ICE- und Gütertrasse

Bei „Mensch vor Verkehr“ knallen noch keine Sektkorken

Die Freude über die DB-Vorzugstrasse ist groß, aber noch sind nicht alle Hürden genommen, erinnert der MvV-Vorstand.

Von 
Nina Schmelzing
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Seit über 20 Jahren kämpft „Mensch vor Verkehr“ für eine verträgliche Trasse, Vorsitzender Reimund Strauch (mittleres Bild, 4.v.l.) mit Mitstreitern. © Archivbilder:

Lorsch. Die Nachricht der Deutschen Bahn wurde von vielen Bergsträßern als großer Erfolg gefeiert. Vor gut zehn Wochen erklärte die DB, die geplante ICE- und Gütertrasse von Frankfurt nach Mannheim solle in einem bergmännischen Tunnel verlaufen, der nördlich von Einhausen beginnt, die Weschnitz unterirdisch quert und bis Mannheim unter der Erde bleibt (BA berichtete). Reimund Strauch allerdings, der Vorsitzende von „Mensch vor Verkehr“ (MvV), hat noch keine Sektkorken knallen lassen.

„Nein“, sagt er auf eine entsprechende Nachfrage. Er wolle diese Information der DB über ihre aktuelle Vorzugstrasse auf keinen Fall schon wie einen Lottogewinn feiern. Denn in trockenen Tüchern sei ein solcher Tunnelbau, für den MvV seit bald 25 Jahren unermüdlich kämpft, damit noch längst nicht, unterstreicht er.

Strauch: Es wird noch spannend

Die entscheidenden Hürden, die genommen werden müssen, kommen schließlich erst noch: das Planfeststellungsverfahren und die Parlamentarische Befassung in Berlin. Der Bundestag hat das letzte Wort darüber, wie viel Geld ausgegeben werden soll, insbesondere für Maßnahmen, die über gesetzliche Vorgaben hinausgehen. Auch der Schutz von Langwaden wäre mit der neuen DB-Vorzugstrasse noch nicht so gewährleistet, wie MvV das möchte. Strauch warnt davor, sich in vermeintlicher Sicherheit zu wiegen. Es werde noch „spannend“, sagt er.

Dass er eine zurückhaltende Reaktion an den Tag legt, liegt vor allem an seiner Erfahrung mit dem Thema. Strauch war einer der Gründer, die vor über 20 Jahren MvV als Bürgerinitiative formierten. Er gehörte auch zu den Aktiven, die bald dafür sorgten, dass aus der BI ein Verein wird. Der Einhäuser, seit vielen Jahren Vorsitzender von „Mensch vor Verkehr“, hat zudem hartnäckig dafür gekämpft, dass MvV auch als Umweltverband anerkannt wurde – ein wichtiges Zertifikat, das unter anderem ein Klagerecht ermöglicht.

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Gerade weil er von Anfang an dabei ist, weiß der MvV-Vorsitzende, dass sich bei dem Großbauprojekt auch immer wieder vieles ändern kann. „Es gab schon oft eine Vorzugsvariante“, erinnert er etwa. In den mehr als 20 Jahren des Ringens um die bestmögliche Trasse hat man nicht nur einmal alles zurück auf Null stellen und wieder von vorne anfangen müssen. „Mensch vor Verkehr“ blieb stets beharrlich mit von der Partie. Die Mitglieder haben das Projekt schließlich nie grundsätzlich verhindern wollen, im Gegenteil. „MvV“ will die Trasse. Die Befürworter kämpfen aber dafür, dass sie Mensch und Natur in der Region so wenig wie möglich schadet. Seit jeher sprechen sie sich daher für einen langen Tunnel aus.

Während mancher Feierstimmung verbreitet, weil die Bahn das nun, für viele überraschend, plötzlich ähnlich sieht, bleibt der MvV-Vorsitzende vorsichtig. „Das Ziel ist noch nicht erreicht“, betont Reimund Strauch. Mit seinen Mitstreitern hat er bereits an unendlich vielen Sitzungen teilgenommen, Gespräche mit Entscheidern geführt, für Unterstützung geworben, Unterschriftensammlungen organisiert, Resolutionen verfasst, politische Beschlüsse für die Konsenstrasse erwirkt, Fahrten auf die Beine gestellt, Kontakte geknüpft, Informationsveranstaltungen und Aktionstage initiiert, sich immer wieder in neues Aktenstudium vertieft, Durchhaltevermögen bewiesen – und oft Rückschläge und Spott kassiert.

Die „MvV“-Aktiven sind nicht selten als naive Romantiker betrachtet worden. Dass die Bahn nun zur Erkenntnis kommt, dass ein langer Tunnel die beste Lösung ist, das jedenfalls haben doch eher wenige Kenner der Materie für realistisch gehalten – so weit lagen die Betrachtungen in der Vergangenheit oft auseinander. Letztlich hat die Weschnitz, die unterirdisch zu queren ist, den „MvV“-Forderungen zum aktuellen Erfolgsschritt verholfen.

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Ein Beenden der Arbeit, ein Auflösen des Vereins ist bei MvV überhaupt kein Thema. Zumal „Mensch vor Verkehr“ als Umweltverband nicht nur bei der Bahntrasse gefragt ist, sondern zum Beispiel auch beim Ausbau der A 67. Ja, man dürfe schon stolz sein auf die neue Entwicklung, gibt Strauch zu, der sie als Bestätigung für die Arbeit der hochengagierten Bergsträßer sieht. Aber dass auch in Zukunft viel zu tun bleibt, ist für den Vorsitzenden des Umweltverbands unstrittig.

Das sehen offenbar auch die Mitglieder so. Austritte jedenfalls hat es nicht gegeben, so Strauch. Der Verein, etwa 250 Mitglieder stark, freue sich sogar über ein leichtes Plus. Eine „Eintrittswelle“ hat Vorstandsmitglied Robert Loreth in Langwaden registriert. Was MvV in dem David-gegen-Goliath-Kampf erreichte, hat dort Mut gemacht. Denn wer weiß, ob es ohne den über 20-jährigen Einsatz der Aktiven für den Tunnel, ihr permanentes Argumentieren mit der Bahn, zu der aktuellen DB-Vorzugstrasse gekommen wäre? Die Planung jedenfalls sah bis vor Kurzem bekanntlich eine weitgehend oberirdische Trassenführung vor.

Nun aber hat die Bahn festgestellt, dass ein bergmännischer Tunnel die kostengünstigere und also wirtschaftlichere Alternative zur bisher geplanten Streckenführung ist. „Das heißt aber noch lange nicht, dass der Bund für diese Variante auch das nötige Geld gibt“, dämpft Strauch vorschnelle Freude.

Info-Abend und Neuwahl

Am 12. Juni (ein Mittwoch) lädt MvV zu einem Informationsabend über die aktuelle Situation zur Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim ein, der um 19 Uhr im Lorscher Feuerwehrgerätehaus beginnt. Auch Nicht-Mitglieder sind dazu willkommen. Im Anschluss tagt die Jahreshauptversammlung. Da geht es um künftige Aktivitäten. Auch die Vorstandswahl steht an. Die gute Nachricht: Strauch stellt sich mit seiner Erfahrung für eine Wiederwahl zur Verfügung. Das bestätigt er auf Nachfrage.

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