Lorsch. In den Genuss eines ganz besonderen Erlebnisses kamen die Besucher des Konzerts der Sängerinnen des Geghard-Ensembles aus Armenien. In der voll besetzten katholischen Kirche begrüßte Pfarrer Michael Bartmann die große Zahl der Besucher und schwärmte schon im Vorfeld von der wunderbaren Musik, die er kurz zuvor beim Proben gehört hatte. Ganz besonders beeindruckt habe ihn auch, dass die Damen vor ihrem Auftritt im Kreis stehend und sich an den Händen haltend gemeinsam gebetet hätten.
Und dann kamen sie aus der Sakristei: acht Sängerinnen in dunkelrote lange Samtkleider gewandet, mit ihrer Dirigentin Anahit Papayan, und erhoben ihre Stimmen. Im zartesten Piano, mit glockenreinen Stimmen auch in den hohen Tönen, die durch die wohltönenden Altstimmen noch unterstrichen wurden, intonierten die Sängerinnen – allesamt Studentinnen der Musikhochschule Jeriwan, sakrale Musik. Das Publikum horchte gebannt, man hätte die berühmte Stecknadel fallen hören können, und schon nach dem ersten Liedvortrag brandete tosender Beifall auf. Der zarte Piano-Klang des Chores habe ihre Seele zum Schwingen gebracht, berichtete eine Besucherin nach dem 50-minütigen Konzert.
Nach der ruhigen Sakralmusik erklangen Scherzlieder in rhythmischen Takten und schwungvoll vorgetragene armenische Volksmusik in der Muttersprache der Sängerinnen. Obwohl niemand die Texte verstehen konnte, gelang es dem Ensemble durch die Art der Vorträge, im Wechsel von Piano und Forte, gefühlte Inhalte zu vermitteln. Am Ende wollten der Applaus und die stehenden Ovationen nicht aufhören, und man entließ das Ensemble nicht ohne zwei Zugaben.
Verein „Noah“ mit 125 Mitgliedern entstand aus Reisegruppen
Mehrmals im Jahr besuchte Ernst- Ludwig Drayss Armenien, meist mit kleinen Gruppen. Aus diesen Besuchergruppen heraus entstand bereits im Jahr 2004 der Verein „Noah – Verein zur Förderung der kulturellen Beziehungen zwischen Armenien und Deutschland und der Stiftung Kloster Lorsch“. Heute zählt der Verein 125 Mitglieder, die den deutsch-armenischen Kulturaustausch fördern, sich auch um die Partnerschaft des armenischen Klosters Geghard mit Lorsch kümmern. Federführend durch Ernst-Ludwig Drayss wurden in den folgenden Jahren Tourneen in Deutschland und Österreich organisiert. Seit 2018 fungiert das Geghard- Ensemble bei seinen Auftritten als kultureller Ehrenbotschafter der „Stiftung Unesco-Weltkulturerbe Kloster Lorsch“ weltweit.
Jeden Sonntag singt das aus acht jungen Frauen bestehende Geghard-Ensemble die Liturgie in der Messe im Kloster Geghard. Die Kontakte mit Deutschland begannen im Jahr 2002, als unter der Schirmherrschaft der Unesco eine Verbindung zwischen dem Kloster Geghard und dem Kloster Lorsch in Deutschland angedacht wurde. Als das Kloster 2002 eine Partnerschaft mit dem Kloster Lorsch einging, hörten Hermann Schefers sowie Ernst-Ludwig und Friedel Drayss bei einem Vorbereitungsbesuch zu einer partnerschaftlichen Verbindung in Armenien zufällig den Chor. Sie waren tief beeindruckt, und spontan wurde der Entschluss gefasst: „Den Chor holen wir nach Lorsch.“ Und so trat der Chor noch im Jahr 2002 anlässlich der Partnerschafts-Unterzeichnung in Lorsch erstmals auf. Es war gleichzeitig der erste Auftritt des Ensembles im Ausland.
Start einer internationalen Karriere für den Chor
In zwei Konzerten begeisterten die Sängerinnen das Publikum nachhaltig: Es war der Start zu einer internationalen Karriere. Seitdem sind mehr als zwei Jahrzehnte ins Land gegangen, die Sängerinnen von damals sind längst verheiratet und haben erwachsene Kinder. Neue Sängerinnen haben ihre Plätze eingenommen. Aber unter der künstlerischen Leitung von Professor Mher Navoyan blieb der fantastische Chorklang auch mit den neuen Stimmen unverändert. Der Auftritt des Geghard-Ensembles wurde ermöglicht durch die Stiftung Kloster Lorsch und den Verein Noah. Die Deutschland-Tourneen des Ensembles basieren immer auf Einladungen, denn das Geghard-Ensemble ist kein kommerzieller Chor. Er tritt dann möglichst auch in Lorsch auf. Und das bei freiem Eintritt, obwohl Eintrittskarten in anderen Städten zwischen 40 und 80 Euro kosten.
„Lorsch ist zu unserer zweiten Heimat geworden“
„In Lorsch waren wir immer zu Gast bei Familien, und so wurde Lorsch zu „unserer zweiten deutschen Heimat“, betonten die Sängerinnen, die sich freuten, wieder einmal in Lorsch bei ihren Gastgebern zu sein. Heute blicken die Sängerinnen auf eine erfolgreiche Karriere zurück, und so sind auch von den Ehemaligen einige als Opern- oder Konzertsolisten berühmt geworden.
Als Höhepunkte in all den Jahren gelten für die Sängerinnen Auftritte in Deutschland und Österreich: ein Auftritt bei den Salzburger Festspielen, ein Konzert in der Elbphilharmonie in Hamburg und im Dom zu Speyer vor 1000 Zuhörern. Das Ensemble hat alle internationalen Chorwettbewerbe, zu denen es eingeladen wurde, gewonnen, so auch das von der Unesco veranstaltete „World Peace Festival“ im Jahr 2021.
Man kann sich nach diesem Konzert nur wünschen, dass der Ausnahme-Chor noch öfter in Lorsch zu hören sein wird.
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