Sapperlot

Sapperlot: Lorscher Kultursalon begeistert mit Comedy und Musik

Von 
Thomas Tritsch
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Lorsch. Früher haben Rocker filterlos tiefschwarzen Tabak gequalmt. Heute dampfen schwere Jungs leichte Brombeer-Vanille-Mischungen aus lächerlichen Akku-Kolben. Die Zeiten ändern sich.

Und es gibt wenige, die das so schnoddrig-frech auf den Punkt bringen wie Patrizia Moresco: Berliner Schnauze, schwäbische Sozialisation, italienisches Blut. Mit diesen feinen Zutaten hat die Comedienne und Kabarettistin am Dienstag das Theater Sapperlot gerockt. Also: wirklich hart gerockt. Nicht nur hasenfüßig bedampft.

Die handfeste Bühnen-Vita der gebürtigen Mannheimerin kann sich sehen lassen. Und was die Frau auf den Brettern abzieht, nicht minder.

Dabei schafft es Patrizia Moresco auf lobenswerte Weise, sich nicht ausschließlich in abgewetzten Rollen-Klischees zu verlieren (nicht, dass diese überhaupt nicht vorkämen): stattdessen gelingt es ihr grandios, ihren angesammelten Weltenzorn in einer eruptiven und temporeichen Stand-up-Sturmflut ins Publikum zu peitschen und dabei automatisierte Comedy-Standards hinter sich zu lassen.

Ehe und andere Schicksalsfragen

Mit viel Körpereinsatz, unaufgesetzter Selbstironie und ungezähmter Wucht hat sie als letzte Nummer im Kultursalon einen stürmischen Applaus ausgelöst.

„Wir zählen unsere Schritte und stalken uns selbst“: der Blick auf die Zeichen der Gegenwart fällt bei Moresco ebenso treffend wie entlarvend aus. Aber auch Schicksalsfragen wie Ehe und Sex werden ungefiltert ins Publikum geschlendert: „Lasse ich mir den Teppich versauen oder das ganze Leben?“, fragt sie rhetorisch in den Saal hinsichtlich der Entscheidung, ob man die Vita lieber mit einem nässenden Haustier oder einem Ehepartner verbringen mag. Und das Smartphone ist selbst beim Sex griffbereit.

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Die bis in den roten Bereich komprimierten 20 Minuten im Sapperlot – es waren ein paar mehr – haben dem Kultursalon ein starkes Finale geschenkt. Eröffnet wurde der Abend von Klavierkabarett Marke Daniel Helfrich. Der Impresario und Moderator der Reihe servierte ein würziges Lied von Chris Boettcher über zittrigen Sex im Alter – wobei eine Referenzgröße von mickrigen 60 Jahren genannt wird, was bei Patrizia Moresco wahrscheinlich eine kampfbereite Pose auslösen würde.

Ansonsten aber freute man sich über musikalischen Esprit und lyrische Feinheiten im Song, in dem unter anderem der sachdienliche Effekt einer Schüttellähmung erwähnt wird und die Tatsache, dass zwischen Vibrator und Defibrillator bisweilen nur wenige Momente liegen.

Reise in philosophische Gedankenwelten

Mitte bis Ende der 90er Jahre war Helfrich Mitglied im Odenwälder Shantychor. Dort ist auch Manfred Maser als Texter und Sprecher aktiv. In Lorsch hat er die Figur des Prof. Dr. Alfons Netwohr, Leiter des Instituts für spekulative Heimatgeschichte, auf die Bühne geschickt. Masers Solo (Premiere war 2015) ist eine leise Reise durch philosophische Gedankenwelten, die von Fänkisch-Crumbach ausgehend in fantastisch-visionäre Geistesblitze führen und unterwegs hochgradig humoristische Supernovae auslösen.

In einer hemmungslos vernetzten und verwickelten Welt, in der keiner wisse, wer genau die Fäden zieht, empfiehlt sich Dr. Netwohr als kluger Wegweiser mit Hausmantel und Seidenhalstuch. Maser geleitet das Publikum durch sein eigenes Paralleluniversum, in dem sich Zeit und Raum verschieben und den Zuhörer in einem erhellenden Nirgendwo zurücklassen. Ohnehin wehrt sich der „Ourewäller“ gegen die zwanghafte Fixierung von Geschichte auf die Vergangenheit – viel lieber entwirft er eine Zukunft, die auch nicht mehr das ist, was sie früher einmal war.

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Herrlich quer, pointiert und dramaturgisch ausgefeilt endet Masers kosmischer Trip dann doch in der jämmerlichen Realität, in der ausgerechnet die Deutsche Bahn beweist, dass Zeitreisen durchaus möglich sind: wenn man alle Verspätungen addiert, ist der Mobil-Konzern tatsächlich langsamer als die Uhr.

Komplettiert wurde der Kultursalon von dem Mannheimer Songwriter und Gitarristen Stefan Ebert, der aber auch Klavier kann, mit originellen Texten für und gegen die Liebe zu griffigen Melodien. Eine gerissene Saite wurde musikalisch federnd überbrückt. Und der dadurch ausgelöste blutige Finger war keine Wunde, sondern purer Rock and Roll. Als leichter Aufheller bot das Duo Diagonal aus Bochum aufgedrehte Komik und herrlichen Blödsinn in einer Collage aus Pantomime, Slapstick und absurden Szenen.

Der nächste Lorscher Kultursalon öffnet am 15. März.

Freier Autor

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