Erinnern

Aus Lorsch gelang die Flucht in die USA

Vier neue „Stolpersteine“ erinnern an die Familie Lichtenstein aus Lorsch.

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ml
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Burazor Daliwor vom Betriebshof und Thilo Figaj beim Verlegen. © Weinbach

Lorsch. Thilo Figaj, der Vorsitzende des Lorscher Heimat- und Kulturvereins, ist wohl der beste Kenner der Geschichte der jüdischen Familien, die in Lorsch gelebt haben und während der NS-Zeit vertrieben oder verschleppt wurden. Seit einigen Jahren erforscht er ihre Schicksale.

Vor der Gedenk-Veranstaltung am 9. November (siehe Text links) mauerte er mit Burazor Daliwor vom Betriebshof zunächst vier „Stolpersteine“ für Familie Lichtenstein auf dem Bürgersteig vor dem Haus Lindenstraße 8 ein, wo sie gewohnt hatte: Jakob (*1902), seine Frau Melita (*1898), sowie die Kinder Berta Helga (*1934) und Eva Ellen (*1936).

Jakob wurde im Jahr 1938 in „Schutzhaft“ im Konzentrationslager Buchenwald genommen, bevor der Familie 1939 die Flucht in die USA gelang. Anschließend wurden zwei „Stolpersteine“ für Betty und Jenny Lichtenstein in der Kirchstraße 5 verlegt.

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Figaj erklärte in einer Rede, dass 55 bisher in Lorsch verlegte „Stolpersteine“ für 55 Schicksale stünden. Zähle man die Schicksale dazu, die noch aufzuklären seien, dann seien es wohl mehr als 100 ehemalige jüdische Mitbürger mit einem Bezug zu Lorsch.

„Sechs Personen, Helga Kawesch (Lichtenstein), Ellen Reichenbach (Lichtenstein), Claude Abraham, Fritz Kahn, Heinz Kahn und Otto Kahn haben die Verlegung ihrer eigenen Steine selbst erlebt oder davon Kenntnis erhalten. Allerdings war nur Otto Kahn (geb. 1934) auch persönlich anwesend, informierte der Redner.

Holpriger Weg zu „Stolpersteinen“

Figaj erinnerte, dass es bis zur ersten Verlegung von Stolpersteinen 2015 zehn Jahre gedauert habe, bis die städtischen Gremien ihre Zustimmung gegeben hätten. Selbst danach hätten sich Hausbesitzer gegen Verlegungen vor ihrer Haustür gewandt. Erst nach einem erneuten „einstimmigen und unmissverständlichen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung durften die Steine im öffentlichen Raum verlegt werden“.

Säureanschläge im Jahr 2018

Figaj stellte fest: „Der weiterhin in Deutschland und andernorts lauernde und immer offener zu Tage tretende Antisemitismus zeigt sich auch bei uns. Niemand sollte glauben, dass wir in Lorsch eine Insel des vollkommenen Humanismus wären.

Waren bis 2017 noch Verlegungen von Steinen in der Bahnhofstraße aus den geschilderten Gründen verhindert worden, so gab es 2018 Säureanschläge auf eine Gruppe erst verlegter Steine.

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Der Staatsschutz wurde damals eingeschaltet. Die Verlegungen blieben schwierig. Hausbewohner und Hausbesitzer nahmen in der Regel nicht teil, und wenn, dann schauten sie höchstens aus dem Fenster raus oder hinter Gardinen zu.“ ml

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