Bensheim. Eijo – so schön kann Saalfastnacht sein! Nach Bürgerhausumbau und Pandemiepause sind die Grieseler Rote Funken zurück am angestammten Ort.
Wenn auch dieser nicht mehr allzu viel mit dem Bürgerhaus vergangener Jahre und Jahrzehnte zu tun hat, so wurde bei der Premiere der närrischen Sitzungen in dieser Kampagne doch nahtlos an das Einst des närrischen Wirkens angeknüpft. Will heißen, wie in früheren Zeiten schnellte das Stimmungsbarometer bei der Funken-Fastnacht gleich zu Beginn des Abends hoch. Dort, am Anschlag, sollte es auch durchgehend verharren.
Viele gut gelaunte Gäste erlebten die erste der beiden großen Sitzungen der Funken-Kampagne mit. Der Saal war bestens besetzt. Fastnachter, jung und älter, teils kostümiert, saßen an den Tischreihen. Viele kamen aus Bensheim, aus den Stadtteilen. Auch etliche Gäste aus der Nachbarschaft waren da. Und mancher Ehrengast wurde von Sitzungspräsident Moritz Ambos begrüßt. Ganz vorne saß ein prominenter Gast mit zumindest etwas längerem Anreiseweg: Hessens früherer Ministerpräsident Volker Bouffier mit seiner Frau.
Eine Herzenssache
Was war das Highlight des Abends? Alles. Jeder. Ob Büttenredner, Sänger, Musiker, Tänzerinnen und Tänzer, allesamt brachten sie Stimmung in das Bürgerhaus. Dazwischen immer wieder Eijo-Rufe. Die Fastnacht ist lebendig, eine Herzenssache. Und die Grieseler Rote Funken zeigen, wie sich traditionelle Saalfastnacht und moderne Show perfekt vereinen lassen. Eine herrliche Mischung. Eine gelungene Mixtur.
Dass der Saal selbst nur sehr begrenzt fastnachtlich dekoriert war, fiel vielleicht dem einen oder anderen Betrachter auf. Doch vorne, auf der Bühne, da war eben Fastnacht pur. Und das prächtige Bühnenbild zeigte, was jeder spürte: Jetzt, in diesem Jahr, hat das Corona-Virus gegen den feurigen Griesel-Drachen keine Chance. Heute und hier wird Fastnacht gefeiert. Eijo.
Es war kurz nach 23 Uhr, als sich die große Schar der Akteure gemeinschaftlich auf der Bühne versammelte, im Hintergrund der Elferrat. Das Publikum stand im Saal, niemand blieb mehr sitzen, feierte die Narren, jubelte ihnen beim Ausmarsch zu. Wunderbar, wohltuend. Unterhaken, schunkeln. Und weiterfeiern bis in die Nacht, getragen auf närrischer Woge. Beim Tanz im Saal zur Musik von Alleinunterhalter Günter Wagner oder auch beim Plaudern, draußen im Foyer.
Drei Stunden Programm
Hinter den Fastnachtern lagen drei Stunden Programm. Und das war ein herrlicher Mix aus Tiefsinnigem, Hintergründigen, mit spitzer Feder notiert und mit eben solcher Zunge vorgetragen, in Wort- und Gesangsbeiträgen, und von Augenzwinkern begleiteten Kalauern und eben Tanz, in Gardeuniform und auch in Showkostümen, mal im hellen Rampenlicht, mal leuchtend aus der Dunkelheit heraus.
Vor und hinter den Kulissen, am Abend selbst, aber auch Wochen und Monate im Vorfeld, haben viele dazu beigetragen, dass die Fastnacht in Bensheim in diesen Stunden höchst lebendig war. Und das Geschehen, das die Welt in diesen Tagen erschüttert, das betroffen macht, blieb außen vor? Nein! Auch hier fanden die Fastnachter sehr wohl kritische, deutliche Worte gegen Putins Krieg in der Ukraine.
Kein Politiker-Bashing
Aber auch die Politik in Deutschland war Thema, fein dosiert und wohl abgewogen wurde kommentiert, durchaus auch im Wissen, dass in Zeiten wie diesen Politik noch schwieriger ist als ehedem. Kein Politiker-Bashing, dafür wortgewaltiges und vor allem wortwitziges Kommentieren, mal mit Verständnis, mal kritisierend.
Und natürlich gab es einiges an Lokalkolorit. Schließlich bietet Bensheim einen großen Fundus, aus dem Fastnachter schöpfen können. Stadtpolitik und Stadtgeschehen sind eben dankbare Themen für die Narrenzunft. Ebenso die Sprache. Bensheimer Mundart, da klingen sogar Schimpfworte wie Liebeserklärungen. Zumindest klingen sie nicht sonderlich hart. Für die Mitbürger im Saal gab es eine Auffrischung in Bensemerisch und für Ortsfremde war es eine närrische Lehrstunde.
Und wer steht hinter alldem? Als Protokoller nahm sich Heinz Burger besagtem Blick auf die Politik an, aber auch die Corona-Krise und vieles andere, was die Nachrichten und das Leben zuvorderst oder auch etwas weiter hinten prägt, machte er zum Thema.
Lange anhaltenden Beifall gab es vom Publikum und von Burger immer wieder die Anmerkung: „So schnell kann alles anders werden.“ Was auch heißt: „Die Queen stirbt einfach über Nacht. Das hat die doch noch nie gemacht.“ Am Ende gab es dann noch ein fast schon trauriges Eijo. Denn der bewährte Büttenredner verabschiedete sich mit seinem großartigen Vortrag aus dem Rampenlicht. Nach 55 Jahren soll am Aschermittwoch für ihn Schluss auf der Bühne sein.
Fürs erwähnte Bensemerisch war Sibylle Weihrich zuständig. Worte wie „Dollbohrer“ und „Urumpel“ fanden bei ihr Erklärung, ebenso „Schnuckelsche“ und „Zuckerschnecke“. „Sprache ist Herkunft“ und „Sprache ist Heimat“, lautete ihre Bilanz. Und diese Sprache und diese Heimat liebt sie unverkennbar und mit Leidenschaft. Kaum zu bremsen war sie auf der Bühne unterwegs. Brillant. Gleiches lässt sich über Moritz Ambos und Steffi Hölzel sagen. Das Duo machte die Bühne zur Schneiderwerkstatt, plauderte unter anderem über das Plus beim Körpergewicht als Folge der Coronazeit und über Fitnesstreffs während des Lockdowns im Verborgenen – „Im Neumarkt-Center seid ihr gewesen?!“
Kinder und Kinderinnen?
Und dann war da noch Harald Stastny. Als Zwingenberger fand er den Weg in die Bütt, berichtete von seinen Fähigkeiten als Heimwerker und wie er als solcher während des Urlaubs eines Nachbarn nicht nur dessen Haus betreute, sondern es gleich komplett umbaute und neu möblierte. Im Nachgang nahm er sich in seinem Vortrag dann noch des Genderns an.
Kopfschütteln bei ihm. Wohin soll das führen, vielleicht bis hin zu Begrifflichkeiten wie: „Spielplatz für Kinder und Kinderinnen“? Korrektes oder nichtkorrektes Beispiel. Egal. Lachtränen flossen beim Publikum, Kichern und lautes Lachen erfüllte den großen Saal – wie bei allen, die auf der Bühne standen. So auch bei Corina Tatzel, die als Margot aus dem Odenwald an die Bergstraße gekommen ist, mit frech-fröhlichem Gesang und musikalisch begleitet von Bernhard Stenger. Hochgradig gute Laune wurde versprüht.
Dafür standen ebenso die Jungen Funken und die Roten Hosen mit ihren Liedern wie auch die Grieselsänger. Zuhören, Mitsingen, bekannte Melodien, gewitzte Texte. Bei der Fastnacht der Grieseler Rote Funken findet alles zusammen.
Kinderballett, Gardeballett und Showballett sorgten mit ihren Tänzen im Rampenlicht für weitere Highlights. Ob Wortbeitrag, Gesang oder Tanz – für die Akteure gab es Orden und vor allem Beifall, teils Ovationen. Und für eine gab es noch eine ganz besondere Würdigung für langjähriges und unermüdliches Engagement vor und hinter der Bühne: Mara Kurschatke, unter anderem Trainerin des Gardeballetts.
„Wir sprühen schon voll Tatendrang“, hatte Sitzungspräsident Moritz Ambos, der souverän durch den Abend geleitete, zu Beginn der Sitzung wissen lassen. Und tatsächlich katapultierten die Grieseler Rote Funken sich und ihr Publikum mit diesem Tatendrang in eine Umlaufbahn der Narretei, in der Raum und Zeit in Vergessenheit geraten konnten. Die Funken-Fastnacht macht eben einfach Spaß, und an diesem Abend konnte niemand genug davon bekommen.
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