Lorsch. Der Lorscher Abt feiert Jubiläum: Am 10. September wird der Kleinkunstpreis zum zehnten Mal vergeben. Im Theater Sapperlot wurden bereits die Finalisten ausgesucht (wir werden berichten). Mit dem 114. Kultursalon verabschiedete sich das Format jetzt in die Sommerpause. Moderator Daniel Helfrich hatte einen kurzweiligen Mix aus Comedy, Musik und Zauberei komponiert, herbwürzig ausgarniert mit eigenen Songs zum Piano.
Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"
Sein Intro über Fußballexperten, beziehungsweise deren Abwesenheit, ist ein launiges Lied über mitteilungsbedürftige Insider, ohne die der Sport – und die aktuelle Europameisterschaft – womöglich ein bisschen entspannter verliefe. Helfrichs musikalische Abhandlung über die beliebte Spezies und ihre charakteristischen Merkmale ist scharfkantiges Klavierkabarett mit liebevollem Spott und einem bissigen Lächeln auf den Lippen.
Langjähriger Stadionsprecher
Die ideale Ouvertüre für einen Mann, der mit dem Fußball ebenfalls viel zu schaffen hatte. Früher. Peter Kunz war 15 Jahre Stadionsprecher vom SV Darmstadt 98 und moderierte jahrelang die Wahlkampf-Shows von Bundeskanzler Gerhard Schröder. Seit 2018 ist der gebürtige Langener als Comedian unterwegs. Sein Credo: „Akzeptanz durch Penetranz“.
In Lorsch berichtete er von seinem Besuch beim türkischen Frisör samt Nasen-Waxing und Faden-Epilation, von der urlaubsreifen Heimkehr nach einer Kreuzfahrt mit der eigenen Frau und der multikulturellen Atmosphäre in Offenbach, wo die Welt auf engstem Raum zusammenlebt: „Das ist wie in einem Olympischen Dorf: 160 Nationen, und alle im Trainingsanzug!“
Hier gibt keinen Berufsverkehr
Zur Lieblingsstadt aller Frankfurter und Darmstädter hat er auch einen Brettspiel-Klassiker entworfen: Offenbach-Memory. Mit extrem niedrigen Grundstückspreisen. „Aber nach zehn Minuten sind alle schon im Knast!“ Daher gibt es auch keinen Berufsverkehr. Arbeiten geht dort ohnehin kaum jemand. Die Leute sitzen häufig auf dem Sofa, „deswegen haben die auch das Ledermuseum.“ Stau gibt es nur, wenn gerade mal wieder Bürgergeld ausgezahlt wurde.
Mit der Region verbindet ihn auch seine Schulzeit in der ehemaligen Odenwaldschule, wo die Lehrer immer „sehr nah dran waren an den Schülern“. Kunzes Spiel mit Klischees und Stereotypen über Institutionen, Städte und ihre Einwohner gerät trotz vieler abgewetzter Bezüge und erwartbarer Pointen dennoch recht unterhaltsam und souverän. Den alten Hasen am Mikrophon kann Peter Kunz nicht verleugnen, die Nähe zum Publikum ist flott hergestellt.
Amüsant auch, wenn er über die Spezialitäten der südhessischen Grammatik spricht, die ohne Genitiv auskommt und statt seiner den verschachtelten Dativ verwendet: es ist eben nicht „Peters Auto“, sondern „dem Peter sein Auto“.
Den musikalischen Weg Richtung Pause gestaltete Meta Hüper. Die Berliner Chansonnière frönte ihrer Liebe zur Musik der 1920er Jahre und dem französischen Chanson. Dabei überzeugt die Vollblutmusikerin nicht nur durch Gesang, sondern inszeniert die Stücke durch den Einsatz von Geige, Melodika, Singender Säge und weiterer Instrumente zu einem musikalischen Gesamtkunstwerk.
Ab in die Nachtclubs
Der Auftritt im Sapperlot war eine klangvolle Collage mit theatralischen Elementen und der Klavierbegleitung von Daniel Helfrich. Alte deutsche Schlager wie „Nur nicht aus Liebe weinen“ oder Broadway-Songs wie „All That Jazz“ aus dem Musical „Chicago“ reihten sich nahtlos aneinander und entführten das Publikum in moussierende Berliner Varietés oder verruchte Nachtclubs.
Meta Hüpers Look: Frackhose, Hosenträger und Hut. Betörend: „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre“ von Friedrich Hollaender und Robert Liebmann, bei dem die Künstlerin maximale Leidenschaft und Stimme bot.
Christoph Demian inszenierte in Lorsch magische Momente in lockerer Haltung. Der Mainzer ist kein stocksteifer Zauber-Purist mit eingefrorenem Dauergrinsen – er gibt das sympathische Schlitzohr und den fingerfertigen Klein-Künstler, der seine Tricks auch gerne mal dem Publikum offenbart.
Lustig, wie er mit optischen Täuschungen spielt: nach einer Minute starrem Blick auf eine sich drehende Scheibe mit Kreiselmuster scheint sein Kopf im Auge des Betrachters plötzlich gefährlich dick anzuschwellen.
Demian spielt mit den Gehirnen seiner Zuschauer und lässt sie am Ende dann doch zumeist fragend zurück.
Papisong für die Tochter
Der Kabarettist und Autor René Steinberg setzt auf „radikale Spaßmaßnahmen“. Seine Comedy ist schnell, direkt und barrierefrei. Sein Kurs ist der offensive gesellschaftliche Systemwechsel mit mehr Spaß im banalen Alltag. Humor als nicht verschreibungspflichtiger Wutdrucksenker und heller Notausstieg im dunklen U-Bahn-Tunnel des Lebens.
Auf der Bühne ist Steinberg quirlig und nah am Publikum. Er mixt nostalgischen Erinnerungssport („Früher wusste man beim Telefonieren immer, wo der andere gerade ist!“) mit lustigen Liedern wie dem „Papisong“ für pubertierende Töchter, die nicht zum vereinbarten Zeitpunkt nach Hause kommen: also spätestens um 18 Uhr. Seine Gegenoffensive: mit Jogginghose und Schlappen in die Disco gehen und das Kind nach Hause tanzen. Das kann funktionieren, betont Steinberg. Wahrscheinlich nur ein Mal.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/lorsch_artikel,-lorsch-kultursalon-sapperlot-sommerpause-_arid,2220790.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/vereine_verein,_vereinid,5.html
[2] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/lorsch.html