Hauptausschuss

Lorsch soll zu einer Schwammstadt werden

Bei der Neuaufstellung von Bebauungsplänen soll den Auswirkungen des Klimawandels entgegengewirkt werden

Von 
Nina Schmelzing
Lesedauer: 
Fassadenbegrünung ist eine Möglichkeit, um Regenwasser zu speichern und damit im Sommer die Temperatur in der Stadt abzusenken. © DPA

Lorsch. Die Stadtverordneten haben sich in ihrer jüngsten Sitzung mit „grundsätzlichen Leitlinien der Bauleitplanung“ befasst und einen Beschluss dazu gefasst. Dieser sieht vor, bei der Neuaufstellung von Bebauungsplänen grundsätzlich Festsetzungen einzubringen, die den Auswirkungen des Klimawandels in der Stadt entgegenwirken. Ein entsprechender Antrag wurde von den beiden Fraktionen CDU und Grüne gemeinsam erfolgreich eingebracht. Lorsch macht sich damit auch auf den Weg, eine sogenannte Schwammstadt zu werden.

Unter diesem Begriff werden verschiedene bauliche Maßnahmen zusammengefasst, die helfen, Regenwasser nicht sofort komplett in die Kanalisation abzuleiten, sondern einen Teil sinnvoll zu speichern, um Folgen des Klimawandels abzumildern.

„Aufgeheizt wie ein Kachelofen“

„Der Klimawandel ist in den Städten stärker spürbar als auf dem Land“, erläuterten die Fraktionschefs von CDU und Grünen, Ferdinand Koob und Matthias Schimpf. Sommer würden heißer, Niederschläge nähmen ab und „die Städte heizen sich auf wie ein Kachelofen“. Andererseits drohten trotzdem auch häufigere extreme Starkregen und Hochwasser, erinnerten sie. Konzepte für die Städte im Rahmen der Bauleitplanung seien notwendig, machten sie klar.

Ein Ansatz könne es sein, Niederschlagswasser vermehrt in den Städten zu halten. Mittels Gebäudebegrünung und einer Reduzierung von Versiegelung wird ein Schwammeffekt erreicht. Solche Maßnahmen könnten eine Temperatursenkung von bis zu drei Grad erbringen.

Insgesamt vier Punkte hat die Stadtverordnetenversammlung auf Antrag von CDU und Grünen aufgelistet, die bei der Neuaufstellung von Bebauungsplänen künftig zur Minderung von Klimawandelfolgen Beachtung finden sollen. Um den Auswirkungen entgegenzuwirken, soll der Magistrat demnach insbesondere Festsetzungen prüfen zu den Themen Flächensparendes Bauen (ein Minimierungsgebot von Flächenversiegelungen), Gebäude- oder Dachbegrünung, Einsatz regenerativer Energien sowie Flächen für den Rückhalt und die Versickerung von Regenwasser.

Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"

„Wir haben noch Glück“, meinte Schimpf zum Thema Regenwasserrückhalt mit Blick auf den Wasserbeschaffungsverband Riedgruppe Ost. Durch die Rheinwasserinfiltration falle die Lorscher Region nicht unter einen gewissen Pegel. Dennoch seien Maßnahmen anzustreben, um wieder mehr natürliche Grundwasserneubildung zu ermöglichen. Über Fassadenbegrünungen sei schon oft geredet worden, umgesetzt worden aber sei bislang noch wenig, fügte er an. Der diesjährige Sommer habe gezeigt, dass Handeln nötig sei. Das gelte ebenso für regenerative Energie. „Lange haben wir geglaubt, es geht immer so weiter wie bisher“, kritisierte Schimpf viele Ausstiegs-, aber wenige Einstiegsdiskussionen. Den Preis hätten derzeit alle zu zahlen. Besser wäre es gewesen, frühzeitig lokale Unabhängigkeit anzustreben. Der Grüne sprach von „Freiheitsenergie“, der nötigen Abkehr von Abhängigkeiten. Ein Teil des Verbrauchs könnte selbst erzeugt werden. Regionale und regenerative Energien könnten nicht nur den Klimawandel verlangsamen, sondern auch die Abhängigkeit von ausländischen Energieimporten deutlich reduzieren, so Schimpf und Koob.

Schimpf lobte aber auch: „Lorsch macht schon sehr viel. Viele andere Städte unserer Größenordnung sind nicht so weit.“

Beim Wasser derzeit privilegiert

„Uns allen ist bewusst geworden, was Klimawandel bedeutet“, sagte Ferdinand Koob. Was die Wasserversorgung angeht, „sind wir im Ried noch privilegiert“, meinte der CDU-Fraktionschef. Es sei aber erforderlich, dafür zu sorgen, dass möglichst viel Wasser versickern kann, so Koob mit Blick auf die Grundwasserneubildung. Gelange das Wasser sofort in die Kanalisation, verlasse es die Lorscher Gemarkung zügig. Entsiegelungen seien wichtig, Zisternen und Photovoltaik ebenso. Dass die angestrebten Neuerungen nicht umsonst zu haben sind, räumte der Fraktionsvorsitzende ein. „Ja, das verteuert das Bauen.“ Trotzdem aber sei das Konzept für die Bauleitplanung durchzusetzen und zu „forcieren“, forderte er.

Dirk Sander (SPD) zeigte sich verwundert über die neue Dringlichkeit bei dem Thema. Mehrfach habe seine Fraktion in der Vergangenheit versucht, von ökologisch sinnvollen Vorgaben bei Neubaugebieten zu überzeugen. Beim Wohngebiet Wiesenteich seien die Anträge zur Photovoltaik abgelehnt worden, auch beim geplanten Gebiet Lagerfeld-West, dort sollen rund 200 Wohnungen entstehen, seien die Sozialdemokraten mit ihren Anregungen auf später vertröstet worden, erinnerte er. „Jetzt ist es richtig, damals falsch?“, fragte Sander. Der Magistrat solle erst einmal Konzepte ausarbeiten, dann könnten sie vom Bau- und Umweltausschuss beraten werden.

Mehr zum Thema

Kommunalpolitik

Stadt Zwingenberg soll mehr kommunale Dächer für Photovoltaik zur Verfügung stellen

Veröffentlicht
Von
Michael Ränker
Mehr erfahren
Umwelt

Zwischen Dürrejahren und der Gefahr eines Extremhochwassers

Veröffentlicht
Von
Thomas Tritsch
Mehr erfahren

„Uns ging es noch gut“, merkte Christian Walter (PWL) in der Rückschau auf den Sommer an. „Keiner musste seinen Garten verwelken lassen.“ Er warnte aber: „Was privilegiert ist, muss nicht immer so bleiben.“ Auch in Lorsch könne man noch besser werden, befand Walter. Mit den Leitlinien zur Bauleitplanung erarbeite man etwas für die Zukunft und somit „für uns alle“, stellte der PWL-Vorsitzende fest.

Schimpf erläuterte auch in Richtung der Sozialdemokraten und ihrer Fragen, dass CDU und Grüne mit ihrem Antrag keinesfalls ein „festgefügtes Korsett“ vom Magistrat erhofften. Die ökologischen Leitlinien sollten vielmehr für jedes Gebiet, jeden Bebauungsplan individuell eingebracht und dann von den Stadtverordneten entschieden werden. Es sei schließlich durchaus möglich, dass zum Beispiel Festsetzungen zur Photovoltaik „nicht überall optimal“ seien.

Ein Grundwasser-Notstand sei in der Lorscher Region auch deshalb unbekannt, weil durch die Rheinwasserinfiltration eingegriffen werde – ein künstlicher, nicht natürlicher Vorgang. Vermeintlich sei Wasser im Überfluss vorhanden, es handle sich aber um ein „kostbares und rares Gut“, mahnte der Grüne. Der gemeinsame Antrag von Grünen und CDU, bei der Neuaufstellung von Bebauungsplänen grundsätzlich Festsetzungen einzubringen, die den Auswirkungen des Klimawandels entgegenwirken, wurde von der Stadtverordnetenversammlung einstimmig beschlossen.

Redaktion

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger