Theater Sapperlot

Sven Ratzke bringt in Lorsch Songs des Jahrhunderts auf die Bühne

Von 
Eva Bambach
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Sven Ratzke, deutsch-niederländischer Musiker, unterhielt das Publikum im Lorscher Theater Sapperlot mit einer Auswahl der schönsten Lieder des Jahrhunderts. © Neu

Lorsch. „Was für ein Gefühl, endlich wieder vor einem vollen Theater zu stehen“, rief Hans-Peter Frohnmaier bei der Begrüßung der Sapperlot-Gäste am Freitagabend. Die Veranstaltung am Vortag hatte von Seiten des Künstlers coronabedingt abgesagt werden müssen, doch nun stand Sven Ratzke samt Band leibhaftig auf der Bühne und alle Plätze waren besetzt.

Auch Ratzke betonte angesichts bitterer Erinnerungen an die vergangenen zwei Jahre das Glück, nach Auftritten in der eigenen, ansonsten menschenleeren Wohnung wieder ein Publikum zu haben.

Dass dieses restlos begeistert war, dürfte ihm zusätzlich gefallen haben – zumal es sich um die Vorpremiere seines neuen Programms „20th Century Songs“ handelte, das eigentlich erst ab dem 11. März in der Berliner „Bar Jeder Vernunft“ seine Uraufführung erfährt und dann dort mehrere Tage hintereinander gespielt werden wird.

Was nun schon in Lorsch zu erleben war, war viel mehr als die angekündigte Reise durch die schönsten Songs des Jahrhunderts. Ratzke bot Musiktheater vom Feinsten, vereint in einer Person, die singt, tanzt, spielt und erzählt – mit Jetse de Jong unterstützt von einem ebenso virtuosen wie sensiblen Pianisten und rhythmisch getragen von Haye Jellema an den Drums.

Wenn die Einsamkeit kommt

Dass es bei den ausgewählten Liedern nicht um die größten Hits, sondern tatsächlich um die schönsten Lieder und poetischsten Geschichten geht, war schon bei der Eröffnung mit Tom Waits „Strange Weather“ zu spüren und auch beim zweiten Stück, von der französischen Chansonnière Barbara: „Die Einsamkeit“ - „sie schleicht herbei auf leisen Sohlen. Sie wittert, wenn ein Glück zerbrach, und nun, der Teufel soll sie holen, nun kam sie zu mir, sie schlich mir nach!“

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Ein Bonbon von Nina Hagen

Nicht nur beim folgenden Alabama Song, ursprünglich von Bertolt Brecht und Kurt Weill geschrieben, brach sich die Faszination des Deutsch-Niederländers Sven Ratzke für David Bowie Bahn, den er schon als Teeny hörte – wie er in einer der vielen äußerst unterhaltsamen Geschichten erwähnt, die er mit ungeheuer wandelbarer Mimik intelligent und mit Humor zur Geltung bringt – seien sie nun wahr oder ausgedacht.

Wie die Stories von der Hochzeit Nina Hagens mit dem holländischen Gitarristen Ferdinand Karmelk und vom ebenso magischen wie klebrigen roten Lutschbonbon, das die „Godmother of Punk“ Ratzke einst geschenkt haben soll. Oder vom Ausflug in die Kindheit des Musikers, geprägt von echten Hippieeltern, die in einer Kommune in einem ehemaligen Kloster leben, wo der 13-jährige Sohn in eine nicht mehr ganz so kindliche Beziehung zu einer skurrilen Malerin gerät.

Auftritte in New York und Sydney

Nicht ausgedacht ist die Begegnung mit Größen wie Nina Hagen oder Hildegard Knef. Ratzke ist selbst Weltklasse und ist unter anderem schon im Concertgebouw Amsterdam, im Berliner Ensemble, im Sydney Operahouse und im New Yorker Lincoln Center aufgetreten.

Geschichten bilden das Gerüst des Programms, als Geschichten werden aber auch alle Lieder erlebbar, von Jacques Brel über die Eurythmics und Nina Hagen bis zu immer wieder David Bowie (zu dem er auch ein Programm im Repertoire hat, mit dem er um die Welt reiste). Als solche inszeniert und singt Ratzke sie und schafft es, mit seiner Interpretation sowohl dem Original gerecht zu werden als auch seinen eigenen Stil zu verfolgen. Der Freude am Inhaltlichen kommt dabei häufig die Übersetzung ins Deutsche zugute, die mitunter von Ratzke selbst stammt.

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So perfekt und auch gesanglich unfehlbar der Abend ist: Ratzke bietet keine aalglatte Show, wenn er mit flirrenden Handbewegungen und der charakteristischen Sturmfrisur dynamisch zwischen den Musik- und Bewegungsstilen wechselt und dabei jedes Mal authentisch bleibt. Auf wüste Expression folgen intensive ruhige Momente, mit silbersanfter Stimme setzt er den Kontrapunkt zum einer Nina Hagen würdigen Röhren.

Den Gästen bot sich trotz eines – Gott sei Dank glimpflich verlaufenen – medizinischen Notfalls im Publikum ein amüsanter und zugleich berührender Abend. Wunderbar!

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