Lorsch. „Mädels“, ruft Sascha Günthner mit leicht mahnender Stimme in den Raum. Mit dem freundlichen Ordnungsruf will Günthner die Aufmerksamkeit seiner Schützlinge, die sich gerade unterhalten oder mit Aufwärmübungen aus dem Fußballtraining fit machen, auf die beginnende Probenstunde und damit auf die Tanzformation lenken. Das klappt gut – Mädels sind allerdings weit und breit keine zu sehen.
Günthner, zweiter Vorsitzender der Lorscher Bürger-Funken, ist schließlich Chef der Schützen des Fastnachtsvereins und zu dieser Abteilung gehören ausschließlich Männer. Die knapp 20 Mitglieder starke Gruppe bereitet sich seit Wochen auf den Auftritt bei den großen Sitzungen vor. Am kommenden Wochenende (10./11.) ist es soweit. Die Aktiven feilen momentan an den letzten Details ihrer Vorstellung.
Wenn die sportlichen Schützen in der Nibelungenhalle auf die Bühne kommen, versetzen sie das Publikum üblicherweise sofort in Begeisterung, bringen den Saal zum Kochen, die Besucher zum anerkennenden Pfeifen. Sie machen Showtanz und sind seit Jahren ein Garant für beste Stimmung bei der Funken-Fastnacht.
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Zum Erfolgsrezept der Truppe gehört, dass sie sich selbst nicht immer bierernst nehmen muss. „Showtanz mit einer witzigen Komponente ist das Ziel des Trainings“, heißt es sogar auf der Homepage der Bürger-Funken über die Schützen.
Wenn Günthner also im Training spaßeshalber mal „Mädels“ ruft, um in Plauderei vertiefte Mitglieder zur Konzentration auf die anstehenden Übungen aufzufordern, kann das jeder einordnen. Um Spitzentanz oder klassische Ballettschritte wie bei einigen weiblichen Garden geht es bei den Schützen jedenfalls nicht.
Musik- und Tanzvideos als Inspiration
Ausgebildete Tänzer haben die Schützen, bei denen einst Luftgewehre zur Ausrüstung gehörten, nicht in den Reihen. Sie schauen sich Musik- und Tanzvideos an, kombinieren kreativ passende Elemente und treffen dabei meist genau den Geschmack des Publikums.
Legendäre Shows haben sie in der Vergangenheit abgeliefert. Riesigen Applaus gab es etwa für ihre Interpretationen von „Star Wars“ oder den Boxring, den sie für „Rocky“ auf der Bühne bauten. Auch als „Skelette“ machten sie eine gute Figur.
Was sich die Schützen für die beiden Fastnachtssitzungen – „Premiere am Freitag und „Gala“ am Samstag – ausgedacht haben, wird natürlich nicht vorab verraten. Um ein Musikthema der 90er Jahre wird es gehen, kündigt Günthner an.
Kaum geboren, schon Fastnachter
Dass dem Schützen-Chef gemeinsam mit Sebastian Ulrich auch diesmal wieder eine treffende Choreographie gelingen wird, darauf darf die Fangemeinde vertrauen. Denn Günthner trainiert die Schützen bereits seit 15 Jahren. Er selbst ist ein Urgestein der Funken.
Sein Großvater Werner Baumann gehörte zu den Gründern und war Sitzungspräsident. Mutter Jutta Günthner hat Gardetanz- und Ballettgruppen geleitet. Kaum geboren, sei er schon als Mitglied angemeldet worden, berichtet der 38-Jährige. Dass er den Kontakt zu den Narren nie bereut hat, erkennt man nicht zuletzt daran, dass er die Familientradition fortführt.
Seinen Sohn hat er inzwischen ebenfalls als Funken-Mitglied registriert. Die weniger erfreuliche Nachricht, die damit verbunden ist: Wenn Günthner künftig die Nachwuchsschützengruppe betreut, wird er das Engagement für die Erwachsenen-Abteilung nicht wie bisher beibehalten können.
Die Funken-Kinderfastnacht – sie steigt diesmal für alle Interessierten am 18. Februar in der Nibelungenhalle – organisiert er bereits seit einigen Jahren. Für seinen langjährigen Einsatz für die Fastnacht ist Günthner auch längst der Graf-Philipp-Orden verliehen worden, die höchste Auszeichnung, die der Verein zu vergeben hat. „Ohne einen letzten Tanz“, so verspricht der Chef, werde er die Schützen aber nicht verlassen.
Geübt wird vor der Spiegelwand
Jetzt aber wird geprobt. Liegestütze, Rad schlagen und Hebefiguren gehören zur Trainingsstunde. Kondition und Taktgefühl sind nötig. Geübt wird vor der Spiegelwand. „Wir wollen, dass es synchron aussieht“ und „Wir stecken schon viel Zeit und Arbeit rein“, versichern die Schützen. Wer vielleicht meint, es werde sich beim Training um einen Bierkasten bewegt, liegt falsch.
Nach Perfektion in Vollendung streben die Schützen aber nicht. Sie sähen trotz ihres Trainings leider immer noch nicht alle aus wie Adonis, witzeln sie. „Wir nehmen uns gern selbst mal auf die Schippe“, sagen sie – genau mit dieser souveränen Haltung schaffen sie es, auch allen Zuschauern echten Spaß an der Fastnachtszeit zu vermitteln. „Die Bürger-Funken ohne die Schützen sind nicht vorstellbar“, wissen sie.
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