
Von
Eva Bambach
Mehr erfahren

Sowohl CDU als auch Grüne mit ihrem Vorsitzenden Schimpf an der Spitze hatten aber mit Verweis auf jeweilige Stimmengewinne bei der Wahl Ansprüche auf das herausgehobene Amt des Ersten Stadtrats angemeldet. Die Grünen waren zweitstärkste Fraktion geworden. Weil es somit zwei Bewerber für das eine Amt gab, entschieden sich die Lorscher dafür, die Amtszeit erstmals aufzuteilen.

Die ersten zweieinhalb Jahre amtierte Alexander Löffelholz, die zweite Halbzeit stand Eva Grabowski zu, die nun auf die letzten rund neun Monate aus den beruflichen Gründnenverzichtet. Ihre ehrenamtliche Amtszeit war auch insofern eine besondere, weil die Lorscherin, 52 Jahre alt und Ehefrau von Matthias Schimpf, die erste und bislang einzige weibliche Bürgermeister-Vertreterin in Lorsch war.

Die Fraktion des ausscheidenden Magistratsmitglieds entscheidet in Lorsch über den Nachrücker. Auf Thilo Figaj als Nachfolger haben sich die Grünen mit CDU, PWL und SPD verständigt. Seine Amtszeit beginnt unmittelbar mit der Vereidigung und Aushändigung der Urkunde.

Redaktion

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger

VG WORT Zählmarke