Lorsch. Eine neue Ausstellung ist im Lorscher Museumszentrum eröffnet worden. „Schimmel, Schafsmist, Schwalbennest“ heißt sie. Es geht um Heilwissen aus dem Kloster. Die kleine Sonderausstellung widmet sich dem berühmten Lorscher Arzneibuch, das vor genau zehn Jahren in das Unesco-Weltdokumentenerbe aufgenommen wurde.
Könnte der ungewöhnliche Ausstellungsname Publikum abschrecken von einem Besuch? Nein, das Gegenteil ist richtig, ist man bei der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen überzeugt, die zu der Schau einlädt. Denn der Titel wecke Neugier und sei schon deshalb in diesem Fall besser als eine konventionellere Alternative, die etwa nur Kräuternamen nennen würde. Schließlich will man auch junge Familien ins Museum locken. Beim jungen Teil des Zielpublikums, den Kindern, wird der Titel besonders punkten können.
Im Museum werden sie dann auch eigens angesprochen. Denn die Ausstellung ist als Mitmach-Ausstellung konzipiert, die mehrere Stationen für Kinder beinhaltet. Sie können, schriftlich angeleitet von „Caesarius“, der Figur eines achtjährigen Novizen, eine Rallye unternehmen. An verschiedenen Stationen sollen sie dann am Schreibpult mit der Feder ein Rezept aus dem Arzneibuch abschreiben oder den Duft verschiedener Kräuter in Holzdosen riechend zuordnen.
Die Hand ins Dunkel strecken
Dass solche Aufgaben nicht nur Kindern Spaß machen, war schon bei der Ausstellungseröffnung mitzuerleben. Am geheimnisvollen Fühlkasten etwa geht kaum jemand vorbei, ohne die Hand ins Dunkel zu strecken und zu versuchen, die dort versteckten Gegenstände blind zu erraten. Ein erschrockenes „I“ war zu hören, als jemand meinte, etwas Ekliges angelangt zu haben. Es handelte sich aber nicht etwa um eine tote Ratte, sondern um Wolle. Sie war früher ein gefragtes Verbandsmaterial und auch um die wohltuende Wirkung von Lanonlin wusste man.
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Da es um Heilung geht, begegnet man aber auch anschaulich dargestellten Krankheiten, sogar menschlichen Überresten, wenn man „Schimmel, Schafsmist, Schwalbennest“ besucht – echten. In einer Vitrine ist ein Teil eines Gebisses zu sehen, das bei Ausgrabungen in Lorsch entdeckt wurde. Die Zähne des Mönches stammen aus dem 11. oder 12. Jahrhundert, Forschern geben sie Auskunft über die Mundhygiene im Mittelalter, die mit dem Kauen junger Zweige erledigt wurde. Der Ausstellungsbesucher wird darüber informiert, dass die Menschen damals glaubten, ein „Zahnwurm“ verursache die Karies- und Parodontose-Schäden.
Verletzungen und Infektionen
Auch ein kleiner Knochen eines vor Jahrhunderten verstorbenen jungen Mannes aus dem Kloster, der an einer Rippenfellentzündung litt, ruht in einer Vitrine. Ein Unterschenkelknochen, der ebenfalls vom einstigen Mönchsfriedhof stammt, zeigt zudem ein verknöchertes Hämatom. Auch ein Schädel mit Verletzungen durch Hiebe gehört dazu.
Gefahren lauerten für unsere Vorfahren überall, wird an Bakterien, Infektionen und Wunden, Plagen und vielerlei Krankheiten erinnert. Gegen Husten sollte eine Mixtur aus Knoblauch und Honig helfen, gegen Kopfschmerz eine Mischung aus Schafsmist und Minze, auf der Stirn aufzutragen. Wie enorm wichtig ein Kräutergarten war, wird attraktiv vermittelt. In der Ausstellung ist ein Pflanzbeet mit Rosmarin, Petersilie und Dill zu bewundern. In anderen Vitrinen sind Pinzetten und Wundklemmen aus dem 12. Jahrhundert ausgestellt. Lorsch kann auf viele eigene Exponate zurückgreifen.
Im Freilichtlabor Lauresham hat man einige Rezepte aus dem Arzneibuch, das ums Jahr 800 in Lorsch verfasst wurde, mit Pflanzen aus dem Kräutergarten und alten Gerätschaften rekonstruiert. Einst empfohlene Arzneien entstanden oft mit diversen Zutaten auch mineralischen und tierischen Ursprungs: Kupfersalze, Honig, Fledermausblut etwa, oder – wie im Ausstellungstitel angekündigt – Schafsmist, Schimmel und in Essig aufgelöstes Schwalbennest, das die Risiken nach einem Hundebiss reduzieren sollte.
Dass Dung auf der Stirn Kopfschmerzen lindert, wird kaum jemand bestätigen können. Honig und zahlreiche Kräuter aber bleiben mit Recht gefragte Bestandteile von Heilmitteln und werden auch künftig für weitere Anwendungen erforscht werden. Auch Schimmel von getrocknetem Käse kann antimikrobielle Wirkstoffe vorweisen, alte Rezepturen könnten als eine Art Antibiotikum des Mittelalters gelten.
Auch über die archäologischen Grabungen und das Hospital, das wohl am Spittelsberg hinter den Zehntscheune lag, wird informiert.
Hustensirup selbst zubereiten
Geöffnet ist die Ausstellung im Museumszentrum, die bis Mitte Januar läuft, dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr. Es können auch Workshops gebucht werden, in denen zwei Rezepte aus dem Arzneibuch – Hustensirup und Kräutersalz – für die eigene Hausapotheke zubereitet werden.
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